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Entwicklungsnachhilfe für die EU

Helle Jeppesen9. April 2013

Die bisherigen Millenniums-Entwicklungsziele sind noch nicht erreicht, da hat die Diskussion um Nachfolgeziele längst begonnen. Auch die EU muss neue Weichen stellen, sagen Experten in einem aktuellen Bericht.

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Kinder in den Trümmern eines abgerissenen Slums in Neu Delhi (Foto: AP)
Kinder in den Trümmern eines abgerissenen Slums in Neu DelhiBild: AP

Die Welt hat sich verändert seit dem Jahr 2000, als die Millenniumsziele von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden. Länder wie China, Indien oder Brasilien sind mittlerweile keine Entwicklungsländer mehr, sondern wirtschaftlich erfolgreiche Schwellenländer. Daher muss sich auch die internationale Entwicklungspolitik ändern, meint Stephan Klingebiel, der an einem neuen Europäischen Entwicklungsbericht mitgearbeitet hat:

"Es gibt in China und anderen Ländern immer noch eine Reihe von Armutsproblemen, das ist unbestritten. Doch wir haben es eben nicht mehr mit traditionell-klassischen Entwicklungsländern zu tun", sagt der Leiter der Abteilung "Bi- und Multilaterale Entwicklungspolitik" beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, DIE, in Bonn.

Stephan Klingebiel, Leiter der Abteilung "Bi- und multilaterale Entwicklungspolitik" beim DIE (Deutsches Institut für Entwicklungspolitik). (Foto: DW/Helle Jeppesen)
Stephan Klingebiel, Deutsches Institut für EntwicklungspolitikBild: DW/H. Jeppesen

Entwicklungspolitik auf dem Prüfstand

Das DIE gehört zusammen mit dem britischen Overseas Development Institute (ODI) und dem European Centre for Development Policy Management (ECDPM) zu den führenden entwicklungspolitischen Thinktanks weltweit. Bei diesen drei Forschungsinstituten hat die Europäische Kommission einen Bericht über die EU-Entwicklungspolitik in Auftrag gegeben. "Durch diese Zusammensetzung hat man schon sehr stark ein europäisches, vernetztes Denken mit eingebaut", sagt Koautor Klingebiel im Interview mit der Deutschen Welle.

Sieben EU-Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, haben sich an der Finanzierung des Berichts beteiligt. "Der zentrale Punkt, den auch zu Recht Menschen nachfragen, ist: Wie wirkungsvoll ist das eigentlich und wie effizient arbeitet ihr?", beschreibt Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, einen Schwerpunkt der Untersuchung.

Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium (Foto: dpa)
Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im BundesentwicklungsministeriumBild: picture-alliance/dpa

Mehr Vernetzung gefordert

In dem diesjährigen Bericht haben die drei europäischen Forschungsinstitute besonders die Entwicklungsfinanzierung, die internationalen Handels- und Finanzmärkte und die globale Migration unter die Lupe genommen. Ihre Empfehlung: Mehr Transparenz und eine bessere Vernetzung der Entwicklungspolitik müsse her, damit nicht jedes Ressort eigene Ziele und Interessen in der Entwicklungspolitik verfolgt. "Die Bundesregierung hat zu diesem Zweck einen Ressort-übergreifenden Arbeitskreis eingesetzt, der die Koordinierung solcher Entwicklungshilfe-Leistungen zur Aufgabe hat", betont Beerfeltz im Gespräch mit der DW. Insgesamt sei er aber mit der Effizienz der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sehr zufrieden.

Abschaffung der Einbahnstraße

Traditionell ist die Entwicklungszusammenarbeit eine Einbahnstraße. Leistungen gehen von Geberländern in Empfängerländer, um dort vor allem die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Doch auch da müsse man umdenken, meint Entwicklungsexperte Stephan Klingebiel:

"Der traditionelle Ansatz wie bei den Millenniums-Entwicklungszielen, nennt sich global, weil sich die Ziele auf die Entwicklungsländer beziehen und die Unterstützung hauptsächlich aus den Mitgliedsstaaten der OECD kommt", sagt Klingebiel. Ein häufiger Kritikpunkt vieler NGO's an den Millenniumszielen ist, dass sie von den wirtschaftlich stärksten Ländern, den Industrieländern der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) festgelegt wurden. Die Entwicklungsländer, in denen Maßnahmen wie die Halbierung der Armut, die Senkung der Mütter- und Kindersterblichkeit und eine Schulbildung für alle umgesetzt werden sollen, wurden dabei kaum gefragt.

Mädchen bei einer Wasserpumpe im Dorf Dunduwa, Sarwan, Indien (Foto: DW/Helle Jeppesen)
Millenniumsziel: Sauberes Trinkwasser ist in Indien noch immer für viele Menschen unerreichbarBild: DW

Universell statt global

Deswegen fordern die drei europäischen Forschungsinstitute in ihrem Bericht eine umfassende Beteiligung aller Geber- und Empfänger-Länder, wenn es darum geht, neue globale Entwicklungsziele festzulegen. Mittlerweile sind alle Länder, ob reich oder arm, von weltweiten Problemen wie Umweltzerstörung und Klimawandel betroffen. Auch soziale und gesellschaftliche Probleme werden in den reichen Ländern immer größer.

"Universell wäre es aus meiner Sicht, wenn die Zielsetzung tatsächlich für alle Länder Anwendung findet", betont Koautor Klingebiel im DW-Interview. Wenn es um soziale und wirtschaftliche Ungleichheit oder andere Herausforderungen gehe, könne eine solche universelle Zielsetzung auch für EU- oder OECD-Länder passend sein - davon ist Klingebiel überzegt.

Illegaler Landarbeiter auf einer Farm im kalifornischen Carlsbad, USA
Illegaler Arbeiter in den USABild: picture-alliance/dpa

Mehr internationale Diskussion

Der Entwicklungsexperte geht davon aus, dass einer der zentralen Streitpunkte in der internationalen Diskussion die Frage nach nachhaltiger ökologischer und sozialer Entwicklung sein wird. Denn auch die Industrieländer hätten Nachholbedarf, wenn es um eine nachhaltige globale Entwicklung geht, von denen nicht nur die jetzige, sondern auch künftige Generationen profitieren sollen.

Die Vereinten Nationen haben bereits mehrere Internetforen ins Leben gerufen, wo nicht nur Regierungen sondern auch Bürgerinitiativen, NGO's und Interessengruppen aus der ganzen Welt ihre Ideen einbringen können. Auch der Bericht über die europäische Entwicklungspolitik, der nun vorliegt, ist ein Teil dieses globalen Brainstormings. Daraus muss dann die UN ein weltweit gültiges Dokument stricken, sozusagen als Nachfolger für die bisherigen Millenniums-Entwicklungsziele, die bis 2015 erreicht sein sollen. Erste Reaktionen auf diese Debatte werden von der UN-Generalversammlung im September in New York erwartet.