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Die EU will in der Ukraine Reformen sehen

Roman Goncharenko12. Dezember 2014

Kurz vor der Weihnachtspause betreiben die Ukraine und die EU intensive Diplomatie. Die ukrainische Regierung reist nach Brüssel, der EU-Außenbeauftrage besucht Kiew. Es geht um Geld für Reformen.

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Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk (Foto: REUTERS/Valentyn Ogirenko )
Bild: Reuters/V. Ogirenko

Die Staatskasse ist leer, ein starker Nachbar soll das Land vor dem Bankrott retten. Das ist der Zustand der Ukraine Mitte Dezember 2013, als der damalige Präsident Viktor Janukowitsch nach Moskau reist. Sein russischer Kollege Wladimir Putin gewährt der Ukraine einen Kredit in Höhe von 15 Milliarden US-Dollar. Ein Jahr später sucht die Ukraine wieder Hilfe im Ausland, diesmal in Europa. Wenn Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am Montag nach Brüssel reist, dürfte es in erster Linie um das Thema Geld gehen.

Anlass für den Besuch ist das erste Treffen des Assoziierungsrates. Das neue Organ soll die Umsetzung des im Sommer unterzeichneten Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der Europäischen Union begleiten. Der Kern des Abkommens, eine Freihandelszone, wurde jedoch vor dem Hintergrund heftiger Kritik aus Russland bis Ende 2015 auf Eis gelegt.

Verständnis und Enttäuschung in Brüssel

Der Finanzbedarf der vom Krieg gegen die prorussischen Separatisten schwer angeschlagenen Ukraine ist inzwischen um fast das Doppelte gewachsen. Das Land brauche im kommenden Jahr zusätzlich zu dem bereits laufenden Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) rund 15 Milliarden US-Dollar, sagte Jazenjuk bei der Vorstellung seines Regierungsprogramms am vergangenen Donnerstag im Parlament. Er bezog sich dabei auf Schätzungen der "Financial Times". Vom IWF soll die Ukraine insgesamt 16,7 Milliarden US-Dollar bekommen, ein Viertel der Summe wurde bereits überwiesen.

Die Ukraine sei nicht in der Lage, alleine den Staatsbankrott zu verhindern, so Jazenjuk: "Ohne die Hilfe unserer internationaler Partner ist es praktisch unmöglich." Das fehlende Geld will die Regierung bei einer Geberkonferenz sammeln. Eine solche Konferenz ist seit Monaten im Gespräch, ein genauer Termin steht aber noch nicht fest. Beobachter vermuten, dass westliche Regierungen zunächst die vorgezogenen Wahlen und die Regierungsbildung abwarten wollten. Dieser Prozess wurde erst Anfang Dezember abgeschlossen.

Daniel Gros (Foto: Bernd Riegert, DW)
"Die EU ist von der Ukraine enttäuscht", sagt Daniel GrosBild: DW/B. Riegert

In Brüssel habe man Verständnis für die schwierige Lage der Ukraine, sagte der DW Daniel Gros, Direktor des Brüsseler Zentrums für europäische politische Studien (CEPS). "Kiew hat das große Problem, dass es nicht gleichzeitig eine große Armee aufbauen, die Volkswirtschaft reformieren und die Bevölkerung bei der Stange halten kann", meint der Experte. Und doch sei Brüssel "eher enttäuscht". "Man hat noch keine wirkliche Umsetzung der Reformen gesehen", so Gros. "Das betrifft nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Polizei und die Justiz." Die EU wolle "tiefgreifende Reformen auf diesen Gebieten sehen".

Mit ausgestreckter Hand und Reformprogramm

Der ukrainische Ministerpräsident weiß offenbar über diese Skepsis Bescheid. Ausländische Hilfe für die Ukraine sei ohne Reformen nicht möglich, sagte er. Nach Brüssel kommt Jazenjuk deshalb nicht nur mit einer ausgestreckten Hand. In der anderen Hand trägt er einen Koffer voller Reformpläne. Der ukrainische Staat will seine Ausgaben drastisch kürzen und Subventionen streichen. Tarife für Strom, Wasser, Gas und Heizung für private Haushalte steigen bereits um das Zwei- bis Dreifache. Das Renteneintrittsalter könnte von derzeit 60 auf 63 Jahre angehoben werden. Die kostenlose medizinische Versorgung wird durch ein Versicherungssystem ersetzt. Auch Subventionen für Geringverdiener sollen gekürzt oder gestrichen werden.

Die Europäische Union hat der Ukraine im März ein Hilfspaket in Höhe von rund elf Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Angekommen ist bisher nur ein Bruchteil dieser Summe. Weitere Zahlungen macht Brüssel von Reformen abhängig.

Soll die EU bedürftige Ukrainer direkt finanzieren?

Dabei dürfte ein Löwenanteil der ausländischen Hilfe für die Ukraine wieder ins Ausland fließen. Allein in diesem Jahr habe die Ukraine "14 Milliarden US-Dollar an Schulden und Krediten zurückgezahlt", sagte der Ministerpräsident Jazenjuk im Parlament. Daniel Gros findet das falsch. Die Ukraine solle lieber über eine weitere Verschiebung der Schuldzahlungen verhandeln.

Von den mehr als zehn Milliarden Euro aus dem versprochenen EU-Topf würden weniger als 100 Millionen, und damit rund ein Prozent, für humanitäre Hilfe und wirtschaftlichen Aufbau ausgegeben, schreibt Gros zusammen mit seinem Kollegen Steven Blockmans in einem Analysepapier. Vor dem Hintergrund der grassierenden Korruption seien solche Hilfsprogramme "ein Tropfen im Ozean".

Präsident Poroschenko spricht im Parlament (Foto: REUTERS/Valentyn Ogirenko )
Der ukrainische Präsident Poroschenko hofft auf Hilfe aus dem AuslandBild: Reuters/Valentyn Ogirenko

Der Experte empfiehlt der EU, in der Ukraine einen ungewöhnlichen Weg zu gehen. Statt Geld wie immer an die Regierung nach Kiew zu überweisen, solle die EU in der ukrainischen Provinz viele kleine Büros aufmachen und Geld direkt an Bedürftige auszahlen. "Zum Beispiel an die Rentner oder ärmere Haushalte, die jetzt eine zu große Rechnung für die Heizung haben", sagt Gros.

Diplomatische Offensive vor Jahresende

Wenn es um neue Kredite geht, dürfte der ukrainische Ministerpräsident Jazenjuk bei seinem Besuch in Brüssel die europäischen Geldgeber mit neuen Personalien zu überzeugen versuchen. Drei Mitglieder in seinem Kabinett, darunter die in den USA geborene Finanzministerin Natalia Jaresko und der aus Litauen stammende Wirtschaftsminister Ajwaras Abromawitschus, kommen aus dem Ausland. Das solle unter anderem helfen, die Korruption zu bekämpfen, hofft man in Kiew.

Der Besuch von Jazenjuk in Brüssel eröffnet eine besonders intensive Woche in den Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU. Am Dienstag reist die EU-Außenbeauftrage Federica Mogherini nach Kiew. Am Donnerstag und Freitag könnte laut ukrainischen Medienberichten der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nach Brüssel kommen, um an dem EU-Gipfel teilzunehmen. Auch bei diesem Besuch dürfte es ums Geld gehen.