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Erdogan will kein "Möchtegern-Diktator" sein

18. Januar 2016

Mit eiserner Härte gegen Kritiker - das ist die Linie des türkischen Präsidenten. Nun traf sein Bannstrahl den Oppositionsführer im Parlament. Der hatte die Stirn, Erdogan als "Möchtegern-Diktator" zu titulieren.

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Recep Tayyip Erdogan (Archivbild: JACQUES DEMARTHON/AFP/Getty Images)
Präsident Recep Tayyip Erdogan (Archivbild)Bild: Getty Images/AFP/J. Demarthon

Fürs Erste ist es lediglich eine Anzeige, die gegen Kemal Kilicdaroglu vorliegt. Doch wenn die türkische Justiz Ernst macht und das Parlament seine Immunität als Abgeordneter aufhebt, dann drohen dem Vorsitzenden der Republikanischen Volkspartei CHP bis zu vier Jahre Haft.

Was wird ihm vorgeworfen? Am Samstag war Kilicdaroglu an der Spitze der CHP bestätigt worden, die im Parlament die größte Oppositionsfraktion stellt. Auf dem Parteitag griff er Präsident Recep Tayyip Erdogan wegen der vorübergehenden Festnahme von rund 20 Wissenschaftlern an. Diese hatten in einer Petition verlangt, den Militäreinsatz gegen die Kurden im Südosten der Türkei zu beenden.

Die Polizei ins Haus geschickt

Dann redete Kilicdaroglu sich in Rage: "Intellektuelle, die ihre Meinung sagen, werden einer nach dem anderen von einem Möchtegern-Diktator gefangen genommen", so der Oppositionsführer. "Wie könnt Ihr es wagen, den Leuten die Polizei ins Haus zu schicken und sie festzunehmen. Sagen Sie uns, Möchtegern-Diktator, was für Sie Ehre und Stolz bedeuten."

Das war für den empfindlichen Präsidenten zu viel. Er setzte seine Anwälte in Bewegung, die von "außerordentlich schweren Beleidigungen" sprachen, welche "die Grenze der Kritik überschreiten und die Rechte unseres Mandaten verletzen". In Erdogans Namen wurde Strafanzeige erstattet. Justizminister Bekir Bozdag leistete Schützenhilfe. Er schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: "Nur einer, dem es an Intelligenz, Kultur und Moral mangelt, kann unter dem Mantel der Meinungsfreiheit beleidigen."

Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (Archivbild: Volkan Furuncu / Anadolu Agency)
"Außerordentlich schwere Beleidigung": Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (Archivbild)Bild: picture alliance/AA/V. Furuncu

Vergoldete Toilettenbrillen

Erdogan ist bereits wiederholt gegen Kritiker wegen angeblicher Ehrverletzung zu Felde gezogen. Im Juni hatte er schon einmal Anzeige gegen Kilicdaroglu erstattet. Damals lautete der Vorwurf auf "Verleumdung" - weil der CHP-Chef gesagt hatte, der neue, nicht ganz schmucklose Präsidentenpalast in Ankara habe vergoldete Toilettenbrillen.

Außerdem leitete die Justiz mehrere Verfahren gegen regierungskritische Journalisten ein, zuletzt Ende November gegen prominente Journalisten der Zeitung "Cumhuriyet". Seither sitzen der Chefredakteur und der Leiter des Hauptstadtbüros, Can Dündar und Erdem Gül, wegen Berichten über mutmaßliche Waffenlieferungen der Türkei nach Syrien in Untersuchungshaft.

"Einen Mann zerschmettern durch die Macht des Amtes"

Auch Erdogans Getreue zerren jeden vor den Kadi, der ihnen rhetorisch unbequem wird. So forderte die Staatsanwaltschaft an diesem Montag zwei Jahre Haft für den populären Komiker Cem Yilmaz - wegen Beleidigung eines Provinzgouverneurs.

Yilmaz hatte auf Twitter Gouverneur Selim Cebiroglu mit einer sarkastischen Spitze attackiert, nachdem ein Lehrer bei Protesten gegen den Statthalter einen Herzinfarkt erlitten hatte. Cebiroglu hatte den Lehrer zuvor wegen seiner Erscheinung aufs Korn genommen und gesagt, er könnte "für einen Bettler gehalten" werden.

Can Dündar (rechts) und Erdem Gül (ArchivbildI: Vedat Arik/Cumhuriyet via AP)
Seit November im Hochsicherheitsgefängnis: Can Dündar (rechts) und Erdem Gül (ArchivbildI)Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Arik, Cumhuriyet

"Einen Mann zerschmettern durch die Macht eines offiziellen Amtes und sein Herz zerbrechen ... Welche Schande, dass der arme Lehrer starb. Möget Ihr auf noch höhere Posten aufsteigen, Herr Gouverneur", schrieb Yilmaz, der beliebteste Komiker des Landes. Der Staatsanwaltschaft sagte er nun, er habe niemanden beleidigen wollen. Es sei indes sein Recht zu kritisieren.

jj/djo (dpa, afp)