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PolitikEuropa

EU-Agrarpolitik: Viel Geld für Bauern, trotzdem Proteste

25. Februar 2024

An diesem Montag tagen die EU-Landwirtschaftsminister. Die Bauern protestieren und können mit Zugeständnissen rechnen. Die Landwirtschaft ist der EU liebstes Kind. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Belgien Bauern Proteste in Brüssel
Traktoren auf dem Weg zum EU-Viertel in Brüssel: Für Montag haben die Bauern Protest angekündigt-warum?Bild: EU/Christophe Licoppe

In rund der Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten gab es in den vergangenen Wochen Proteste und Demonstrationen von Landwirten gegen die jeweilige nationale und die europäische Agrarpolitik. Die Gründe sind oft verschieden. In Deutschland regen sich die Bauern über die geplante Kürzung von Subventionen für Dieselkraftstoff auf. In Polen und anderen osteuropäischen Staaten blockieren Bauern Straßen und Grenzübergänge, weil sie billige Importe aus der Ukraine verhindern wollen.

Bauernlobby fordert "angemessene Einkommen"

Der europäische Bauernverband COPA verlangt weniger scharfe Umweltauflagen, weniger Bürokratie im komplexen Regelwerk der EU-Landwirtschaftspolitik und bessere Bedingungen im internationalen Wettbewerb. Darum lehnen die Bauern-Lobbyisten zum Beispiel das Handelsabkommen mit den MERCOSUR-Staaten in Südamerika ab, weil es mehr Konkurrenz für europäische Landwirte bedeuten würde, meint die Präsidentin des Bauernverbandes, Christiane Lambert, in einem Schreiben an die EU-Kommission. "Wenige Monate vor den für die Zukunft Europas entscheidenden Wahlen erwarten die Landwirtinnen und Landwirte, (…) dass sie ihre Tätigkeit unter annehmbaren Bedingungen, mit angemessenen Einkommen und weniger Verwaltungsaufwand fortsetzen können."

Milchbauern: Weitermachen oder aufgeben?

EU-Kommission kündigt Zugeständnisse an

EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits reagiert und einen Gesetzesvorschlag zurückgezogen, der den Einsatz von Pestiziden in Europa halbieren sollte. Doch das reicht den protestierenden Landwirten in einigen Staaten nicht. Sie wollen mehr Ausnahmeregeln und weniger Vorschriften. Die Chefin der Bauern- und Bürgerbewegung in den Niederlanden, Caroline van der Plas, moniert, dass die Landwirtschaft nicht richtig gewürdigt und geschätzt werde. "Menschen, die unsere tägliche Nahrung produzieren, werden als Tierquäler, Giftmischer, Bodenvergifter und Umweltfrevler diskreditiert", sagte sie der Zeitung "Financial Times".

Am Donnerstag hat die EU-Kommission neue Vorschläge gemacht, um den Protesten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Regeln sollen gelockert und Ausnahmen gemacht werden, um leichter an Subventionen gelangen. Der Druck, "der derzeit von unseren hart arbeitenden Bäuerinnen und Bauern gespürt wird, muss gemildert werden, damit die Lebensmittelsicherheit gewährleistet bleibt", sagte Kommissionspräsidentin von der Leyen. "Die Vereinfachung unserer Agrarpolitik bleibt weiter vorrangig."

Bauernproteste in Polen
Bauern in Polen blockieren Straßen mit ihrem Grill: Protest gegen billige Einfuhren aus der vom Krieg gebeutelten UkraineBild: Sergei Gapon/AFP

Die Interessenvertretung der Landwirte in den Mitgliedsstaaten und in der EU-Hauptstadt Brüssel ist einflussreich. Die christdemokratischen Europaabgeordneten haben sich auf die Seite der Bauern geschlagen. Auch die Sozialisten zeigen großes Verständnis. Trotzdem solle man nicht so tun, als seien die Regeln, gegen die Landwirte teilweise aufbegehren, ökologisch und umwelttechnisch alle falsch oder vom Himmel gefallen, warnte die SPD-Agrarpolitikerin Maria Noichl in einer Debatte des Europäischen Parlaments. "Lasst uns die Landwirte unterhaken! Lasst uns mit ihnen in eine schwierige Zeit des Klimawandels gehen", so Noichl in ihrer Rede.

Landwirtschaftsminister, Landwirtschaftsministerinnen und das Europäische Parlament haben gemeinsam die sogenannte "Vom Hof auf den Teller"-Strategie beschlossen, die eine Menge neuer Vorschriften für die bäuerlichen Betriebe bringt.

Weniger Bauern, gleiche Produktion

Klimaschutz, Reduzierung von Emissionen und Strukturwandel ist auch in der Landwirtschaft nötig. Darüber gibt es keinen Zweifel bei den politischen Akteuren in Brüssel. Nur wie soll er vernünftig organisiert werden? Der Strukturwandel in der europäischen Landwirtschaft ist schon seit Jahren im Gange, denn die Zahl der Bauernhöfe nimmt rasant ab - seit 2005 um ein Drittel auf 9,2 Millionen. Die bewirtschaftete Fläche hat aber nicht abgenommen. Das bedeutet, es gibt weniger Höfe, die aber größer werden. Die schrumpfende Zahl der Bauernhöfe, nach wie vor überwiegend Kleinstbetriebe mit nur einer vollen Arbeitskraft, hat nicht unbedingt nur mit der Wirtschaftlichkeit zu tun. Viele Bauern und Bäuerinnen im Rentenalter geben auf, weil es an Nachfolgern, an Jungbauern fehlt. Die werden übrigens mit besonderen Zuschüssen von der EU gefördert.

Einkommen in Deutschland so hoch wie nie

Die europäische Landwirtschaft produziert große Überschüsse, die exportiert werden. Die Einkommen der Bauern in Deutschland sind im Durchschnitt in den letzten Jahren stark angestiegen, zeigen die Statistiken des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Die Inflation sorgte für höhere Preise für die Kunden im Supermarkt, die Kosten für die Erzeugung sind weniger stark gestiegen. Eine Arbeitskraft in der Landwirtschaft kam in Deutschland im Jahr 2022 auf ein Einkommen von durchschnittlich 43.000 Euro. In der Europäischen Union schwanken sie jedoch stark. Die Einkommen von Bauern in Spanien oder Rumänien sind wesentlich niedriger. Die Einkommen der Bauern in den Niederlanden, die ebenfalls protestieren, liegen wesentlich höher.

Subventionen für die Landwirtschaft sind Kern der EU

Die Europäische Union lässt sich die Landwirtschaft etwas kosten. Die Agrarpolitik ist der Kern der Union. Seit 1962 werden Entscheidungen im Agrarsektor gemeinschaftlich von den Mitgliedsstaaten getroffen. Der größte Teil des gemeinsamen Haushalts, etwa ein Drittel, fließt in Zuschüsse an Landwirte und die Entwicklung des ländlichen Raumes. Obwohl die Landwirtschaft nur 1,6 Prozent der Wirtschaftsleistung in der EU ausmacht, erhält sie rund ein Viertel aller Subventionen aus dem regulären Haushalt. Im Jahr 2022 wurden 243 Milliarden Euro an Subventionen in alle Wirtschaftszweige gepumpt. 57 Milliarden gingen im weiteren Sinne an die Bauernhöfe.

Berliner Agrarministerkonferenz
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) muss EU-Regeln, die Deutschland mit beschlossen hat, jetzt umsetzenBild: Monika Skolimowska/dpa/picture alliance

Die hohen Subventionen sorgen dafür, dass die Lebensmittelpreise in der EU relativ niedrig und stabil sind. Würden die Landwirte ihre tatsächlichen Erzeugerkosten ohne Zuschüsse weitergeben, würden die Preise stark ansteigen und je nach Erntelage stark schwanken. Das zu verhindern, war und ist erklärtes Ziel der EU-Agrarpolitik.

Die Instrumente ändern sich aber. Vor 40 Jahren kaufte die EU-Kommission Butter und Milch selbst auf, um die Preise stabil zu halten. Heute erhalten die Landwirte einen Zuschuss pro bestelltem Hektar Land, außerdem Zuschüsse für ökologische Programme, Naturschutz oder die Stilllegung von Flächen. Im Jahr 2027 soll das heutige System der "Gemeinsamen Argarpolitik" (GAP) erneut auf den Prüfstand.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union