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PolitikEuropa

EU-Außenminister beraten über Sanktionen und Munitionskäufe

20. Februar 2023

Bei einem Treffen in Brüssel haben die 27 EU-Außenminister über Hilfen für die Ukraine und weitere Sanktionen gegen Russland beraten. Neben Symbolik ging es um praktische Probleme.

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Belgien EU l Treffens der Außenminister der Europäischen Union in Brüssel
Bild: Johanna Geron/REUTERS

Am Freitag dieser Woche jährt sich der Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Die Europäische Union hat bereits früh damit begonnen, die Ukraine militärisch zu unterstützen und ihre Solidarität mit dem Land auch zuletzt wieder auf einem Gipfel in Kiew bestätigt. Von ihrem Außenministertreffen an diesem Montag in Brüssel sollten nun starke Botschaften in Richtung Moskau ausgehen. Im Vordergrund standen aber erst einmal ganz praktische Probleme. 

Gemeinsame Munitionsbeschaffung

"Der Ukraine gehen die Geschosse aus", sagte der estnische Außenminister Urmas Reinsalu schon am Montagmorgen - kurz vor Beginn des Treffens mit seinen europäischen Amtskollegen in Brüssel. Und auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verwies darauf, dass die wichtigste und dringlichste Frage für die Ukraine eine fortlaufende Versorgung mit Munition sei. Namentlich handelt es sich dabei vor allem um Artilleriemunition mit dem Kaliber 155 Millimeter. Derzeit feuere Russland täglich 50.000 Schüsse im Krieg gegen die Ukraine ab, sagte Borell. "Die Ukraine muss die gleiche Leistungsfähigkeit haben", so der Außenbeauftragte vor dem Treffen.

Auf dem Tisch der Außenminister lag auch der sogenannte "estnische Vorschlag". Darunter versteht man in Brüssel die Idee, gemeinsam Munition für die Ukraine anzukaufen, ähnlich wie dies der Fall bei den Corona-Impfungen war. Insgesamt umfasse der Vorschlag die Lieferung von einer Million Geschosse im Wert von 4 Milliarden Euro, führt Reinsalu aus.  

Porträtaufnahme von Estlands Außenminister Urmas Reinsalu
Estlands Außenminister Urmas Reinsalu warnt: Der Ukraine gehen die Geschosse aus. (Archivfoto)Bild: DW

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach sich bereits für Abnahmegarantien für die Rüstungsindustrie aus. Dies würde der Rüstungsindustrie die Möglichkeit geben, in Produktionslinien zu investieren, um schneller zu werden und die Produktionsmenge zu erhöhen, sagte von der Leyen am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz.

Es wird erwartet, dass sich die Verteidigungsminister bei ihrem nächsten inoffiziellen Treffen am 7. und 8. März in Stockholm mit den Details des Vorschlags befassen, wie ein EU-Diplomat der DW bestätigte. 

Konkrete Vorschläge für die Verteidigungsminister

Nach der Sitzung kündigte Josep Borrell an, dass er bis zu diesem Termin "konkrete Vorschläge" machen werde, wie die Ukraine mit Munition versorgt werden könnte. "Es ist offensichtlich, dass wir Verfahren einleiten müssen, um die Fähigkeit der europäischen Industrie, schneller und mehr zu produzieren, zu erhöhen", sagte Borrell nach dem Treffen. Das könne auch durch gemeinsame Beschaffung sein. Für die nächsten Wochen sei "der beste Weg, die Ukraine mit Waffen zu versorgen, bereits bestehende Bestände europäischer Armeen mit der Ukraine zu teilen".

Porträtaufnahme von EU-Außenbeauftragtem Josep Borell beim Treffen der EU-Außenminister
Der EU-Außenbeauftragter Borell verspricht "konkrete Vorschläge" für das Verteidigungsministertreffen im MärzBild: Johanna Geron/REUTERS

Aus Sicht des Rüstungsexperten Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hat die Rüstungsindustrie keine Probleme, die notwendige Munition zu produzieren, wenn sie bestellt werde. Damit die Hilfe wirke, müsse sie möglichst unbürokratisch sein und an die Bedürfnisse der Ukraine angepasst sein.

Woher könnte das Geld kommen?

Für die Finanzierung der gemeinsamen Munitionsbeschaffung steht die sogenannte Europäische Friedensfazilität im Raum. Bislang sind daraus 3,6 Milliarden Euro für die Ukraine vorgesehen. An der Friedensfazilität beteiligen sich die Mitgliedstaaten entsprechend einem Verteilungsschlüssel, der sich an den jeweiligen Bruttonationaleinkommen bemisst.

Die "Gretchenfrage" sei, woher weiteres Geld für die Fazilität kommen solle, sagt Ronja Kempin von der Stiftung Wissenschaft und Politik. In dem Zusammenhang sei offen, ob ein Sondervermögen für die Ukraine geschaffen werden solle, aber auch, ob alle Länder - auch diejenigen ohne eine nationale Rüstungsindustrie - für die gemeinsame Munitionsbeschaffung aufkommen wollen. 

Zehntes Sanktionspaket gegen Russland soll noch diese Woche kommen

Die Außenminister haben auch über ein zehntes Sanktionspaket gegen Russland diskutiert. Dieses werde in den nächsten Tagen vor Freitag, dem Jahrestag des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, verabschiedet, betonte Josep Borrell nach dem Treffen.

"Ich möchte sie daran erinnern, dass Sanktionen wirken, dass wir die russische Wirtschaft stark beeinträchtigen", appellierte Borrell nach dem Treffen. 

Bereits in vorherigen Sanktionsrunden hat die EU auf die russische Wirtschaftsleistung abgezielt und Sanktionen in Sektoren wie Energiewirtschaft, Luxusgüter, aber auch in der Luft- und Raumfahrindustrie verhängt. Mit dem neuen Sanktionspaket will die EU-Kommission weitere Beschränkungen für Elektronik, Spezialfahrzeuge und Maschinenteile einführen.

Porträtaufnahme von Niclas Poitiers von der Denkfabrik Bruegel
Niclas Poitiers ist überzeugt, dass die bisherigen EU-Sanktionen einen großen Effekt auf die russische Wirtschaft gehabt haben Bild: Andri Søren Haflidason

Auch Niclas Poitiers von der Denkfabrik Bruegel gesteht den EU-Sanktionen zu, effektiv zu sein, auch wenn sie hinter anfänglichen Erwartungen zurückgeblieben seien: "Man kann mit ziemlich großer Sicherheit sagen, wenn es die Sanktionen nicht gegeben hätte, wäre die russische Wirtschaft nicht so stark gesunken, wie es jetzt passiert ist."

Nach offizieller Darstellung ist das russische Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,1 Prozent gesunken, wie das nationale Statistikamt auf der Basis vorläufiger Daten laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bekannt gab. Im Jahr 2021 sei die russische Wirtschaft hingegen noch gewachsen.

Nicht erschienener Gast 

Die EU-Außenminister haben auf dem Treffen außerdem ein fünftes Sanktionspaket gegen den Iran wegen Menschenrechtsverstößen beschlossen und mit dem moldauischen Außenminister Nicu Popescu zu Mittag gegessen. Auch das war wohl ein bewusstes Signal in Richtung Moskau. Das Nachbarland der Ukraine, das stark von russischen Gaslieferungen abgängig ist, fürchtet sich vor russischer Einflussnahme. 
Ein weiteres Zeichen konnten die Außenminister bei ihrem Treffen am Montag nicht setzen: Der eigentlich erwartete ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba konnte es nicht einrichten, an dem Treffen teilzunehmen. Wohl wegen anderweitiger Verpflichtungen, die mit dem Besuch des US-Präsidenten Joe Biden in der Ukraine zusammenhingen. Er wird am Dienstag in Brüssel zu einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell erwartet.

Porträtaufnahme des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wird morgen in Brüssel erwartet (Archivfoto) Bild: Efrem Lukatsky/AP Photo/picture alliance
DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel