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Erste Zinssenkung der US-Notenbank seit Corona-Pandemie

19. September 2024

Die Fed reißt erstmals seit März 2020 das Ruder herum und reduziert den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte. Knapp sieben Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl fällt die politische Bewertung - wie erwartet - kontrovers aus.

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Fed-Chef Jerome Powell erläutert in Washington - vor mehreren US-Flaggen - die Zinswende
Fed-Chef Jerome Powell erläutert in Washington die Zinswende Bild: Kyodo/picture alliance

Gut anderthalb Monate vor der Präsidentschaftswahl in den USA hat die Notenbank (Federal Reserve) erstmals seit Jahren den Leitzins gesenkt - und dabei gleich eine Reduzierung um 0,5 Prozentpunkte vorgenommen. Der Zinssatz liegt nun zwischen 4,75 und 5,0 Prozent, wie die Fed mitteilte. Die erste Leitzinssenkung seit Ausbruch der Corona-Pandemie - also seit mehr als vier Jahren - fiel stärker aus als bei anderen Zentralbanken. Zugleich stellte die US-Notenbank eine weitere Senkung um 0,5 Prozentpunkte noch in diesem Jahr in Aussicht.

Powell: "US-Wirtschaft ist insgesamt stark"

"Unsere Wirtschaft ist insgesamt stark und hat in den vergangenen zwei Jahren erhebliche Fortschritte bei der Erreichung unserer Ziele gemacht", betonte Fed-Chef Jerome Powell in Washington. Es sei nun an der Zeit, "unsere Politik neu auszurichten und angesichts der Fortschritte bei Inflation und Beschäftigung angemessener zu gestalten". Es war die letzte Sitzung des Zinsausschusses vor der US-Präsidentschaftswahl am 5. November.

Powell wies gleichwohl den Vorwurf zurück, die Fed-Entscheidung sei politisch motiviert. "Unsere Aufgabe ist es, die Wirtschaft im Namen des amerikanischen Volkes zu unterstützen", sagte Powell. "Und wenn wir es richtig machen, wird dies dem amerikanischen Volk erheblich zugutekommen."

US-Vizepräsidentin Kamala Harris am Rednerpult während einer Wahlkampfveranstaltung in Philadelphia. Neben ihr Präsident Joe Biden
Der demokratische US-Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris freuen sich über den Schritt der NotenbankBild: William T. Wade Jr./Photography/Avalon/picture alliance

Harris: "Willkommene Nachricht für die Amerikaner"

Der demokratische US-Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris begrüßten den Schritt der Notenbank. Harris erklärte, die Entscheidung sei "eine willkommene Nachricht für die Amerikaner, die die Hauptlast der hohen Preise zu tragen haben". Sie konzentriere sich in ihrer Arbeit darauf, "die Preise weiter zu senken". Biden sprach von einem "Moment des Fortschritts". "Die Inflation und die Zinssätze sinken, während die Wirtschaft stark bleibt", erklärte Biden im Onlinedienst X. Kritiker hätten dies für unmöglich gehalten - "aber unsere Politik senkt die Kosten und schafft Arbeitsplätze".

Trump: "Es zeigt, dass die Wirtschaft sehr schlecht ist"

Dagegen reagierte der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump auf den Zinsentscheid mit den Worten: "Ich denke, es zeigt, dass die Wirtschaft sehr schlecht ist, wenn man (die Zinsen) so deutlich senkt - vorausgesetzt, sie spielen nicht nur Politik." Trump wirft der Federal Reserve generell vor, mit Zinssenkungen vor der Wahl am 5. November die Stimmung zugunsten der demokratischen Administration in Washington verbessern zu wollen. Der Immobilienmilliardär will im Falle eines Wahlsieges die Unabhängigkeit der Fed beschneiden.

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump am Rednerpult während der TV-Debatte mit Vizepräsidentin Kamala Harris
Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump will im Falle eines Wahlsiegs den Entscheidungsspielraum der Federal Reserve reduzieren Bild: Alex Brandon/AP/picture alliance

Es war die erste Leitzinssenkung der Fed seit März 2020, als die US-Notenbank angesichts der gravierenden Folgen der Corona-Pandemie zur Ankurbelung der Wirtschaft den Zinssatz auf fast null Prozent senkte. Nach der in der Folge einsetzenden Inflation erhöhte die Fed von 2022 an schrittweise wieder den Zinssatz, bis er im Juni 2023 zwischen 5,25 und 5,5 Prozent erreichte, den höchsten Wert seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Niedrigste Inflationsrate seit drei Jahren

Zuletzt war die Inflation in den Vereinigten Staaten weiter zurückgegangen und hatte im Juni mit 2,5 Prozent den niedrigsten Stand seit mehr als drei Jahren erreicht. Die Arbeitslosenquote lag im August bei 4,2 Prozent, allerdings war die Zahl der neu geschaffenen Stellen in den zurückliegenden Monaten weniger hoch als erwartet.

Das Mandat der Fed in den USA sieht vor, mit der Geldpolitik die Inflation auf der einen und die Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite ins Gleichgewicht zu bringen. Durch eine Erhöhung des Leitzinses werden Kredite teurer und Ausgaben reduziert, die Wirtschaft kühlt ab und die Preise sinken. Bei einer Senkung des Leitzinses tritt der umgekehrte Effekt ein.

Bank of England lässt Zinssatz unverändert

Die Geldpolitik muss die richtige Balance finden, so dass keiner der Effekte zu stark wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte die Leitzinsen am 12. September das zweite Mal in diesem Jahr gesenkt, nachdem auch sie als Reaktion auf die Inflation bis Oktober 2023 schrittweise die Leitzinsen erhöht hatte. Sie senkte den Einlagezins um 0,25 Prozentpunkte.

Die britische Notenbank belässt hingegen den geldpolitischen Schlüsselsatz bei 5,0 Prozent. Der Zinsentscheid fiel an diesem Donnerstag mit acht zu eins Stimmen im geldpolitischen Ausschuss der Bank of England. Die Währungshüter um BoE-Chef Andrew Bailey hatten im August erstmals seit 2020 die geldpolitischen Zügel gelockert und damit auf das Abebben der Inflationswelle reagiert. Es war auch in London die erste Lockerung seit dem Frühjahr 2020, als die Notenbank auf Corona reagierte. Die Teuerungsrate in Großbritannien stagnierte allerdings zuletzt bei 2,2 Prozent und blieb damit über dem Zielwert der BoE von zwei Prozent.

sti/kle (afp, dpa, rtr)