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MusikEuropa

ESC 2024 - Nemo gewinnt für die Schweiz

12. Mai 2024

Zum dritten Mal in der ESC-Geschichte gewinnt die Schweiz den Eurovision Song Contest. Der größte Musikwettbewerb der Welt fand unter dem Motto "United by Music" zum 68. Mal statt.

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Eine Person jubelt, im Hintergrund Schweizer Flaggen.
Jubel in Malmö: Der Sänger Nemo holt den Sieg für die Schweiz. Es war der erste Sieg für die Eidgenossen seit 1988. Bild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Jury und Publikum waren sich einig: Nemo aus der Schweiz gewinnt den Eurovision Song Contest 2024 haushoch mit dem Song "The Code". Nemo überzeugte nicht nur mit musikalischen Qualitäten und einem Song, der mehrere Genres von Rap über Drum&Bass bis Oper vereinte, auch der Auftritt war bemerkenswert: Nemo balancierte, tanzte und kletterte auf einer schräg stehenden, sich drehenden Scheibe. Für diese Performance gab es vom internationalen Publikum sowie von den Länderjurys mehr Punkte als für die Vorjahressiegerin Loreen aus Schweden.

Nemo bezeichnet sich als non-binäre Person. Über den Song "The Code" sagt Nemo: "Er handelt von der Reise, die ich mit der Erkenntnis begann, dass ich weder ein Mann noch eine Frau bin. Die Selbstfindung war für mich ein langer und oft schwieriger Prozess. Aber nichts fühlt sich besser an als die Freiheit, die ich durch die Erkenntnis gewonnen habe, dass ich nicht-binär bin." Für Nemo ist der ESC eine Plattform, die eine "riesige Chance bietet, Brücken zwischen verschiedenen Kulturen und Generationen zu bauen. Deshalb ist es mir als gender-queere Person sehr wichtig, für die gesamte LGBTQIA+-Community einzustehen."

Eine Person steht mit ausgebreiteten Armen auf einer sich drehenden Scheibe.
Nemo trat auf einer großen Drehscheibe auf, die vor- und zurückwippte und sich drehteBild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Deutschlands Fluch gebrochen

Der lange als Favorit gehandelte Kroate Baby Lasagna und sein Song "Rim Tim Tagi Dim" erreichte den zweiten Platz. Die Ukrainerinnen Alyona Alyona & Jerry Heil landeten mit "Teresa & Maria" als Dritte auf dem Siegertreppchen.

Ein Mann singt in ein Mikrofon, hinter ihm Feuer.
Der deutsche Teilnehmer IsaakBild: picture alliance/dpa

Deutschlands Kandidat Isaak brach mit seiner eindrucksvollen Stimme den Fluch des letzten Platzes. Er wurde von Publikum und Jury mit dem 12. Platz belohnt. Isaak hat mehr Punkte erlangt als die deutschen Acts der letzten vier Jahren zusammen. Im Vorfeld hatte man ihm keine großen Chancen eingeräumt, da der Song von vielen als nicht stark genug für den ESC angesehen wurde.

Doch Isaak zeigte sich trotz der Kritik stets gleichmütig und zog souverän sein Probenprogramm durch. Er überzeugte das Publikum bereits im ersten Semifinale und stieg auch bei den Buchmachern, die immer als Seismograf für die Gewinnchancen der ESC-Teilnehmerländer gelten, um mehrere Plätze an.

Ihm kam sicherlich die neue Regel zugute, dass auch die fürs Finale gesetzten Big-Five-Länder (Deutschland, Italien, Frankreich, UK und Spanien, die größten Geldgeber des ESC) in den Semifinals einen kompletten Auftritt zeigen konnten. Bisher wurden diese Kandidatinnen und Kandidaten nur mit kurzen Einspielern während der Semifinals vorgestellt.

Bunt und divers

Musikalisch hat sich der ESC längst vom Schlager- zu einem Popmusikwettbewerb entwickelt. Die Acts sind bunter und diverser denn je, viele Songs drücken auf die Tanz- und Feierknöpfe. Griechenland, Italien, Georgien, Luxemburg und Zypern kamen mit soliden Tanznummern daher, das Muster glich sich: junge Frau singt zu Tanzbeats, um sie herum Tänzer und eine gemeinsame sexy Choreografie.

Auch Klamauk und Trash waren in diesem Jahrgang stark präsent, allen voran Finnland, das eine Boyband schickte - mit einem Sänger, der den Anschein machte, er sei mit komplett entblößtem Gemächt auf die Bühne gekommen (Platz 19). Überhaupt waren nackte Haut und knappe Kostümchen schwer angesagt.

Eine als Hexe verkleidete Frau streckt einen als Teufel verkleideten Mann zu Boden.
Bambie Thug für Irland: Die Hexe besiegt den Teufel - vor allem mit intensiven SchreienBild: Leonhard Foeger/REUTERS

Bambie Thug aus Irland verschreckte das Publikum mit einer schrägen Hexen-Exorzismus-Nummer und erreichte damit Platz sechs, Spanien wurde mit einem eher mittelmäßigen Discosong von der ganzen Halle gefeiert, kam aber nur auf Platz 22. Österreichs Kandidatin Kaleen wurde mit einem lupenreinen 1990er Eurodance-Song Vorletzte, Schlusslicht war in diesem Jahr Norwegen. Balladen waren unterrepräsentiert, Folklore gab es nur aus Armenien und Estland, Rock- oder gar Hardrock-Songs waren in diesem Jahr nicht dabei.

Landessprache wieder populärer

Nur wenige Acts kamen allein auf die Bühne, unter ihnen Nemo, die meisten traten als Ensemble auf oder hatten eine Reihe Tänzer um sich herum. Die Bühne war für große Shows wie gemacht, es gab viel Lichteffekte, Laser und Feuer, bei einigen Acts fühlte sich die Halle wie eine Großraumdisco an.

Songs in Landessprache werden auch wieder populärer, was vielen ESC-Fans gut gefällt. In diesem Jahr haben 15 Künstlerinnen und Künstler in ihrer Landessprache gesungen - auch wenn viele Menschen den Text nicht verstehen, spiegelt die Sprachenvielfalt doch die Vielfalt der teilnehmenden Länder - von Island bis Aserbaidschan, von Finnland bis Israel.

Niederlande disqualifiziert

Trotz aller Vielfalt, der bunten Party und der perfekten Organisation des Gastgeberlandes Schweden war der ESC in diesem Jahr nicht ohne Misstöne. Im Vorfeld des Finalabends hatte es bereits ordentlich rumort. Der niederländische Teilnehmer und Mitfavorit Joost Klein soll am Donnerstag nach seinem Halbfinalauftritt eine Kamerafrau angegriffen haben; genaue Umstände sind noch nicht geklärt. Die Europäische Rundfunkunion EBU hat als Veranstalterin des Wettbewerbs dem Künstler die weitere Teilnahme versagt. So sind nur 25 Acts anstelle der ursprünglich 26 gegeneinander angetreten.

Demonstrationen gegen Israels Teilnahme

Die Klimaaktivistin wird auf der Straße von Polizisten abgeführt.
Pro-palästinensische Demo vor der Arena - Greta Thunberg wird abgeführtBild: Johan Nilsson/TT/IMAGO

Der Gaza-Krieg überschattete die gesamte ESC-Woche. Die Teilnahme Israels am Wettbewerb war von vielen Menschen, auch Künstlern, scharf kritisiert worden, und das zeigte sich in den vergangenen Tagen deutlich. Es gab mehrere Demonstrationen, auch am Samstag vor dem Finale gingen tausende Menschen in Malmö gegen die Teilnahme Israels auf die Straße. Laut Angaben der Polizei blieb es weitestgehend friedlich. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer vor der Halle wurde es teils unangenehm, laut einem Reporter der Nachrichtenagentur APF seien sie mit "Shame on you"- Rufen beschimpft worden. Unter den Protestierenden war auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die von der Polizei abgeführt wurde.

Buhrufe für Israel

Der Protest war in der Halle auch zu spüren; beim Auftritt der israelischen Teilnehmerin Eden Golan sowie bei der Verkündung der israelischen Punkte gab es Buhrufe und Pfiffe, manche verließen aus Protest die Halle oder drehten der Sängerin einfach den Rücken zu. Schon vor dem Finalabend hatte die norwegische Sängerin Alessandra Mele, die die Punkte der norwegischen Jury präsentieren wollte, ihren Auftritt wegen Israels Teilnahme abgesagt; der finnische 2023er ESC-Teilnehmer Käärjiä hatte verkündet, dass er nicht für die Punktevergabe zu Verfügung stehe. Die Vorjahressiegerin Loreen hatte angekündigt, wenn Eden Golan gewinnen sollte, werde sie ihr die Trophäe nicht überreichen. In diese Verlegenheit kam Loreen allerdings nicht: Golan erreichte den fünften Platz - sie konnte den gläsernen Pokal schließlich Nemo in die Hand drücken.

Nachdem Nemo den Siegertitel am Ende noch einmal vorgetragen hatte, rutschte der Pokal versehentlich aus Nemos Hand, worauf er in zwei Teile zerbrach. Das soll allerdings kein schlechtes Omen für den Eurovision Song Contest sein, der 2025 in der Schweiz stattfinden wird.

Die russisch-israelische Sängerin Eden Golan steht beim Finale des Eurovision Song Contest Malmo Arena in Malmö auf der Bühne. Sie hält ein Mikrofon in der Hand.
Eden Golan sang für Israel die Ballade "Hurricane"Bild: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Der allererste ESC-Sieg 1956 ging übrigens auch an die Schweiz, ESC-Legende Lys Assia gewann damals. Den zweiten Sieg holte 1988 die Kanadierin Celine Dion, die später zum Weltstar wurde.

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online