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EU gegen Steuervorteile für Großunternehmen

Barbara Wesel 20. Oktober 2015

Brüssel geht gegen zwei Unternehmen vor, denen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln durch Steuerabsprachen vorgeworfen wird. Sie sollen zu Nachzahlungen in Millionenhöhe verpflichtet werden. Ist das nur der Auftakt?

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Symbolbild Steuerflucht
Bild: picture alliance/blickwinkel

Die ersten beiden Fälle sind ein juristischer Testballon: Der italienische Autohersteller Fiat und die international agierende Kaffeehauskette Starbucks erhalten heute Post von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Sie wird beiden Unternehmen mitteilen, dass ihre Steuerarrangements mit Luxemburg beziehungsweise den Niederlanden von der Behörde als unzulässige Staatsbeihilfen bewertet werden. Die EU-Kommission als Hüterin der europäischen Regeln, so das rechtliche Argument, muss für fairen Wettbewerb sorgen. Der findet aber dort nicht statt, wo einige Unternehmen von Sondervereinbarungen für besonders vorteilhafte Steuerdeals profitieren, die es für ihre Mitbewerber nicht gibt.

Nur die Spitze des Eisbergs

Die EU Kommission hatte zunächst damit begonnen, sechs solcher Fälle von Steuerabsprachen zu untersuchen. Dahinter aber stehen hunderte weitere Firmen, die ähnliche Bescheide zu erwarten haben. Es geht dabei um sogenannte Steuervorabbescheide, die von Luxemburg, den Niederlanden und Irland erteilt wurden. Diese "tax rulings" sind an sich legal, haben Großkonzernen aber jahrelang dazu verholfen, über ihre Tochterfirmen in einigen europäischen "Steuerparadiesen" besonders wenig Unternehmenssteuern zu zahlen.

Als "aggressive Steuervermeidung" wurde diese Praxis kritisiert, als sie im Winter vergangenen Jahres durch die Veröffentlichung geheimer Steuerunterlagen, die sogenannten LuxLeaks, öffentlich geworden war. Seitdem hat die EU-Kommission alle Mitgliedsländer aufgefordert, ihre Steuervorbescheide in Brüssel vorzulegen.

Jean Claude Juncker Präsident Europäische Kommission Brüssel Belgien
Jean-Claude Juncker will als luxemburgischer Premier nicht verantwortlich gewesen seinBild: picture-alliance/dpa/O.Hoslet

Es geht um Millionenforderungen

Im Fall Starbucks ist der Umfang überschaubar: Die Kaffeekette soll über ihre niederländische Tochter Starbucks Manufacturing nur 2,5 Prozent statt der offiziellen Rate von 25 Prozent Unternehmenssteuer gezahlt haben. Die Nachzahlung soll ungefähr 30 Millionen Euro betragen. Im Fall Fiat dürfte die Summe deutlich höher liegen: Der Vorwurf lautet, dass der Konzernzweig Fiat Chrysler Finance Europe in Luxemburg effektiv nur ein Prozent Steuer gezahlt haben soll, die volle Rate würde bei 29 Prozent liegen. Mit Spannung warten Beobachter jetzt auf die nächsten großen Brocken. Die Wettbewerbskommissarin hat auch die Steuerbescheide von Versandhändler Amazon und Computerriesen Apple untersucht. Bei beiden dürfte es um deutlich mehr Geld gehen.

Neue Regeln sollen Steuervermeidung offen legen

Seit Anfang des Monats gibt es neue Regeln: Die EU Finanzminister haben als Antwort auf den LuxLeak-Skandal den automatischen Austausch von Steuerinformationen beschlossen. Damit soll die Besteuerung von Großkonzernen offen gelegt und der Wettbewerb um den billigsten Steuersitz unterbunden werden.

Luxemburg Fahne Stadt Stadtansicht Referendum
Das Großherzogtum Luxemburg hat massenhaft "tax rulings" für Konzerne erteiltBild: picture-alliance/chromorange

Der Europaabgeordnete Sven Giegold von den Grünen ist einer der Vorkämpfer für Steuergerechtigkeit bei Großkonzernen: "Es geht um Fairness und Gleichheit im Wettbewerb. Es kann nicht sein, dass einige Unternehmen sich beim Steuerzahlen einen schlanken Fuß machen, da muss die EU-Kommission für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen." Selbst wenn wie im Falle Starbucks eine Nachzahlung von 30 Millionen Euro relativ gering erscheint - es gehe um viel Geld, wenn man an die juristischen Konsequenzen für die Vielzahl von betroffenen Unternehmen denke, sagt Giegold.

Allerdings erwartet er, dass die Firmen gegen die Bescheide aus Brüssel vor Gericht ziehen, und jahrelange Rechtsstreitigkeiten folgen werden. Und außerdem fordert er, dass die Nachzahlungen künftig in den europäischen Haushalt fließen sollen: "Das ist doch eine absurde Situation, dass die Länder, die bei der Steuervermeidung mitgespeilt haben, am Ende auch noch selbst davon profitieren sollen."

Affäre nicht beendet

Giegold verlangt gemeinsam mit anderen Parlamentariern, dass das Mandat des Untersuchungsausschusses verlängert werden solle, das Ende November ausläuft. "Wir arbeiten noch an dem Bericht, den wir für einen Zwischenbericht halten". Bei seiner Anhörung vor dem Ausschuss hatte sich der frühere luxemburgische Ministerpräsident und heutige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker jede Verantwortung von sich gewiesen. Erst jetzt erhalte der Ausschuss Zugang zu steuerpolitischen Dokumenten, die ein Licht auf die Steuervermeidungssysteme in einige Mitgliedsländern werfen könnten. Die Aufklärungsarbeit müsse unbedingt weiter gehen, so fordert der Grünen Abgeordnete.