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Parallelgesellschaften

Ruth Rach, London18. Dezember 2006

Seit es in England vor einigen Jahren zu Krawallen zwischen ethnischen Minderheiten kam, wurde Kritik über die Parallelgesellschaften der Zugewanderten laut. Ein Modellprojekt in Birmingham soll etwas dagegen tun.

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Muslimische Frauen und Kinder auf einer Straße in Leeds (Foto: AP)
Jedes Jahr kommen 250.000 neue Zuwanderer nach GroßbritannienBild: AP

Die Einwanderung nach Großbritannien ist seit Jahrzehnten groß und war für die britische Gesellschaft lange Zeit kein Problem. Im Jahre 2001 brachen allerdings in mehreren nordenglischen Städten Unruhen aus, bei denen ethnische Gruppen zusammenstießen. Die britische Öffentlichkeit war schockiert, auf ihr multikulturelles Konzept fiel ein Schatten. Eine unabhängige Kommission unter Professor Ted Cantle wurde beauftragt, die Ursachen der Zusammenstöße zu untersuchen. Sein Bericht ist umstritten, die Ergebnisse haben aber bis heute nichts an ihrer Aktualität eingebüßt.

Die alten Muster werden noch verstärkt

Jugendliche mit Kapuzen laufen nachts über eine Straße (Foto: dpa)
Krawalle in Birmingham im Herbst 2005Bild: dpa

Bei der Untersuchung der blutigen Zusammenstöße in Nordengland prägte Cantle einen Ausdruck, der sich seitdem wie ein Leitmotiv durch Diskussionen zum Thema Integration zieht, den Begriff der Parallelgesellschaften: "Viele Städte in Großbritannien sind räumlich geteilt: Es gibt Bezirke, in denen fast ausschließlich schwarze und asiatische Minderheiten wohnen und Bezirke, die der weißen Bevölkerung vorbehalten sind." In jüngster Zeit seien immer mehr Weiße aus den Innenstädten abgewandert, gleichzeitig habe die neue Welle von Zuwanderern das alte Muster eher verstärkt als aufgebrochen.

Nach Ansicht von Organisationen wie "Migration Watch" gibt es nur einen Weg, das Problem zu lösen. Ihr Sprecher Andrew Green glaubt, dass die englische Gesellschaft mit der derzeitigen Entwicklung nicht Schritt halten kann: "Jedes Jahr kommen 250.000 neue Zuwanderer ins Land, es ist unmöglich, sie alle zu integrieren. Wir brauchen eine Obergrenze, die vom Parlament festgelegt werden sollte."

Fast die Hälfte hat keine Ausbildung

Kritiker sagen, die Zuwanderungspolitik der britischen Regierung habe dazu beigetragen, separate Gemeinden zu schaffen. In Birmingham ließen sich ganze Dörfer aus Bangladesh nieder, die an veralteten Sitten festhielten, erzählt Faraz Youfsufzai, ein junger Muslime, der in Birmingham an verschiedenen Community Projekten mitarbeitet. Yousoufzai scheut nicht vor Tabuthemen zurück und sagt eine schwierige Zukunft voraus: "In den nächsten drei, vier Jahren wird Birmigham die erste Stadt sein, in der ethnische Minderheiten die Mehrheit ausmachen. Fast 70 Prozent sind muslimischer Herkunft." Die Herausforderungen seien enorm, sagt Yousoufzai, 40 Prozent besäßen keine beruflichen Qualifikationen, 25 Prozent bezögen eine Krankenrente und überproportional viele säßen im Gefängnis.

Modellprojekt gegen schlechte Zukunftsaussichten

In Birmingham wohnen derzeit eine Million Menschen. Die Stadt braucht nach Wirtschaftsprognosen in den nächsten Jahrzehnten 300.000 gut ausgebildete Arbeitskräfte. Die Geschäftswelt steht vor dem Problem, dass Minderheiten häufig ein akutes Bildungsdefizit haben. Nun setzt Birmingham auf eine Bürgerinitiative mit Modellcharakter.

Die Bürgerinitiative "Birmingham Citizens" ist ein Zusammenschluss aus Vertretern von Minderheiten, Arbeitgebern, Gewerkschaften, Schulen und kommunalen Behörden. Es geht um Projekte wie bessere Straßenbeleuchtung, mehr Polizisten und neue Ausbildungsplätze, die allen am Herzen liegen. Manchmal kommen bis zu tausend Leute zu einem Treffen. Sie erleben, wie sie Prozesse positiv beeinflussen können und fühlen sich als Teil der Gesellschaft. Damit sei der Integrationsprozess vollzogen, sagt Farouk Yousoufsai. Er hält sozio-ökonomische Verbesserungen für "die stärksten Waffen im Kampf gegen extremistische Strömungen aller Art".