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PolitikSerbien

EU-Erweiterung: Standpauke für Serbien und Kosovo

22. Mai 2023

Die EU will die Beitrittsverfahren mit den sechs Westbalkan-Staaten beschleunigen. Doch es gibt erhebliche Hindernisse: Langsame Reformen, alte Feindschaften und eine zögerliche EU. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Treffen der EU-Außenminister in Brüssel
Die glorreichen Sieben? Zwei Ministerinnen und vier Minister vom Westbalkan mit Josep Borrell (Mi.)Bild: Virginia Mayo/AP Photo/picture alliance

Die Außenministerinnen und Außenminister der Europäischen Union laden die sechs Amtskollegen und -kolleginnen aus den Westbalkanstaaten regelmäßig zu einem informellen Mittagessen ein. Das Thema ist immer das gleiche: Wie können die Beitrittsverfahren, die teilweise schon seit Jahrzehnten laufen, beschleunigt werden?

Das Mittagessen an diesem Montag stand ebenfalls unter diesem Motto und war wichtig für eine ernsthafte Bestandsaufnahme - insbesondere vor dem Hintergrund des Gipfeltreffen der EU mit ihren Beitrittskandidaten und Ländern in der Nachbarschaft, der sogenannten Europäischen Politischen Gemeinschaft, nächste Woche in Moldau. "Vielleicht sollten wir das noch öfter machen", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und holte dann zu einer Standpauke aus, die besonders auf Serbien und Kosovo gemünzt war.

Pro-russische Haltung schließt Mitgliedschaft aus

Dem serbischen Außenminister Ivica Dacic schärfte Borrell ein, dass enge Beziehungen zu Russland nicht mehr mit einer Mitgliedschaft zusammenpassten. Russland, das Krieg gegen die Ukraine führt, wird von der EU mit schweren Sanktionen belegt, die von Serbien aber nicht mitgetragen werden. "Sie schaden ihren eigenen nationalen Interessen, aber die Haltung ist sicherlich nicht im Einvernehmen mit dem Erweiterungsprozess", mahnte Josep Borrell. "Enge Beziehungen zu Russland gehen nicht mehr, und das gilt nicht nur für Serbien allein."

Josep Borrell begrüßt den serbischen Vertreter Ivica Dacic in Brüssel
Strenge Worte, aber herzliche Umarmung: Josep Borrell begrüßt den serbischen Vertreter Ivica Dacic in BrüsselBild: Virginia Mayo/AP Photo/picture alliance

Mit Serbien, Montenegro, Albanien und Nordmazedonien führt die EU Beitrittsverhandlungen. Bosnien-Herzegowina ist ein Kandidat für Verhandlungen, gilt aber immer noch als instabil. Kosovo, das weder von Serbien noch allen EU-Mitgliedsstaaten als eigenständiger Staat anerkannt wird, ist lediglich ein potenzieller Beitrittskandidat. Für einige von ihnen stünden "strategische" Entscheidungen durch die EU an, kündigte Josep Borrell an, aber eben nur für die, die die Politik gegen die russische Aggression mittragen.

Endlich "Freunde und Partner" werden

Der Konflikt zwischen Serbien und dessen früherer Provinz Kosovo ist in den letzten Monaten immer wieder eskaliert und blockiert nach Auffassung von Borrell jeglichen Fortschritt bei den Beitrittsverhandlungen. Die EU-Staaten hätten wenig Lust, Staaten aufzunehmen, die ihre Konflikte untereinander nicht lösen können, heißt es von EU-Diplomaten in Brüssel.

Er habe es den beiden Kontrahenten noch einmal erklärt, sagte Borrell: "Staaten, die in der Vergangenheit miteinander gekämpft haben, müssen nicht nur Nachbarn werden, sondern Freunde und Partner. Es geht um das Zusammenleben." Deshalb müssten Belgrad und Pristina, das von der EU vermittelte Abkommen zur Beilegung der jüngsten Streitigkeiten endlich umsetzen. Destruktive Provokationen von beiden Seiten müssten aufhören.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj empfängt die moldauische Präsidentin Maia Sandu
Die beiden sind schneller aus tragischem Grund: Maia Sandu (Moldau) und Wolodymyr Selenskyj (Ukraine)Bild: Ukrainian Presidential Press Service/Handout/REUTERS

Von der Ukraine lernen?

Beim Gipfel nächste Woche werden auch die jüngsten Beitrittskandidaten Ukraine und die Republik Moldau vertreten sein, die wegen des russischen Angriffskrieges im vergangenen Jahr in Rekordzeit den begehrten Status erhielten. Die Regierungen in Kiew und Chisinau hoffen, dass noch im laufenden Jahr offizielle Verhandlungen zum Beitritt aufgenommen werden. Dann hätten die Ukraine und Moldau den Prozess in 20 Monaten geschafft,  für den Staaten auf dem Balkan fast 20 Jahre gebraucht hätten, so EU-Diplomaten in Brüssel.

Das könne auch zu einem gewissen Neid oder Konkurrenzverhalten bei den Beitrittsländern führen. Die EU-Kommission bescheinigt in ihren Gutachten der Ukraine und Moldau enorme Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption und bei rechtsstaatlichen Reformen. Auf dem Balkan scheint das alles wesentlich länger zu dauern. "Die Ukraine geht voran, die übrigen müssen diesem Pfad folgen und die Chance nutzen", hob der EU-Außenbeauftragte hervor.

Auf Patrouille mit der KFOR

Bundeskanzler Olaf Scholz machte sich bei seiner Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg Anfang Mai für eine Beschleunigung der Verfahren stark. Es könne nicht sein, dass das alles fast 20 Jahre dauere. Das habe auch mit der Glaubwürdigkeit von EU-Versprechen zu tun. Außerdem müsse sich die EU selbst reformieren, um überhaupt aufnahmefähig zu werden.

 

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union