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"Erfolge von Luftschlägen kaum ersichtlich"

Milan Gagnon26. November 2015

Die Bundesregierung will Tornados gegen den IS entsenden und David Cameron will die britische Militärpräsenz in Syrien verstärken. Nick Witney vom European Council on Foreign Relations hält das für kontraproduktiv.

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Deutschland Luftwaffe Tornado Recce Aufklärungsflugzeug (Foto: Picture-alliance/dpa/K. Nietfeld)
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

DW: Herr Witney, welchen Sinn haben solche Maßnahmen, nachdem der Kampf gegen den IS nun schon einige Zeit andauert?

Nick Witney: Selbst wenn Briten und Franzosen tatsächlich ihre Luftangriffe verstärken - vielleicht unterstützt von deutschen Aufklärern - dürfte das keinen allzu großen Einfluss auf die Realität am Boden haben.

Bereits vor den Anschlägen am 13. November in Paris flogen diverse Streitkräfte Luftangriffe auf den IS. Haben sie irgendeins der angestrebten Ziele erreicht?

Seit etwa einem Jahr fliegt der Westen Luftangriffe in Syrien und ihr Erfolg ist kaum ersichtlich. Der US-Luftwaffe fehlt es in Syrien wirklich nicht an Feuerkraft. Dass ein paar britische und französische Bomben da jetzt den entscheidenden Unterschied bringen sollen, ist schwer zu glauben. Und tatsächlich hat Cameron selbst gesagt, dass dieser Krieg aus der Luft nicht zu gewinnen ist. Wir brauchen also Bodentruppen und die Unterstützung von Bodentruppen, wie es schon im Irak geschehen ist. Das wäre eine ganz andere Situation. Dann können Luftschläge sogar ausschlaggebend sein: So war es, als Peschmerga-Milizen [Mitte November unterstützt von der US-Luftwaffe, d.R.] die irakische Stadt Sindschar vom IS zurückeroberten.

Nick Witney (Foto: European Council on Foreign Relations)
Befürchtet weitere Anschläge in Europa: Sicherheitsexperte Nick WitneyBild: European council of foreign relations

Was müsste also geschehen?

Eine der klügsten Äußerungen zu diesem Thema stammt von Hillary Clinton. Sie ist sicher nicht zimperlich, hat aber gesagt, dass es nicht an uns ist, diesen Krieg zu gewinnen. Das müssten Araber und Türken übernehmen - und möglichst bald die Initiative dazu ergreifen.

Nun fürchte ich, dass der Westen den Regionalmächten - also Türkei, Saudi-Arabien, Iran und allen, die den IS theoretisch loswerden wollten - eine Ausrede dafür liefert, nichts zu tun, wenn sie selbst immer mehr Militär aufbieten - egal, ob das effektiv ist oder nicht. Dieses Problem wird sich nicht lösen lassen, bevor die regionalen Mächte, die muslimischen Mächte, die sich mit Autorität an die muslimische Bevölkerung wenden können, und sagen: Jetzt ist Schluss mit dieser Bande mörderischer Fanatiker.

Aber um mit ein wenig Optimismus auf die Sache zu blicken: Die Syrien-Konferenz in Wien vor zwei Wochen lässt darauf hoffen, dass diese Einsicht langsam durchdringt.

Welche Auswirkungen könnten also europäische Militäreinsätze in Syrien haben?

Ich halte es für gefährlich, wenn nicht sogar kontraproduktiv, dass sich immer mehr europäische Mächte in den Krieg in Syrien einschalten. Das befeuert nur die dschihadistische Legende von den modernen Kreuzrittern, die kommen, das islamische Kalifat zu zerstören: Was haben wir schon unternommen, als [der syrische Präsident, d. R:.] Assad Fassbomben auf Muslime in Aleppo geworfen hat? Aber jetzt sind wir alle bereit, die "wahren Gläubigen" in Raqqa zu bombardieren. Ich glaube, dass das dem IS Zulauf bringen wird, also genau das, was ihn letztlich am Leben hält.

Zudem fürchte ich, könnte das die Gefahr auf britischen Straßen erhöhen. Eigentlich sehe ich kaum, wie das ausbleiben sollte, vor allem nach den Anschlägen auf dem Sinai und in Paris. Das waren eindeutig Vergeltungsschläge und ich bin sehr besorgt, dass es auch in Großbritannien dazu kommt.

Letztlich kann ich dennoch verstehen, warum unsere Regierungen das tun. Frankreich hat um Solidarität gebeten, und die militärische Unterstützung ist ein Weg, Solidarität zu zeigen. Das ist wichtig, aber ich wünschte, wir hätten klügere Wege gewählt, Solidarität zu zeigen. Als sich Frankreichs Verteidigungsminister auf den Beistand der EU-Staaten nach Artikel 42.7 des Lissabon-Vertrags berufen hat, bat er um Unterstützung in Syrien oder einem anderen Einsatz - in Afrika. Sicher wäre es für alle sinnvoller gewesen, die problematischen Länder der Sahel-Zone in Afrika zu stabilisieren, immerhin kommt da die Hälfte aller Flüchtlinge her. Aber das steht eben derzeit nicht auf der politischen Agenda.

Lenken uns Syrien und die Attentate von Paris von anderen Problemen in Europa ab?

Es ist verständlich, dass wir derzeit vollkommen auf Syrien fokussiert sind - natürlich sind wir das. Aber die Flüchtlingskrise ist riesig und die Hälfte des Problems kommt aus Afrika. Und selbst wenn der Syrienkonflikt morgen gelöst wäre, hätten wir immer noch eine große Flüchtlingskrise in Europa. Der Schwerpunkt läge wohl auf Deutschland, aber sie würden immer noch über das Mittelmeer nach Italien strömen. Und das wird noch eine ganze Generation andauern, wenn wir nicht aktiver werden, um Afrika zu stabilisieren.

Nick Witney ist Experte für Sicherheitspolitik im European Council on Foreign Relations.

Die Fragen stellte Milan Gagnon.

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