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Energiewende muss Leuchtturmprojekt werden

Felix Chr. Matthes24. Juni 2013

Zwar gibt es erste Erfolge zu bilanzieren und ein Blackout ist bislang ausgeblieben. Soll die Energiewende in Deutschland aber ein Erfolgsmodell werden, bleibt noch viel zu tun, meint Felix Matthes.

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Felix Matthes
Autor: Felix Matthes, Öko-InstitutBild: Öko-Institut e.V.

Eines sei vorausgeschickt: Nicht alle Entwicklungen und Probleme, vor denen die deutsche Energiewirtschaft steht, sind Folgen der Energiewende. Denn die die doppelte Wende der deutschen Energiepolitik - die Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Kernkraftwerke im Zusammenhang mit einer langfristigen Umstellung der Volkswirtschaft auf ein Energiesystem ohne Kohlendioxid-Emissionen im Jahr 2010 und die Rücknahme dieser Laufzeitverlängerung und der damit verbundene Beschluss zur Umstellung des deutschen Energiesystems auf erneuerbare Energien im Jahr 2011 - ist zwar eine zentrale, aber keineswegs die einzige Rahmenbedingung für die Energiewirtschaft.

Drei Hürden

Erstens stehen wir am Ende einer Periode von etwa 15 Jahren, in der - nach der Liberalisierung der Strommärkte - die Investitionen in das deutsche Stromsystem auf noch nie da gewesene Tiefstände gefallen sind und wir nahezu zwei Dekaden von der Substanz aus Monopolzeiten profitiert haben. Zweitens führen die Entwicklungen auf den globalen Energiemärkten in eine schwierige Situation: Die Preise für klimaschädliche Kohle gingen zurück und die Preise für klimafreundliches Erdgas stiegen auf hohe Niveaus. Und drittens brach das europäische Emissionshandelssystem u.a. als Folge der Wirtschaftskrise weitgehend zusammen, der Preis für Kohlendioxidemissionen sank auf äußerst niedrige Werte.

Dies macht deutlich, dass Fortschritte bei der Energiewende in genau diesem Kontext bewertet werden müssen. Klar ist aber auch, dass ein Vergleich mit der Vergangenheit nicht sinnvoll ist. Auch ohne Energiewende hätten wir es mit Investitionsnotwendigkeiten in einem komplizierten Umfeld zu tun, auch ohne Energiewende würden Kosten steigen und gerade ohne Energiewende hätten sich problematische Emissionstrends ergeben. Die Untersuchungen der Energy Roadmap der Europäischen Kommission für den Zeitraum bis 2050 belegen dies eindrücklich - werden jedoch leider in der aktuellen Diskussion weitgehend verdrängt.

Erste Erfolge

Wie dem auch sei, es gibt einerseits energie- und klimapolitische Erfolge zu bilanzieren. Das Stromversorgungssystem hat die Abschaltung erheblicher Kernkraftwerkskapazitäten sicher verkraftet und die Dynamik des Ausbaus erneuerbarer Energien hat alle Erwartungen übertroffen. Allerdings zu einem Preis, über den noch gesondert zu reden sein wird. Entgegen vieler Vorurteile hat der Ausbau der Überlandnetze erheblich an Moment gewonnen, wir befinden uns hier in einem durchaus vorbildhaften Prozess sehr breiter Konsultationen, Untersuchungen und robuster Entscheidungen für übergreifende Planungen. Verfahren wurden gestrafft und die konkrete bauliche Umsetzung gewinnt an Dynamik.

Es gibt aber auch ganz klare Fehlstellen. Initiativen zur Stärkung der Energieeffizienz, z.B. zur auch sozialpolitisch notwendigen Sanierung des Gebäudebestandes sind im Bund-Länder-Konflikt zermahlen worden, andere Initiativen zur Stromeinsparung sind versandet. Eine Biomassestrategie fehlt weiterhin, der Ausbau der Elektromobilität bleibt weit hinter den Notwendigkeiten zurück und die Konkretisierung der Energiewende für den Verkehrssektor ist auf der Maßnahmenseite weitgehend ausgeblieben. Die notwendige Umgestaltung des Strommarktdesigns und die Reform des Flankierungssystems für erneuerbare Energien sind durch die verbissene Blockade der Verteidiger des Status Quo auf Langsamfahrt gestellt bzw. durch kurzatmigen Aktivismus (wie die "Strompreisbremse") eher zurückgeworfen worden.

Unsinnige Blockaden

Viele an sich sinnvolle Initiativen sind in den Positionskämpfen zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium blockiert, mit ganz unterschiedlichen Konstellationen auf unterschiedlichen Feldern (das Wirtschaftsministerium blockiert die dringend notwendige Reform des EU-Emissionshandelssystems, das Umweltministerium beschwört den Status Quo des heutigen Energiemarktdesigns). Bund und Länder verhakeln sich bei der Energieeffizienz (die sinnvolle steuerliche Absetzbarkeit von Gebäudesanierungen scheitert an Verteilungskämpfen um Minimalbeträge). Und eine Strategie zur europäischen Einbettung (von der Flankierung der deutschen Energiewende, über die Ausweitung in den europäischen Raum bis zur Erschließung der vielfältigen Flexibilisierungspotenziale durch grenzüberschreitende Aktivitäten) ist nicht in Ansätzen erkennbar.

Für die nächste Legislaturperiode wird also ein politischer Ruck für die Energiewende unausweichlich werden, wenn das Projekt nicht aufs Abstellgleis geraten soll. Keine der Herausforderungen ist unüberwindlich, weder technisch, noch kostenseitig oder politisch. Und die Erträge für ein innovationsabhängiges Land sind riesig, wenn es gelingt, dass intelligenteste, sauberste und innovationsintensive Energiesystem für Deutschland zu schaffen. Das politische Kapital wird nur für Veränderungen mobilisiert werden müssen und weniger in Positionskämpfen verschlissen. Dazu wird es neuer Ansätze im politischen Management, in der innergesellschaftlichen Kommunikation und einer europapolitischen Offensive bedürfen. Aber auch das hat es schon gegeben. Bei einem ähnlichen Projekt mit ähnlichem Ambitionsniveau – und höheren Kosten. Die deutsche Vereinigung war das deutsche Leuchtturmprojekt in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Die Energiewende muss dasjenige für die erste Hälfte dieses Jahrhunderts werden.

Dr. Felix Chr. Matthes ist Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik am Öko-Institut, Büro Berlin. Mehr Informationen finden Sie auch auf der Energiewende-Seite seines Instituts.