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Erinnern verboten

Ju Juan 31. Mai 2014

Peking vor 25 Jahren: Panzer walzen die Protestbewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens nieder, Soldaten erschießen unbewaffnete Bürger. Vor dem Jahrestag des Massakers sind die Behörden besonders wachsam.

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Bildergalerie Tiananmen
Peking am 4. Juni 1989Bild: Jeff Widener/AP

"Jedesmal, wenn es an meiner Tür klopft, denke ich, dass sie mich jetzt verhaften werden", sagt Hu Jia im Telefongespräch mit der Deutschen Welle. Der prominente chinesische Bürgerrechtler und Sacharow-Preisträger steht seit dem 17. Januar dieses Jahres unter Hausarrest. An diesem Tag vor neun Jahren war der ehemalige Parteichef Zhao Ziyang gestorben. Wegen seines Widerstands gegen die gewaltsame Beendigung der Studentenproteste in China war Zhao 1989 gestürzt worden.

"Seit ich 2004 Blumen für die Opfer des Tian'anmen-Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens niedergelegt habe, wurde ich jedes Jahr entweder inhaftiert oder unter Hausarrest gestellt." Hu erzählt weiter: "In den vergangen Jahren begannen die Behörden mit solchen Maßnahmen gegen die 4. Juni-Aktivisten erst ab dem 15. April." Denn der Tod des früheren Parteichefs Hu Yaobang am 15. April 1989, der großen Hoffnung aller Reformkräfte im damaligen China, löste die Studentendemonstrationen aus.

"Geständnisse" im Fernsehen

Hu stellt fest, dass die Regierung in diesem Jahr so hart gegen die Kritiker vorgeht wie seit zehn Jahren nicht mehr. In den vergangenen Wochen wurden zahlreiche Kritiker und Aktivisten festgenommen oder weggesperrt. Einer der jüngsten Fälle ist die Festnahme des Bloggers Xiang Nanfu. Dem 62jährigen wird vorgeworfen, auf der Website Boxun "falsche Behauptungen" verbreitet zu haben. Im Staatsfernsehen wurde ein "Geständnis" von Xiang übertragen. Am 8. Mai hatte das Staatsfernsehen in ähnlicher Form demonstrativ über das Geständnis der Journalistin Gao Yu berichtet. Die 70 Jahre alte Autorin, die unter anderem für die Deutsche Welle gearbeitet hat, war wegen "Geheimnisverrats" verhaftet worden.

Bürgerrechtler Hu Jia freigelassen 2011 (Foto: dpa)
Bürgerrechtler Hu Jia verbüßte von 2008-2011 wegen "umstürzlerischer Machenschaften" eine HaftstrafeBild: picture alliance/dpa

In der gleichen Woche wurde der Hongkonger Verleger Yao Wentian zu zehn Jahren Gefängnis wegen "Schmuggels" verurteilt. Der 73jährige wollte ein kritisches Buch über Staats- und Parteichef Xi Jinping, "Chinas Pate", von Exilautor Yu Jie herausbringen. Zwei Tage zuvor wurden der prominente Bürgerrechtsanwalt Pu Zhiqiang und weitere Intellektuelle festgenommen. Sie hatten an einer privaten Gedenkveranstaltung teilgenommen, um an die Opfer von 1989 zu erinnern.

Beabsichtigte Schockwirkung

Vor fünf Jahren hatte Teng Biao, Juradozent und einer der bekanntesten Bürgerrechtsanwälte des Landes, an einer ähnlichen Gedenkveranstaltung teilgenommen. "Damals habe ich nach dem Treffen kurzfristig Unterrichtsverbot erhalten, jedoch ist nicht mehr passiert", erzählt Teng im Interview mit der DW. "Viele Festnahmen dieses Jahr sind aber außergewöhnlich und schockierend. Genau diese Schockwirkung ist beabsichtigt, um die Leute einzuschüchtern." Die Festnahme bekannter Persönlichkeiten zeige, dass die Partei internationalen Druck und Kritik ignoriert, aber auch, dass sie Angst hat, dass die Situation vor dem Jahrestag am 4. Juni außer Kontrolle geraten könnte, so Teng Biao.

Journalistin Gao Yu (Foto: AP)
Zu gefährlich: Die investigative Journalistin Gao YuBild: picture alliance/AP Photo

Auch Hu Jia ist der Meinung, dass die Regierung dieses Mal unbedingt jedes Gedenken an den 4. Juni im Keim ersticken möchte. Hu ist einer der Organisatoren der Aktion "Rückkehr zum Tian'anmen." Am 4. Juni sollen sich dieses Jahr möglichst viele Leute in schwarzen T-Shirts auf dem Tian'anmen-Platz in Peking versammeln, so die Idee der Veranstalter. Hu Jia hat bislang Telefon- und Internetzugang. Er geht davon aus, dass seine Aktivitäten im Internet und die Kommunikation mit Medien später als Beweis für seine "Verbrechen" dienen werden.

Infolge mehrerer Attentate mutmaßlicher uigurischer Extremisten in den vergangenen Monaten in Xinjiang und anderen Landesteilen hat die Polizei die Sicherheitsmaßnahmen in Peking verschärft. In den vergangenen Wochen seien mehrere Antiterrorübungen durchgeführt worden, wie staatliche Medien berichteten. 150 bewaffnete Streifenfahrzeuge würden nun an verschiedenen Hauptkreuzungen patrouillieren. Der Polizei zufolge sollen sie "Straßenterrorismus" und Gewalttaten verhindern. "Nach den gewalttätigen Zwischenfällen kann die Partei jegliche Maßnahmen zur Wahrung der Stabilität gut begründen", so Bürgerrechtler Hu Jia.