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Politik

"Erklärung von Singapur überhaupt kein Fortschritt"

Dang Yuan
13. Juni 2018

In der Vereinbarung zwischen US-Präsident Trump und Nordkoreas Machthaber Kim sieht der Politologe Hanns W. Maull keine konkreten Fortschritte für atomare Abrüstung und warnt vor Rückzug der US-Truppen aus Südkorea.

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Singapur - Präsident Donald Trump gemeinsam Unterschriebenes Dokument nach Treffen mit Kim Jong Un
Bild: Reuters/J. Ernst

Deutsche Welle: USA und Nordkorea haben eine schriftliche Vereinbarung über die De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel getroffen. Ist das ein großer Fortschritt in ihren Augen?

Hanns W. Maull: Nein. Ich sehe in dieser Erklärung überhaupt keinen Fortschritt. Es sei denn im Atmosphärischen, und eingeschränkt auf die Betrachtung aus der Perspektive der internationalen Ordnung, des Weltfriedens und auch der amerikanischen Außenpolitik.

Ostasien-Experte Hanns W. Maull
Hanns W. Maull: "Keine konkreten Fortschritte"Bild: MERICS

Ich glaube, die nordkoreanische Seite hat durchaus Gründe, sich dieses Treffen als einen Erfolg anzurechnen, denn aus der Sicht der nordkoreanischen Führung hat es hier konkrete und positive Ergebnisse gegeben. Aber Fortschritte im Ziel auf eine De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel sehe ich überhaupt nicht.

Meinen Sie damit, dass der Ausdruck "vollständiger, verifizierbarer, irreversibler Rückbau" nicht in der Abschlusserklärung erwähnt ist?

Das ist eines der vielen Probleme, die ich mit diesem Kommuniqué habe. Man braucht ja nur dieses Kommuniqué neben das des innerkoreanischen Gipfeltreffens, also die Erklärung von Panmunjom vom 27. April 2018, zu legen. Das Letztere ist eine professionell ausgearbeitete, diplomatisch sorgfältig formulierte Absichtserklärung, die bezeichnenderweise auch deutlich umfangreicher und in vielerlei Hinsicht auch konkreter ist - bei allen offenen Fragen und Interpretationsmöglichkeiten. 

Die Atmosphäre in Singapur hatte etwas von großen Veränderungen und dramatischen Geschehnissen, das war schon bemerkenswert. Die Wahrnehmung dieses Ereignisses deckt sich aber aus meiner Sicht überhaupt nicht mit den realen Fortschritten, die gemacht worden sind.

Donald Trump Pressekonferenz Singapur
Maull: "Trump glaubt, Kim sei ähnlich wie er"Bild: Reuters/J. Ernst

Für Donald Trump ist die Zerstörung eines nordkoreanischen Raketentestgeländes ein klarer Beweis für die Ernsthaftigkeit des Bekenntnisses von Kim zur "De-Nuklearisierung". Ist Trump hier zu gutgläubig?

Ich bin mir nicht sicher, ob es hier eine realistische Betrachtung der Wirklichkeit und auch des Gegenspielers gibt, mit dem es die amerikanische Politik zu tun hat. Ich glaube, dass wir es hier mit Selbstüberschätzung und auch Spiegelungseffekten zu tun haben.

Donald Trump geht wohl davon aus, dass Kim Jong Un so ähnlich sei wie er. Er hat immer wieder betont, wie sehr er den Eindruck habe, dass es beiden Seiten daran gelegen sei, einen Deal zu machen. Das ist offensichtlich ein Beispiel dafür, wie Donald Trump hier möglicherweise dazu tendiert, von sich auf andere zu schließen.

Trump hat angekündigt, die gemeinsamen Manöver mit Südkorea unter anderem wegen hoher Kosten zu stoppen. Verabschiedet sich Trump von der amerikanischen Sicherheitsgarantie für die ostasiatischen Verbündeten?

Das glaube ich nicht und hoffe ich auch nicht. Wenn es so wäre, dann hätte das gravierende und negative Auswirkungen auf die Sicherheit und Stabilität in der ganzen Region. Das wäre außerordentlich problematisch. Ich würde davon ausgehen, dass diese Aussage von Trump keinen großen Wert hat und dass wir möglicherweise bald Donald Trump dann sagen hören, er sehe seine Formulierung nun anders.

Ich glaube auch, dass alle in der Umgebung von Trump, die ihn jetzt außenpolitisch beraten, sich dagegen sperren werden, dies zu tun und auf diese Art und Weise eine weitere dramatische Vorleistung der amerikanischen Politik zu erbringen.

Südkorea Gemeinsame Militärübung mit der USA
(Archiv) Gemeinsame Militärübung der USA mit SüdkoreaBild: Getty Images/AFP/Jung Yeon-Je

Die atomare Abrüstung Nordkoreas soll Trump zufolge von amerikanischen und internationalen Vertretern überwacht werden. Ein Aufruf auch an die EU oder an Deutschland?

Es ist durchaus vorstellbar, dass die Europäische Union und EU-Experten daran mitwirken. Aber lassen Sie uns erst einmal abwarten, was dann konkret tatsächlich vereinbart wird. In dem Papier ist dazu ja eigentlich nichts zu lesen, jedenfalls nichts Konkretes. Das wird dann zur Umsetzungsphase gehören, die im Einzelnen erst ausgehandelt werden müsste. Die überprüfbare Abrüstung der nordkoreanischen Potenziale ist ein Thema, in dem noch viele Probleme im Detail stecken.

Das Interview führte Dang Yuan.

Hanns W. Maull ist Senior Distinguished Fellow an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Senior Policy Fellow am Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin sowie Professor für internationale Beziehungen an der Johns Hopkins University in Bologna.