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Enttarnt: Spione in Deutschland

Veröffentlicht 10. August 2023Zuletzt aktualisiert 18. April 2024

Zwei Männer wurden festgenommen, weil sie für Russland spioniert haben sollen. Deutschland steht im Visier ausländischer Geheimdienste - nicht erst seit dem Ukraine-Krieg. Ein Blick auf die spektakulärsten Fälle.

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Deutschland Karlsruhe | Bundesanwaltschaft am Bundesgerichtshof
"Besonders schwerer Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Putins Verbrecher-Regime"Bild: Bernd Weißbrod/dpa/picture alliance

In Bayreuth im deutschen Bundesland Bayern sind zwei Männer festgenommen worden. Sie sollen Militärgelände und Eisenbahnstrecken in Deutschland im Visier gehabt haben. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen vor, diese im Auftrag russischer Geheimdienste nicht nur ausspioniert zu haben. Einer der beiden am Donnerstag in Bayern verhafteten Männer habe auch Sprengstoffanschläge geplant.  

"Die Aktionen sollten insbesondere dazu dienen, die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren", schreibt der Generalbundesanwalt in einer Pressemitteilung anlässlich der Verhaftung der beiden Männer, die neben dem deutschen auch einen russischen Pass besitzen. Nicht nur deutsche Einrichtungen sollen sie dazu fotografiert haben, sondern auch solche des US-Militärs in Deutschland.  

Der Hauptverdächtige soll sich in der Vergangenheit in der Ostukraine einer bewaffneten Einheit der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" angeschlossen haben. Ihm wird deshalb auch die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Bei einer Verurteilung drohen den Männern Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. 

Fall schlägt hohe Wellen

Nach Angaben des Generalbundesanwalts am Bundesgerichtshof seien die Männer "dringend verdächtig in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein." Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von einem "besonders schweren Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Putins Verbrecher-Regime".

Deutschland | Schild "Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof" in Karlsruhe
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof spricht von dringendem TatverdachtBild: Uli Deck/dpa/picture alliance

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat den russischen Botschafter in Berlin einbestellt, was in der Diplomatie als Ausdruck deutlicher Kritik gilt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich zu dem Fall geäußert. Er sagte: "Wir können niemals hinnehmen, dass solche Spionageaktivitäten in Deutschland stattfinden." 

Doppelagent als Referatsleiter beim BND?

Ebenfalls wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen an Russland stehen Carsten L. und sein Komplize Arthur E. in Berlin bereits vor Gericht. Sie sollen für ihre Agententätigkeit viel Geld kassiert haben. Werden sie wegen besonders schwerem Landesverrat verurteilt, dann droht ihnen eine lebenslange Haftstrafe.

Carsten L. war als Referatsleiter beim deutschen Geheimdienst BND für "Personelle Sicherheit" zuständig - doch er soll selbst ein Sicherheitsrisiko gewesen sein. Dem ehemaligen Bundeswehroffizier wird vorgeworfen, als Doppelagent für den russischen Geheimdienst FSB gearbeitet zu haben. L. soll Geheim-Dokumente an den Geschäftsmann E. weitergegeben haben. Dieser habe sie dann an den FSB übergeben. Dafür soll L. mit 450.000 Euro und E. mit mindestens 400.000 Euro entlohnt worden sein. Der Geheimnisverrat könnte dem russischen FSB ermöglicht haben, Rückschlüsse auf Spionagemethoden des BND zu ziehen. 

Ein Mann geht an einem Gebäude vorbei, er ist unscharf, hinter ihm der beleuchtete Schriftzug "Bundesnachrichtendienst"
Gut abgeschirmt? Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in BerlinBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Bereits im Juni 2022 hatte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser gesagt, der russische Krieg gegen die Ukraine bedeute "auch für die innere Sicherheit eine Zeitenwende". Als Unterstützer der Ukraine dürfte Deutschland dabei besonders im Fokus des russischen Geheimdienstes stehen. Faeser warnte vor Desinformationskampagnen, Cyberangriffen und Spionage ausländischer Geheimdienste.

Familie Anschlag hört Kurzwelle

Doch nicht erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine berichten Spione aus Deutschland nach Moskau. So wie das russische Agentenpaar, das unter dem Namen Andreas und Heidrun Anschlag jahrzehntelang eine langweilig-bürgerliche Existenz vorspielte. Er als Ingenieur, sie als Hausfrau. In Wahrheit jedoch waren die beiden seit Ende der 1980er Jahre für Moskau als Agenten tätig.

Anklagebank, dahinter steht ein Angeklagter mit unkenntlich gemachtem Gesicht, links und rechts seine Verteidiger in schwarzen Roben, dahinter ein Polizist
"Andreas Anschlag" 2013 im Kreis seiner Verteidiger beim Prozess in StuttgartBild: Bernd Weißbrod/dpa/picture alliance

Zunächst für den sowjetischen, dann für den russischen Geheimdienst hatten sie von Deutschland aus NATO und Europäische Union ausgehorcht. Ihre Aufträge erhielten sie per verschlüsselter Botschaft auf Kurzwelle - damals war Spionage noch kein vorwiegend digitales Geschäft. Erst im Herbst 2011 wurden die "Anschlags" enttarnt - wohl dank eines Hinweises der US-Geheimdienste. Sie wurden 2013 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt und schließlich nach Russland ausgewiesen.

"Kundschafter des Friedens"

Als "Kundschafter des Friedens" wurden im Sprachgebrauch der DDR Agenten bezeichnet, die für die Geheimdienste des sozialistischen Staates spitzelten. Etwa 12.000 dieser "Kundschafter des Friedens" sollen während des Kalten Kriegs zwischen Ost und West für die Stasi, den Staatssicherheitsdienst der DDR, in Westdeutschland tätig gewesen sein. So wie Gabriele Gast, die erst nach dem Zusammenbruch der DDR und kurz vor der Wiedervereinigung Deutschlands enttarnt wurde.

Drei Männer in Anzügen und eine Frau in türkiser Bluse und weißem Rock vor einer holzgetäftelten Wand
Gabriele Gast (zweite von rechts) und weitere Ex-Spione forderten 1995 ihre Rehabilitierung Bild: Michael Jung/dpa/picture alliance

Gast stammte aus Westdeutschland und wurde 1968 auf einer Recherchereise für ihre Dissertation "Die politische Rolle der Frau in der DDR" von einem Stasi-Offizier angeworben. Fortan berichtete Gast an den Geheimdienst im Osten Deutschlands und machte unter falschem Namen Karriere beim West-Geheimdienst BND. Sie gilt als die Spitzenspionin der DDR im Westen.

Eine ähnlich gute Quelle für die Stasi dürfte Alfred Spuhler gewesen sein. Als hochrangiger BND-Beamter enttarnte er hunderte West-Agenten, die in der DDR tätig waren. Er wurde im November 1989 verhaftet.

Schwarz-Weissbild eines Mannes, der vom Polizeiauto zum Gerichtsgebäude läuft und sein Gesicht hinter einer Aktenmappe verbirgt, links daneben zwei Polizisten in Uniform
Mann mit vielen Gesichtern: Heinz Felfe verbirgt sich 1963 auf dem Weg zum Prozess vor dem Bundesgerichtshof hinter einer AktenmappeBild: Fritz Fischer/dpa/picture alliance

Ebenfalls als Doppelagent hatte der langjährige Leiter des Referats "Gegenspionage Sowjetunion" im BND, Heinz Felfe, gearbeitet. Der ehemalige SS-Mann berichtete bis 1961 an den KGB in Moskau. Im Laufe seines Lebens soll Felfe für sieben verschiedene Geheimdienste gearbeitet haben, darunter den britische MI6 und den "Sicherheitsdienst" der nationalsozialistischen SS.

Der Spion im Kanzleramt

Der wohl aufsehenerregendste Spionagefall aus der Zeit des Kalten Krieges in Deutschland ist der von Günter Guillaume. Als Flüchtling aus dem Osten getarnt, kamen er und seine Frau Christel 1956 nach Westdeutschland. Ihr Auftrag: der Stasi Interna über die Sozialdemokratische Partei SPD zu liefern. Guillaume arbeitet sich hoch, wird schließlich persönlicher Referent des damaligen SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt.

Schwarzweiß-Bild zweier Männer im Anzug vor Schienen und einem Eisenbahnwagen: Willy Brandt und der Referent im Bundeskanzleramt, Günter Guillaume
Willy Brandt (links) trat zurück, weil sein Vertrauter Günter Guillaume (rechts) als Spion enttarnt wurdeBild: picture-alliance / akg-images

Als Guillaume enttarnt wird, zieht Brandt die Konsequenzen und tritt am 6. Mai 1974 als Bundeskanzler zurück. Günter Guillaume wird zu 13 Jahren und seine Frau zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Beide kommen wegen eines Agentenaustausches zwischen DDR und BRD im Jahr 1981 frei.

Hingerichtet: Elli Barczatis und Karl Laurenz

Über West-Agenten in der DDR ist weniger bekannt als umgekehrt, vielleicht, weil besonders viele Stasi-Spitzel nach dem Fall der Mauer enttarnt wurden. Viele BND-Spione im Osten dürften dagegen nie aufgeflogen sein. Ebenso wie Agenten befreundeter Nationen wie der USA, die ebenfalls in Deutschland spionieren - und selbst das Handy der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel anzapften

Tragisch ist der Fall der beiden West-Agenten Elli Barczatis und Karl Laurenz, die bereits zu Beginn des Kalten Krieges Anfang der 1950er Jahre DDR-Dokumente in den Westen schafften.

Elli Barczatis arbeitet als Chefsekretärin des DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl. Es waren eher banale Regierungspapiere, die sie an ihren Geliebten Laurenz weitergab. Laurenz konnte den BRD-Behörden also keine brisanten Staatsgeheimnisse verraten. Doch das deutsch-deutsche Verhältnis war damals extrem spannungsgeladen und die DDR stand noch unter dem Eindruck des Stalinismus. Nach ihrer Enttarnung wurden Barczatis und Laurenz zum Tode verurteilt und 1955 mit dem Fallbeil hingerichtet.

Dieser Artikel wurde am 10.08.2023 veröffentlicht und am 18.4.2024 aktualisiert.