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Energiepolitische Wende lässt auf sich warten

2. Januar 2011

Schwindende Ressourcen, verheerende Klima- und Umweltauswirkungen: Die Welt muss sich von der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern lösen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht jedoch nur langsam voran.

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Entwicklung und materieller Wohlstand sind von einem Faktor so abhängig wie von keinem anderen: Energie. Ohne Energie hätte es in Europa keine industrielle Revolution gegeben, ohne Energie keine nennenswerte Wirtschaft, ohne Energie keine Globalisierung. Bisher waren fossile Energieträger - Öl, Gas, Kohle - der Schlüssel zu Wirtschaftswachstum und Entwicklung, doch die Reserven gehen zu Neige, das Klima ändert sich, die Umwelt stirbt an den immer wachsenden Hunger nach Energie.

Hermann Scheer (Foto: dpa)
Träger des Alternativen Nobelpreises: Hermann ScheerBild: picture-alliance/ ZB

Dabei könnte es anders sein: "Es ist möglich, die komplette Energieversorgung eines jeden Landes mit erneuerbaren Energien zu realisieren", betonte der kürzlich verstorbene SPD-Politiker Hermann Scheer immer wieder. "Das ist eine große Anstrengung, die aber Voraussetzung dafür ist, dass umweltneutrale, umweltschonende und ausreichende, kostengünstige Energie für alle zukünftig möglich wird. Das ist die Herausforderung dieses Jahrhunderts."

Scheer kämpfte bis zu seinem Tod im Oktober 2010 sowohl in Deutschland als auch international unermüdlich dafür, die Welt vom Tropf der fossilen Energieträger abzukoppeln. Kurz nach seinem Tod erschien sein letztes Buch: "Der Energetische Imperativ - 100% jetzt".

Gefährliche Abhängigkeit

Doch von jetzt auf gleich wird die Energiewende wohl nirgends stattfinden: Ölbohrungen wie im Golf von Mexiko, wo die Havarie der Plattform "Deepwater Horizon" im April 2010 eine Ölkatastrophe von zuvor unbekanntem Ausmaß verursachte, zeigen mit aller Deutlichkeit, wie riskant die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern ist. Noch nie wurde so tief gebohrt, wurden so viele Kosten in Kauf genommen und so minderwertiges Öl gefördert wie heute, um den weltweiten Energiehunger zu stillen.

Norbert Röttgen (Foto: dpa)
Propagiert erneuerbare Energien: Norbert RöttgenBild: picture-alliance/dpa

Mittlerweile sehen auch viele Regierungen die Notwendigkeit, vom "schwarzen Tropf" loszukommen. Die EU will sich in den laufenden Klimaverhandlungen auf 20 Prozent Emissionsreduktion bis 2020 im Vergleich zu 1990 festlegen - sogar auf 30 Prozent, wenn andere Industrienationen mitmachen.

Die Bundesregierung ist mit ihren nationalen Plänen schon weiter, betont Bundesumweltminister Norbert Röttgen: 40 Prozent Emissionseinsparungen will sie bis 2020 durchsetzen. In den neuen "grünen" Technologien sieht Röttgen auch einen großen Wettbewerbsvorteil für Deutschland.

AKW-Laufzeitverlängerung umstritten

Doch eine Maßnahme, mit der die jetzige Bundesregierung die Energiewende erreichen will, stößt auf großen Widerstand: Die Laufzeit für bestehende Atomkraftwerke, die Anfang des vergangenen Jahrzehnts von der rot-grünen Bundesregierung auf 32 Jahre - was für den jüngsten Reaktor bis 2021 bedeutete - begrenzt worden war, wurde mittlerweile wieder verlängert, und zwar um durchschnittlich zwölf Jahre. Denn, so das Argument der schwarz-gelben Koalition, der Umstieg auf erneuerbare Energie werde bis dahin nicht ohne Energieengpässe gelingen.

Atomkraftgegner blockieren Bahngleis (Foto: dpa)
Strecke Richtung Zwischenlager Gorleben: Atomkraftgegner blockieren ein BahngleisBild: picture-alliance/dpa

Dieser Beschluss hat in Deutschland zu massiven Bürgerprotesten geführt. Als im November vergangenen Jahres die sogenannten Castor-Behälter mit radioaktivem Müll aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague wieder nach Deutschland gebracht wurden, versammelten sich Zehntausende Menschen am Zwischenlager Gorleben, um gegen die Energiepolitik der Regierung zu demonstrieren.

Für die Mehrheit der Deutschen ist Atomkraft keine Alternative: zu gefährlich, zu ungewiss und zu teuer für die Steuerzahler, die letztendlich für die Kosten für Zwischenlagerung und eventuelle Schäden aufkommen müssen. Ein Endlager gibt es auch in Deutschland nicht: die hitzige Diskussion um Gorleben währt seit nunmehr 30 Jahren.

Bald von China überholt?

Für die meisten Deutschen sind erneuerbare Energien aus Sonne-, Wind- und Wasserkraft weitaus attraktiver als Atomkraft. Mit staatlichen Förderprogrammen wird denn auch der Ausbau erneuerbarer Energien vorangetrieben - auch um, wie es Bundesumweltminister Röttgen betont, den "wirtschaftlichen Anschluss" nicht zu verpassen.

Dabei gibt es bereits Länder, die an eine totale Umstrukturierung ihrer Energiewirtschaft arbeiten: Costa Rica und die Malediven wollen beispielsweise innerhalb weniger Jahrzehnte komplett CO2-neutral wirtschaften. Und auch der globale Wirtschaftsriese China tut zu Hause mehr als das, worauf sich die Volksrepublik in den internationalen Klimaverhandlungen festlegen will. Auch das ist ein Argument für andere Länder, den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben. Bald schon könnten sie sich sonst wirtschaftlich und technologisch von China überrollt sehen.

Autorin: Helle Jeppesen
Redaktion: Klaus Dahmann