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Die EU reformiert den Emissionshandel: Was ändert sich?

Tim Schauenberg
23. Dezember 2022

Die EU hat sich auf ein großes Klimapaket für die Industrie geeinigt. CO2-Verschmutzer müssen künftig mehr zahlen, Milliarden fließen in einen Klimasozialfond.

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Deutschland Symbolbild CO2-Markt - Schwaden über Kraftwerk Niederaussem
Bild: Ina Fassbender/AFP/Getty Images

Die Europäische Union will bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden und auf dem Weg dorthin bis 2030 mindestens 55 Prozent weniger CO2 ausstoßen als 1990. Ein Schlüsselmechnismus dabei ist das sogenannte Emissions Trading System (ETS), ein Markt für CO2-Emissionen. Auf eine Reform für dieses System hat sich das EU Parlament mit Vertretern der EU Länderregierungen in langen Verhandlungen verständigt.

Peter Liese, von der konservativen EVP und Verhandlungsführer des EU Parlaments, nannte die Einigung auf Twitter "das größte Klimagesetzt, das jemals in der EU ausgehandelt wurde." 

Die im ETS erfassten Sektoren, darunter Öl-Raffinerien, Kohle- und Stahlkraftwerke, die Zement-, Glas-, Papier-, und Teile der Chemieindustrie, machen bis zu 40 Prozent der gesamten Emissionen in Europa aus. Rund 10 000 Unternehmen aus diesen Sektoren müssen seit 2005 nach dem Prinzip "Der Verschmutzer zahlt” für ihre CO2-Emissionen Ausgleichszahlungen leisten.

Einmalig werden dafür 2024 Zertifikate äquivalent zu 90 Millionen Tonnen CO2 aus dem System gestrichen. Ab 2024 werden jährlich 4,3 Prozent aus dem Markt genommen. Ab 2028 werden es 4,4 Prozent, auch der CO2 Preis steigt. Schon 2022 war der CO2-Preis in der EU auf teilweise auf über 85 Euro pro Tonne geklettert. Damit hat er sich innerhalb von zwei Jahren verdoppelt.

In Zukunft werde der CO2-Preis für die vom ETS betroffenen Industrien bei etwa 100 Euro pro Tonne liegen, so der französische Europaabgeordnete Pascal Canfin, Vorsitzender des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments. Bis 2030 sollen so die Emissionen aus den ETS-Sektoren bis 2030 um 62 Prozent gesenkt werden, statt bisher um nur 43 Prozent.

"Die Ziele wurden im Vergleich zum bisherigen Stand deutlich angehoben. Das ist einer der wichtigsten Punkte,” so Thorfinn Stainforth vom Think Tank Institute for European Environmental Policy (IEEP), der sich auf Studien zu nachhaltiger Politik spezialisiert hat.

Mitte Dezember hatte die EU bereits den CO2-Grenzausgleich (CBAM) beschlossen. Damit soll die Verlagerung von CO2 Emissionen in Länder außerhalb der EU verhindert werden. Nach einer Testphase soll dabei unter anderem ein Klimazoll auf importierte Güter unter anderem auf Stahl, Zement und Aluminium erhoben werden.

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Abbau der freien Zulassungen für besonders klimaschädliche Industrien

Eine weitere wichtige Einigung ist die schnelleren Abkehr von sogenannten "freien Zulassungen" im ETS System. Bisher gab es solche freien Zulassungen für eine Reihe von Industrien, um Nachteile gegenüber internationalen Wettbewerbern wegen der hohen CO2 Preise zu vermeiden. Fast die Hälfte der Zertifikate wurden bisher als freie Zertifikate ausgegeben und zwar unter anderem an die besonders klimaschädliche Schwerindustrie.

Damit wurden für fast 90 Prozent der Industriemissionen, die unter das ETS fallen, gar kein CO2-Preis gezahlt. Das soll sich nun drastisch ändern. Bis 2030 dürfen nur noch halb so viele freie Zertifikate ausgegeben werden, bis 2034 fallen sie dann ganz weg. 

Im vergangenen Jahr wurden EU-weit rund 32 Milliarden Euro durch den Emissionshandel erwirtschaftet. Anders als bisher sollen künftig alle Einnahmen aus dem ETS für klimarelevante Maßnahmen eingesetzt werden.

"In Deutschland ist dies im Wesentlichen schon der Fall. Aber Polen hat 50 Prozent für komplett andere Zwecke ausgegeben, Italien sogar 70 Prozent. Damit wird nun Schluss sein. Der Emissionshandel ist ein Instrument zum Umweltschutz”, so der deutsche Europaabgeordnete Peter Liese. 

Der ETS sei "eigentlich ein Instrument, um ein Signal für das Verursacherprinzip zu geben, und das wird helfen. Aber hauptsächlich ist es ein Instrument, das Einnahmen generiert, um Unternehmen bei der Dekarbonisierung zu helfen,” ergänzt Sofie Defour, Expertin für Schiffs und Straßenverkehr beim Brüsseler Think Tank Transport and Environment gegenüber der DW. 

Athen und die Armut

CO2 Abgaben für Schiffsverkehr erweitert, Flüge weiter ausgenommen

Ab 2024 wird erstmals auch der Schiffsverkehr schrittweise für seine Emissionen zu Kasse gebeten. Die höheren Kosten für Schiffsbetreiber sollen einen Anreiz setzen, schnell auf nachhaltigere Alternativen umzusteigen, doch das wird sich laut Defour kaum auf die Verbraucherpreise von auf dem Seeweg importierten Waren auswirken.

"Wir haben herausgefunden, dass der Aufpreis für einen Fernseher nur etwa 3 Euro-Cent und für ein Paar Nike-Schuhe etwa 8 Euro-Cent betragen würde. Auf ein Schiff passt so viel, dass der Preisunterschied für ein einzelnes Produkt nicht ins Gewicht fällt."

Große Teile des Flugverkehrs werden auch weiterhin nicht Teil der CO2-Bepreisung sein. Transport and Environment schätzt, dass die europäische Flugindustrie bis 2030 nur für 22 Prozent ihrer Emissionen aufkommen muss.

Gas, Benzin und Diesel, die für den Verkehr oder zum Heizen genutzt werden, sollen ab 2027 allerdings deutlich teuer werden. Und in einem neuen Markt für Kohlenstoffemissionen (ETS2), bekommt auch Emissionen von Gebäuden und des Transportsektors einen Preis. 

Im ETS2 wird ein maximaler CO2-Preis von 45 Euro angepeilt. Was das für die Verbraucherpreise bedeutet, ist derzeit schwer vorherzusagen. Zur Zeit geht man davon aus, dass Diesel und Benzin an der Zapfsäule zwischen elf und 12 Cent mehr pro Liter teurer werden. Allein in Deutschland wären dadurch 2,3 Millionen Haushalte überdurchschnittlich von hohen Heizkosten bedroht.

Das ist jetzt, mitten in der Energiekrise, mit extrem hohen Strom und Gaspreisen, ein heikles Thema Sollten die Energiepreise langfristig so hoch bleiben, wird die Einführung von ETS2 um ein Jahr auf 2028 verschoben.

Wirtschaft_plus – Die Energiepreis-Abzocke

Neue EU-Regeln: Klimagerechtigkeit trotz höherer Energiekosten? 

Gerade in osteuropäischen Ländern sind viele Menschen weiter stark auf fossile Brennstoffe angewiesen. Ihre Einkommen sind niedriger, ein hoher CO2-Preis wird sie darum noch härter treffen als Menschen mit höheren Durchschnitts-Einkommen etwa in Deutschland oder Frankreich. 

Deshalb plant man die der Einrichtung eines europaweiten 86 Milliarden Euro schweren Klimasozialfond. Mit dem Geld sollen nationale soziale Klimapläne subentioniert werden, um negative Effekte durch höhere Gas- und Benzinpreis abzufedern. So können beispielsweise klimafreundliche Renovierungen, Wärmedämmung für Häuser, die Ausbau des öffentlichen Nahverkehr und soziale Maßnahmen für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen finanziert werden.

Michael Bloss, Europaabgeordneter der Grünen im Parlament, hat dem neuen CO2-Preis zwar zugestimmt, hätte sich aber einen üppigeren Sozialfond gewünscht. "Bürgerinnen und Bürger in der EU müssen mit höheren CO2-Preisen rechnen. Der dafür geschaffene Klimasozialfond reicht nicht aus, um diese Belastung auszugleichen. Der Klimaschutz der EU hat eine unsoziale Schlagseite." 

Besonders wichtig: die Einnahmen aus dem neuen EU-Klimapaket müssen in klimarelevante Maßnahmen investiert werden.

Mit einem CO2-Preis alleine ließen sich noch keine Klimaziele erreichen, so Defour. Die 27 EU-Mitgliedsländer müssten nun ihre nationalen Klimapläne schärfen und vorantreiben: "Der ETS ist nur ein Instrument, das Ihnen hilft.”