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Politik

"Cumhuriyet" macht weiter

1. November 2016

"Wir geben nicht auf", lautet die Schlagzeile auf der Titelseite des türkischen Blatts am Tag nach der Razzia. Auch im Ausland gibt es eine Welle des Protests gegen die Verhaftung regierungskritischer Journalisten.

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Türkei Titelseite Cumhuriyet Ausgabe 01.11.2016
Bild: Cumhuriyet

Ja, die Belegschaft ist durch die 13 Festnahmen vom Montag geschrumpft, ja, die Einschüchterungsversuche gegen Journalisten, Autoren, Karikaturisten und andere Mitarbeiter gehen weiter. Aber nein, dem Druck des Erdogan-Regimes beugen will man sich nicht: Die türkische Zeitung "Cumhuriyet" erscheint weiter und gibt sich kämpferisch.

Das Blatt titelt am Tag nach der Polizeirazzia mit der Schlagzeile: "Wir geben nicht auf" (Artikelbild). Neben dem roten Schriftzug "Cumhuriyet" steht in der Ausgabe vom Dienstag in Versalien und schwarz unterlegt: "Noch ein Schlag gegen die freie Presse". Das türkische Wort für "Schlag" (darbe) kann auch als "Putsch" übersetzt werden.

Die Zeitung erschien in vollem Umfang, allerdings nicht in gewohnter Form. An Stelle der Kolumnen der festgenommenen Journalisten Hikmet Cetinkaya und Kadri Gürsel gab es aus Protest nur weiße Flächen. Die Hälfte der Berichte war den Festnahmen vom Vortag gewidmet. 

Die Behörden hatten am Montag auch Chefredakteur Murat Sabuncu abgeführt. Die Staatsanwaltschaft wirft der Zeitung vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen unterstützt zu haben. Die Regierung beschuldigt Gülen, für den Putschversuch gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Mitte Juli verantwortlich zu sein. In der Türkei ist Gülens Bewegung - wie auch die PKK - als Terrororganisation eingestuft. Die "Cumhuriyet"-Redaktion wies die Vorwürfe entschieden zurück und verurteilte die Festnahmen als "inakzeptabel und rechtswidrig".

Den ganzen Tag über hatten sich Unterstützer und Leser vor dem Verlagshaus in Istanbul versammelt und mit Sprechchören und Transparenten gegen Repressionen und Zensur protestiert. Auch international wird die Abschaffung der Presse- und Meinungsfreiheit unter Erdogan mit großer Sorge verfolgt.     

Rüffel für den Verbündeten Türkei 

Die USA rügten das Vorgehen der Türkei gegen die Opposition in scharfer Form und forderten ihren Verbündeten auf, die Meinungsfreiheit zu respektieren. Die Regierung in Washington sei "zutiefst besorgt über das offensichtliche Steigen des staatlichen Drucks auf Oppositionsmedien in der Türkei", sagte Außenamtssprecher John Kirby in Washington. Er rief die Türkei auf, "Rechtstaatlichkeit und Grundrechte zu schützen". "Cumhuriyet" bezeichnete er als "eine der angesehensten Zeitungen in der Türkei". 

Türkei Protest gegen Absetzung des Chefs der Zeitung Cumhuriyet
Solidaritätskundgebung für "Cumhuriyet" Bild: DW/K. Akyol

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen, beklagte: "Der türkische Präsident Erdogan setzt seinen Kurs fort, sich systematisch jeder Art von Kritikern zu entledigen." Dabei entferne er sich immer weiter von Europa, so der CDU-Politiker in der "Berliner Zeitung". Die Grünen kritisierten eine zögerliche Reaktion der Bundesregierung auf die Festnahmen. Wichtig sei nun, dass der Westen dem Präsidenten Erdogan geschlossen als Wertegemeinschaft entgegentrete, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir im Ersten Deutschen Fernsehen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) nannte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen "Cumhuriyet" "grotesk". Dass nun eine der letzten Oppositionszeitungen des Landes zum Ziel werde, zeige, wie weit die Maßnahmen der Regierung und von Präsident Erdogan inzwischen gingen. HRW kritisierte außerdem die Schließung von 15 meist kurdischen Medien per Notstandsdekret und die Verhaftung der Bürgermeister der Kurdenmetropole Diyarbakir.

"Cumhuriyet" war erst im September mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden. Die Right Livelihood Award Stiftung hatte mitgeteilt, die Zeitung erhalte den Preis "für ihren unerschrockenen investigativen Journalismus und ihr bedingungsloses Bekenntnis zur Meinungsfreiheit trotz Unterdrückung, Zensur, Gefängnis und Morddrohungen". 

SC/rb (afp, dpa, APE)