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PolitikEuropa

EuGH rüffelt Orbans Attacke auf Soros

6. Oktober 2020

Niederlage für Ungarns Premier Orban. Die Vertreibung der "Soros"-Universität aus Budapest war nicht rechtmäßig, urteilen die Luxemburger Richter. Bernd Riegert berichtet.

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Luxemburg | Europäischer Gerichtshof: EuGH-Urteil zum ungarischen NGO-Gesetz
Bild: picture-alliance/dpa/A. Immanuel Bänsch

Das höchste Gericht in der Europäischen Union bescheinigt der ungarischen Regierung bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr, ausländische Organisationen und insbesondere die Stiftung und "Zentraleuropäische Universität" des amerikanischen Milliardärs George Soros zu drangsalieren. Im Juni kippte der Gerichtshof der EU das ungarische Gesetz zur Regulierung von Nicht-Regierungsorganisationen (NGO), das auf eine Stiftung von George Soros zielte. Nun erklärte er das Gesetz zur Regulierung ausländischer Hochschulen für nichtig. Der EuGH bescheinigte dem ungarischen Staat, dass das Hochschulgesetz sowohl gegen EU-Verträge, die Grundrechte-Charta der EU als auch gegen Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO) verstößt. 

2017 hatte das ungarische Parlament ein Gesetz beschlossen, das für die Vergabe von höheren Bildungsabschlüssen einen Vertrag zwischen Ungarn und dem Sitzland der ausländischen Universität vorschreibt. Außerdem müsse die fragliche Universität auch in ihrem Herkunftsland Studiengänge anbieten. Beide Bestimmungen benachteiligen nach Auffassung der Richter in Luxemburg die ausländische Universität gegenüber ungarischen Anbietern. Freiheit von Forschung und Lehre, Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit seien nicht gewährleistet.

Ungarn Budapest | Viktor Orban Winkt Parteimitgliedern und Sympathisanten nach Ansprache zu
Viktor Orban bekämpft George Soros seit Jahren (Archivbild)Bild: Getty Images/AFP/A. Kisbenedek

Soros ist Orbans Feindbild Nummer eins

Die Europäische Kommission hatte 2018 gegen die ungarischen Gesetze Klage eingereicht. Da die "Zentraleuropäische Universität" mit ihren 17.000 Studenten die einzige ausländische Privatuni in Ungarn war, die die Auflagen nicht erfüllte, war das Gesetz ganz eindeutig gegen den Gründer und Sponsor der Universität, George Soros, gerichtet. Mit ihren liberalen Lehrangeboten und einem aus vielen Exil-Ungarn bestehenden Lehrkörper war die sogenannte "Soros-Uni" dem nationalkonservativen Premierminister Viktor Orban schon lange ein Dorn im Auge.

Orban hat eine Art Verschwörungstheorie rund um George Soros entwickelt, einen aus Ungarn stammenden Amerikaner jüdischen Glaubens. Dem gerade 90 Jahre alt gewordenem Milliardär und Mäzen unterstellt Orban, eine Art Weltherrschaft der Liberalen errichten und die ungarischen Christen gegen moslemische Einwanderer austauschen zu wollen. In diesen Topf warf Orban unlängst in einem Zeitungsartikel auch die Europäische Union, die nach seiner Auffassung eng mit George Soros zusammenarbeitet. Im Europawahlkampf 2019 ließ Viktor Orban auch Plakate kleben, die Soros und den damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zeigten. Orban warf Soros mit antisemitischen Untertönen vor, der US-Milliardär wolle die ungarische Nation unterwandern. Ungarische Medien, die inzwischen fast alle auf Regierungslinie gebracht wurden, bezeichnen die "Zentraleuropäische Universität" oft als "liberal-extremistischen Wachposten" oder als Kaderschmiede für "Soros-Söldner"

Kampagne der Fidesz-Regierung gegen die Europäische Union
Gegen die EU und Soros: Plakatkampagne in Ungarn 2019Bild: Martin Fejer/est&ost/Joker/picture-alliance

Uni hat Budapest verlassen

Die Universität versuchte, die Bedingungen aus dem ungarischen Hochschulgesetz zu erfüllen und vereinbarte mit dem Bard-College im US-Bundesstaat New York ein Kooperationsabkommen. New York wäre auch bereit gewesen, mit Ungarn einen bilateralen Vertrag über die Anerkennung von Bildungsabschlüssen zu unterzeichnen. Der ungarische Premier lehnte das aber ab. Nach einigem taktischen Hin und Her entschied die Universität, ihren Sitz und den Lehrbetrieb vom Herbst 2019 an nach Wien zu verlegen. Der Umzug soll in diesem Herbst abgeschlossen werden.

Das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union ist ein weiterer schmerzlicher Rüffel für den ungarischen Premier. Was praktisch daraus folgt, ist noch unklar. Ob die Universität des Mäzen Soros ihren Umzug wieder rückgängig macht oder Schadenersatzansprüche gegen den ungarischen Staat in einem Zivilprozess geltend macht, ist offen.

Ungarn Proteste in Budapest
Proteste gegen die Schließung der Zentraleuropäischen Universität in Budapest 2018Bild: Imago/ZUMA Press/O. Marques

Orban war einst Soros-Stipendiat

Ironie der Geschichte: Viktor Orban studierte 1989, damals noch als liberaler Oppositioneller, in Oxford mit einem Stipendium von George Soros. Soros unterstützte die damals noch liberale "Fidesz"-Partei, die Orban mittlerweile zu einer rechtsnationalistischen Bewegung umgebaut hat. 2016 verlangte Orban, man müsse Soros und die Mächte, für die er stehe, aus Ungarn vertreiben. George Soros glaubt, dassOrban ihn als Sündenbock benutzt, um innenpolitisch zu punkten. "Er ist ein ehrgeiziger Mann", sagte Soros über Orban in der New York Times 2019. "Auf dem Weg zur Machtsicherung hat er ein System von Korruption entwickelt, um sich und seine Assistenten zu bereichern." Ähnliche Vorwürfe erhob in dieser Woche die Europa-Abgeordnete und frühere Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union