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"Es geht um Geld, nicht um Dschihad"

Gabriel Dominguez/HS25. September 2014

Die Gruppe Abu Sayyaf droht auf den Philippinen mit der Ermordung einer deutschen Geisel. Durch Schulterschluss mit dem "Islamischen Staat" will sie den Druck erhöhen, meint Sicherheitsexperte Joseph Franco.

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Philippinen Tote nach Gefecht
Bild: picture alliance/AP

Für welches Ziel kämpft die Gruppe Abu Sayyaf?

Sie gibt vor, ein Kalifat in Mindanao errichten zu wollen, mit den Inseln Basilan und Sulu vor der Westküste als Zentrum. Ideologisch ist die Gruppe aber nicht stark verwurzelt, sie bezieht auf den Dschihad eher als Lippenbekenntnis. Mit dem Tod ihres Gründers Abdurajak Abubakar Janjalani 1998 ging der Gruppe auch ihr einzig ernstzunehmender Ideologe verloren. Die Gruppe ist vor allem für Leute interessant, die illegal Waffen besitzen und diese durch Abu Sayyaf zu Geld machen wollen.

Was hat die Gruppe für eine Struktur?

Abu Sayyaf besitzt keine definierte Kommandostruktur, die Mitglieder wechseln ihre Loyalitäten je nach Opportunität. Es kommt auch vor, dass bewaffnete Einzelpersonen – ob "echte" AS-Mitglieder oder nicht – Verwandte unterstützen, die ihrerseits konkrete Verbindungen zu der Gruppe haben.

Wer finanziert Abu Sayyaf?

Die Gruppe scheint sich selbst zu finanzieren. Neben Lösegeld sind ihre Einnahmequellen Schutzgelderpressung, wie es heißt von Marihuana-Anbauern in Sulu. Die Geiselnahmen sind als lokales Gewerbe organisiert. Die Geiselnehmer kommen zumeist von den Inseln westlich von Mindanao. "Helfer" schaffen die Entführten in Dörfer, wo sie "Unterkunft" bekommen. Dann nehmen sie Kontakt mit lokalen Beamten auf, die als "Unterhändler" fungieren.

Joseph Franco Sicherheitsexperte aus Singapur
Joseph Franco: "Geißel illegaler Waffen in Mindanao"Bild: RSIS

Wie ist Manila bisher mit solchen Entführungen umgegangen?

Bei einheimischen Geiseln, zum Beispiel Ärzten und Lehrern, wird das als Sache für die Polizei behandelt. Manche Entführungen, zum Beispiel von lokalen Unternehmern, sollen auch unter den Teppich gekehrt worden sein. Bei hochrangigen Opfern werden Sonderkräfte der Armee eingesetzt. Dabei kommt es oft vor, dass Anhänger von Abu Sayyaf Zuflucht in den von den separatistischen Gruppen MNLF und MILF kontrollierten Gebieten suchen. Programmatische Differenzen, soweit sie bestehen, spielen dann keine Rolle mehr, wenn diese Gruppen gemeinsam Sache gegen die Sicherheitskräfte (s. Artikelbild) machen können, um an deren Waffen und Ausrüstung zu kommen.

Was hat es mit dem angeblichen Treueschwur von Abu Sayyaf gegenüber dem "Islamischen Staat" auf sich?

Ich halte das für eine PR-Maßnahme. Abu Sayyaf rekrutiert seine Anhänger nicht mit Ideologie, sondern mit der Möglichkeit, sich zu bereichern. Die Gruppe ist dort am aktivsten, wo es kaum Infrastruktur gibt, wo die Leute Fischerei als Subsistenzwirtschaft betreiben, oder wo schlechte Bedingungen für Ackerbau herrschen. Beim Treueschwur für IS geht es für alle diese Rebellengruppen darum, ihr Image und ihre Aura der Bedrohlichkeit aufrechtzuerhalten. Und womit kann man das derzeit besser tun als durch eine symbolische Verbindung mit dem "Islamischen Staat"?

Was kann Manila tun, um den Aktivitäten von Abu Sayyaf und anderen Gruppen den Boden zu entziehen?

Um die Entführungen zu stoppen, wäre es sehr hilfreich, den Zustrom von illegalen Feuerwaffen nach Mindanao zu stoppen. Außerdem brauchen wir Polizeikräfte, die ungehindert von korrupten Netzwerken gegen die verbreitete Kultur der Straflosigkeit vorgehen können. Staatsdiener, die sich für die Kidnapping-Industrie der Region einspannen lassen, müssen bestraft werden. Schließlich müsste Manila enger mit den Sicherheitsbehörden in der Nachbarschaft Mindanaos kooperieren, also mit dem malaysischen Teil Borneos und mit den Behörden auf den indonesischen Sulawesi-Inseln.

Joseph Franco forscht am Centre of Excellence for National Security in Singapur