Solidarität für Sea-Watch-Kapitänin
29. Juni 2019Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat die italienischen Behörden für ihr Vorgehen gegen das Rettungsschiff der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch kritisiert. Er appellierte per Twitter an die italienische Justiz, die Vorwürfe gegen Kapitänin Carola Rackete schnell zu klären:
Es sei eine "Sprachverdrehung Orwell'schen Ausmaßes", wenn Italiens Innenminister Rackete "Unterstützung von Menschenhändlern" und Piraterie vorwerfe, sagte Grünen-Chef Robert Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Der eigentliche Skandal ist das Ertrinken im Mittelmeer, sind die fehlenden legalen Fluchtwege und ein fehlender Verteilmechanismus in Europa." Die Europaabgeordnete der Linken, Özlem Demirel, erklärte: "Carola Rackete gehört nicht hinter Gitter, sondern verdient einen Orden für ihre Courage und Menschlichkeit."
Unterstützung bekommt die deutsche Politik von Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Der Minister forderte seinen italienischen Ressortkollegen Enzo Moavero Milanesi auf, sich für Racketes Freilassung einzusetzen. In einem über Facebook verbreiteten offenen Brief an Moavero Milanesi schrieb Asselborn, die Kapitänin der "Sea-Watch 3" habe sich "in der Pflicht befunden, 40 Migranten nach Lampedusa zu bringen. Menschenleben zu retten, ist eine Pflicht und sollte niemals ein Delikt oder ein Verbrechen sein", schrieb Asselborn, derzeit dienstältester Außenminister in der EU.
Rechtspopulist Salvini poltert
Der italienische Innenminister Matteo Salvini erhob dagegen schwerste Vorwürfe gegen die 31-jährige Kapitänin. Das unerlaubte Anlegen der "Sea-Watch 3" sei ein Beweis dafür, dass es sich bei den Seenotrettern um "Kriminelle" handele. "Sie haben die Maske abgelegt: Das sind Verbrecher", sagte der Rechtspopulist Salvini und ging so weit, den Seenotrettern vorzuwerfen, den Tod italienischer Ordnungskräfte riskiert zu haben.
Prominenter Spendenaufruf
Unterstützung erhält die Kapitänin der "Sea-Watch 3" auch aus der TV-Branche. Die Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf haben zu Spenden für die Seenotretter aufgerufen. In einem gut fünfminütigen auf Youtube in der Nacht zum Sonntag veröffentlichten Video zeigten sie sich erschüttert von den Geschehnissen auf der italienischen Insel Lampedusa. Sie betonten in einer gemeinsamen Erklärung: "Wer Menschenleben rettet, ist kein Verbrecher." Bereits am frühen Sonntagmorgen waren Spenden in Höhe von mehr als 140.000 Euro eingegangen.
Längstens 48 Stunden bis zu Racketes Verhör
Das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" hatte in der Nacht zum Samstag nach mehr als zwei Wochen auf See mit 40 Migranten entgegen dem ausdrücklichen Verbot der Behörden auf der italienischen Insel Lampedusa angelegt und stieß dabei mit einem Boot der Finanzpolizei zusammen. Dafür soll sich Rackete bereits entschuldigt haben. "Meine Absicht war, meine Mission zu erfüllen, natürlich nicht, euch zu rammen", sagte sie laut Nachrichtenagentur Adnkronos. Die Situation an Bord bezeichnete Rackete als "hoffnungslos". Ihr Ziel sei lediglich gewesen, erschöpfte und verzweifelte Menschen an Land zu bringen, ließ die 31-Jährige über ihre Anwälte erklären. Sie habe Angst vor Suiziden an Deck gehabt.
Der Vater der Kapitänin, Ekkehart Rackete, sagte der italienischen Tageszeitung "Corrierre della Sera", seine Tochter habe nie einen Fehler begangen. "Carola ist nicht impulsiv, sie weiß immer, was sie macht, und sie ist eine starke Frau." Darüber, was in Italien auf sie zukommen würde, sei sie sich schon vor der Ankunft in Lampedusa bewusst gewesen.
Rackete wurde an diesem Samstag festgenommen und unter Hausarrest gestellt. Sie soll binnen 48 Stunden von der Staatsanwaltschaft verhört werden, wie ihr Anwalt Leonardo Marino sagte. Ihr werden unter anderem Beihilfe zur illegalen Einwanderung sowie die Verletzung italienischer Hoheitsgewässer vorgeworfen. Italienischen Medienberichten zufolge drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft, unter anderem wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung, Verletzung des Seerechts und Gewaltanwendung.
Fünf europäische Länder, darunter Deutschland, hatten bereits am Freitag zugesagt, Flüchtlinge von Bord des Schiffes aufzunehmen. Dennoch hatte die italienische Regierung weiterhin keine Genehmigung zum Anlegen erteilt und erklärt, auf "gesicherte Garantien" zu warten.
qu/jj/djo (dpa, rtr, afp, epd, ape)