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Erdüberlastungstag kommt schon am Donnerstag

26. Juli 2021

Bereits Ende Juli hat die Menschheit rechnerisch den Vorrat an natürlichen Ressourcen für das laufende Jahr aufgebraucht. Damit erleben wir 2021 den sogenannten Erdüberlastungstag drei Wochen früher als im Vorjahr.

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Protestaktion zu Erdüberlastungstag 2020 in Hamburg
Bild: Andreas Arnold/dpa/picture alliance

Das war es dann schon wieder mit dem viel beschworenen Corona-Effekt: Die Pandemie hat der Erde nur eine kurze Verschnaufpause gewährt. Im Jahr 2021 ist der symbolische Erdüberlastungstag, an dem die Menschheit das Kontingent an biologischen Ressourcen für 2021 aufgebraucht hat, wieder auf den 29. Juli vorgerückt - und liegt damit nach Berechnungen des Global Footprint Network so früh wie 2019. Im Jahr 2020 hatte sich der Erdüberlastungstag (englisch: Earth Overshoot Day) wegen der Folgen des Coronavirus-Lockdowns um fast drei Wochen nach hinten verschoben, auf den 22. August.

In diesem Jahr seien jedoch die nachhaltig nutzbaren Ressourcen wieder so früh verbraucht wie 2019, teilten die Umweltorganisationen BUND und Germanwatch in Berlin mit. Als Gründe nannten sie den starken Anstieg der CO2-Emissionen um prognostizierte 6,6 Prozent gegenüber 2020 sowie das Schrumpfen der Biokapazität der Wälder um 0,5 Prozent. Das sei größtenteils auf den Anstieg der Abholzung im Amazonasgebiet zurückzuführen, heißt es beim Global Footprint Network. Allein in Brasilien seien 2020 rund 1,1 Millionen Hektar Wald verloren gegangen. "Schätzungen für 2021 deuten auf einen Anstieg der Abholzung um bis zu 43 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hin."

Der Erdüberlastungstag zeigt an, ab wann die Menschheit durch alle ihre ökonomischen Aktivitäten mehr Ressourcen in Anspruch nimmt, als die ökologischen Kreisläufe binnen eines Jahres auf natürliche Weise erneuern. Dabei berechnen Experten in einem komplizierten Verfahren, wann der durchschnittliche theoretische Flächenbedarf der Menschheit etwa für Urbanisierung, Nahrungsmittelanbau und industrielle Produktion die Pufferkapazitäten der Erde übersteigt.

Eine zentrale Größe ist unter anderem der Ausstoß von CO2 durch menschliche Aktivitäten. Gegenrechnet wird die Fläche, die nötig wäre, um die gleiche Menge an Treibhausgasen auf natürliche Weise langfristig zu binden - etwa in Wäldern.

Ökologische Belastungsgrenze immer früher

Der Erdüberlastungstag rückt bereits seit 20 Jahren nahezu kontinuierlich immer weiter nach vorn. In den 1970er Jahren lag der Tag wegen des geringeren Ressourcenverbrauchs noch im Dezember. 2000 fiel das Datum auf den 23. September, lag also noch annähernd zwei Monate später als heute.

Protestaktion zu Erdüberlastungstag 2020 in Hamburg
Auch 2020 protestierten Aktivisten in Hamburg anlässlich des ErdüberlastungstagsBild: Ulrich Perrey/dpa/picture alliance

Um ihren Ressourcenbedarf nachhaltig zu decken, bräuchte die Weltbevölkerung den Angaben zufolge derzeit rechnerisch 1,6 Planeten. Doch der Raubbau ist sehr ungleichmäßig verteilt: Bei einer Lebensweise wie in China bräuchte die Weltbevölkerung derzeit 2,2 Erden; die USA verbrauchen 5 Erden. Würden alle Länder so haushalten wie Deutschland, wären drei Erden nötig.

Bereits am 5. Mai hatten die Bundesbürger so viele Ressourcen verbraucht, wie ihnen rechnerisch für das ganze Jahr zur Verfügung stehen. Gründe dafür sind unter anderem der gegenüber dem globalen Durchschnitt deutlich höhere Energieverbrauch der Deutschen sowie die immer noch übermäßige Belastung von Luft, Böden und Grundwasser - unter anderem durch Verkehr und Landwirtschaft inklusive Massentierhaltung.

Das Pendel schlägt zurück

Man erlebe nun "das sprunghafte Wiederansteigen der Emissionen nach dem Höhepunkt der Pandemie", sagte Steffen Vogel von Germanwatch, der deutschen Partnerorganisation des Global Footprint Networks. "Dass der Ressourcenverbrauch trotz Anhaltens der Pandemie schon dieses Jahr wieder das Niveau von 2019 erreicht, zeigt: Wir brauchen dringender denn je ein Umsteuern in der Klima- und Ressourcenpolitik."

Germanwatch fordert deshalb Verhaltensänderungen von allen Bürgern. Jeder Einzelne könne Nachhaltigkeit in Mobilität, Ernährung, Energie, Finanzen oder Ressourcennutzung zum neuen Standard machen. "Das geht am Arbeitsplatz, in der Schule oder Uni, im Verein oder in der Kommune." Allerdings reiche das nicht aus: "Um die notwendigen Veränderungen schnell genug zu erreichen, brauchen wir andere Rahmenbedingungen. Nachhaltiges und sozial verantwortliches Verhalten muss einfacher, naheliegender und preiswerter werden", so Germanwatch-Bildungsreferentin Marie Heitfeld.

Um die ständige Überdehnung der Grenzen des Planeten zu stoppen, seien vor allem politische Maßnahmen, insbesondere eine engere internationale Kooperation, notwendig. "So muss die Bundesregierung jetzt zum Beispiel mit ihren europäischen Partnern die Umsetzung des European Green Deal beschleunigen", sagt Audrey Mathieu, Referentin für EU-Klimapolitik bei Germanwatch. Überdies gehe es darum, mit zentralen Schwellenländern Klimapartnerschaften zum zügigeren Umstieg Richtung Klimaneutralität auf- und auszubauen.

kle/AR (epd, kna, afp, dpa)