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PolitikEuropa

EU: Von der Leyen soll bleiben, mehr Hilfe für Ukraine

27. Juni 2024

Die EU unterschreibt ein Sicherheitsabkommen mit der Ukraine und vergibt Spitzenpositionen. Ursula von der Leyen soll Kommissionschefin bleiben. Vom Gipfeltreffen in Brüssel berichtet Bernd Riegert.

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EU-Ratspräsident Charles Michel, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
Ursula von der Leyen, hier bei der Unterzeichung des EU-Sicherheitsabkommens für die Ukraine mit Ratspräsident Charles Michel (l.) und Staatschef Wolodymyr Selenskyj, soll Kommissionschefin bleibenBild: Olivier Hoslet/AP/picture alliance

Zum Auftakt des Gipfeltreffens in Brüssel haben die Europäische Union und die Ukraine ein Sicherheitsabkommen geschlossen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnete das Beistandsabkommen, dass politische, finanzielle und militärische Hilfe für die nächsten zehn Jahre zusagt.

Ähnliche Abkommen hat die Ukraine bereits mit 17 Staaten bilateral geschlossen, darunter mit Deutschland, Frankreich und den USA. Selenskyj dankte den versammelten Staats- und Regierungschefs der EU für die Unterstützung in den vergangenen zweieinhalb Jahren seit Beginn des russischen Angriffs.

Die EU ihrerseits erneuerte das Versprechen, der Ukraine zu helfen, solange es nötig sei. Gleichzeitig sollen die Beitrittsgespräche mit Kiew, die am Dienstag begonnen haben, zügig vorangetrieben werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte der Ukraine weitere Unterstützung und "Solidarität in schwieriger Zeit" zu. Er verlangte aber auch, dass sich die EU mit der Lastenverteilung bei der Unterbringung ukrainischer Kriegsflüchtlinge befassen müsse.

Polen, Tschechien, Deutschland und einige andere Länder würden finanzielle Beiträge der übrigen EU-Staaten erwarten, da die Mehrheit der Flüchtlinge in wenigen Ländern konzentriert sei.

Belgien I Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Brüssel. Bundeskanzler Olaf Scholz spricht in ausgestreckte Mikrofone
Mikrofon-Angeln nach dem Kanzler: Olaf Scholz stimmt für von der LeyenBild: Yves Herman/REUTERS

Die Mannschaft für die nächsten fünf Jahre

Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs- und -chefinnen beschäftigten sich außerdem mit Personalentscheidungen, die nach den Europawahlen von Anfang Juni anstanden.

Wie erwartet soll die bisherige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt werden. Dazu ist nach der Nominierung durch den Gipfel die Zustimmung des EU-Parlaments nötig.

Die estnische Regierungschefin Kaja Kallas soll zur neuen Hohen Beauftragten der EU für Außenpolitik ernannt werden, also einer Art Außenministerin. Der ehemalige portugiesische Regierungschef Antonio Costa wird neuer Präsident des Europäischen Rates und erhält damit das dritte Spitzenamt.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni übte Kritik an der Entscheidungsfindung. Sie wandte ein, die rechtsnationalen Parteien, die sie vertritt, hätten mehr eingebunden werden müssen.

Für die Entscheidung der Mitgliedsstaaten zum Personal ist keine Einstimmigkeit nötig. Es reicht eine Mehrheit aus 20 Staaten, die für 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen.

Europawahl 2024 | Porträtaufnahme von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor EU Fahne
Noch eine Amtszeit? Kommissionspräsidentin Von der Leyen will angefangene Projekt zu Ende bringenBild: Jakub Porzycki/NurPhoto/picture alliance

Neue alte Kommissionspräsidentin

Kommissionspräsidentin von der Leyen (65) hat sich in Brüssel den Ruf einer strengen Chefin erarbeitet. Die deutsche Christdemokratin hatte mit der Corona-Pandemie, dem Brexit und dem Krieg Russlands gegen die Ukraine Herausforderungen zu bestehen, wie noch kein Kommissionschef vor ihr.

Die klimapolitischen Ziele, der "Green Deal" zum Umbau der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität, gerieten dadurch etwas in den Hintergrund.

Der Kommissionspräsidentin gelang es, sich eine nicht besonders große Mehrheit von Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen im Europäischen Parlament zu sichern. Ihre Wiederwahl wird in der dritten Juli-Woche erwartet.

Für Irritation sorgte Ursula von der Leyen, weil sie es nicht ausschloss, mit der rechtsnationalen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zusammenzuarbeiten, um wiedergewählt zu werden. "Sie eine eine gute Europäerin", so von der Leyen über Meloni.

Der Umgang mit der stärker werdenden extremen Rechten in Europa wird eine der künftigen Herausforderungen. Im Zentrum bleiben aber für sie die Hilfe für die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland und die Beitrittsverhandlungen mit Kiew.

Porträtaufnahme von Kaja Kallas, Ministerpräsidentin von Estland und künftige EU-Außenbeauftragte. Kallas nahm an der Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine in Berlin teil
Soll die neue Außenbeauftragte der EU sein: Kaja Kallas will Russland klare Kante zeigenBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

"Eiserne Lady" wird Chefdiplomatin

Die aller Voraussicht nach neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas (47) wird sich hauptsächlich mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine beschäftigen müssen. Seit 2021 amtiert die Liberale als erste Ministerpräsidentin Estlands.

Sie war eine der Ersten, die der Ukraine Waffen lieferte, schon bevor Russland seinen Angriff im Februar 2022 startete. Ihr Motto: Russland gegenüber dürfe man nicht nachgeben.

Kallas wurde geprägt vom Trauma der sowjetischen Besatzung des Baltikums, aber auch von dem großen Moment als Estland, Lettland und Litauen Anfang der 1990er Jahre ihre Freiheit wieder erlangten.

Die Tochter des ehemaligen estnischen Ministerpräsidenten und EU-Kommissars Siim Kallas war selbst Europaabgeordnete, bevor sie in Estland Karriere machte.

Mit klaren knappen Sätzen und einer gewissen nordischen Kühle macht Kaja Kallas klar, was sie denkt, und wie sie handeln will, vor allem gegenüber Russlands Machthaber Putin. In Brüssel gilt sie deshalb als außenpolitischer Falke.

Im Bewerbungsprozess um den Posten als EU-Chefdiplomatin musste Kallas zusagen, sich auch um andere Konfliktherde im Süden und Südosten Europas zu kümmern. Die britische Zeitschrift "The New Statesman" bezeichnete die studierte Anwältin als "Eiserne Lady Estlands".

Portugals ehemaliger Premier Antonio Costa Portugal
Optimismus ist sein Markenzeichen: Antonio Costa will Interessen im Europäischen Rat zusammenführenBild: Lev Radin/picture alliance

"Ghandi von Lissabon" führt den Rat

Antonio Costa (62) ist nach einem Karriereknick wieder obenauf. Der Sozialist war im November 2023 von seinem Amt als Ministerpräsident Portugals nach acht Jahren zurückgetreten.

Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wegen angeblicher Korruption erwiesen sich als falsch. Sie gingen auf eine Verwechslung von Namen in einem abgehörten Telefongespräch zurück. Allerdings verlor Costa die vorgezogenen Neuwahlen und musste sein Amt an einen konservativen Politiker abgeben.

Dennoch blieb Antonio Costa zuversichtlich, sagen Vertraute. Eigentlich so wie immer, denn der gelernte Anwalt gilt als unerschütterlicher Optimist. Das Amt als Chef des Europäischen Rates sieht Costa als Krönung seiner langen politischen Karriere an.

Krisenmanagement und Kompromisssuche kann er, schließlich führte er Portugal nach 2015 aus einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise heraus. Zeitweise musste Portugal auf Rettungsgelder der EU zurückgreifen. Costa gelang es, den fiskalischen Sparkurs für die Portugiesen einigermaßen erträglich zu gestalten.

Costa fährt auf dem Ticket für die südlichen EU-Länder, die bei der Postenvergabe berücksichtigt werden mussten. Und er macht das Spitzenpersonal auch diverser.

Seine Vorfahren väterlicherseits stammen aus Indien, genauer aus der ehemaligen portugiesischen Kolonie Goa. Seine Herkunft, sein bescheidendes Auftreten und enger Kontakt zu einfachen Arbeitnehmern als Bürgermeister der Hauptstadt von 2007 bis 2015 brachten ihm in Portugal auch den Spitznamen "Ghandi von Lissabon" ein.

Das vierte Amt, das Teil des Gesamtpaketes war, um Ansprüche der Christdemokraten aus kleinen EU-Ländern zu befriedigen, ist das der EU-Parlamentspräsidentin.

Roberta Metsola aus Malta soll nach Absprachen der christdemokratischen, sozialistischen und liberalen Fraktionen weiter im Amt bleiben. Gewählt wird sie allerdings ausschließlich vom Europäischen Parlament, nicht von der Gipfelrunde.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union