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Singen für die Impfstoff-Finanzierung

Nicolas Martin
27. Juni 2020

Die EU-Kommission und Global Citizen veranstalten am Samstag ein Spendenkonzert. Es geht um Gelder für einen Corona-Impfstoff. Weltweit kämpfen derzeit Konzerne um Aufmerksamkeit und Finanzierung.

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Coldplay - hier bei einem Global Citizen-Konzern 2017 in Hamburtg - wird auch dieses Mal dabei sein
Coldplay - hier bei einem Global Citizen Konzert 2017 in Hamburg - wird auch dieses Mal dabei seinBild: picture-alliance/AP Images/J. Meyer

Alexander Ginzburg hat sich auf kuriose Art und Weise Bekanntheit verschafft: So verkündetet der Direktor des russischen Gamalaja-Instituts für Epidemiologie und Mikrobiologie, dass er einen Corona-Impfstoff bereits an sich und seinen Kollegen getestet habe. Dabei sei es laut Ginzburg vor allem um "Selbstschutz" gegangen, "damit wir weiterarbeiten können". Eine Studie zum Vakzin hat das Institut noch nicht vorgelegt, dennoch will Russland im Herbst den Impfstoff in großen Mengen produzieren. An Optimismus mangelt es in der internationalen Forschungslandschaft und Pharmawelt derzeit nicht. Etliche Unternehmen überbieten sich mit Plänen für ihre Impfstoffe. Wohl auch, um sich Gehör zu verschaffen für den internationalen Geldregen von Staaten und Organisationen.

An diesem Wochenende will EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will mit Stars wie Justin Bieber, Coldplay, Usher und Shakira für weitere Spenden werben. Beim ersten Spendengipfel Anfang Mai waren bereits 7,5 Milliarden Euro zusammengekommen. Diesmal wird es keine staubige Videokonferenz, sondern eine bunte Show mit weltweiter Ausstrahlung. "Wir sind an einem guten Punkt", sagt Ilona Kickbusch. Die Gesundheitsexpertin hat vor 30 Jahren bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) begonnen, heute unterrichtet sie am Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung in Genf. In ihrer Laufbahn hat sie so etwas noch nicht erlebt: "Das ist eine Revolution. Es ist ein Wille da, der vorher noch nie so vorhanden war", sagt Kickbusch im DW-Gespräch.

Gesundheitsexpertin Ilona Kickbusch
Gesundheitsexpertin Ilona KickbuschBild: Privat

Einigkeit und Nationalismen

Während bei Geberkonferenzen viel Einigkeit gezeigt wird, deutet sich am Beispiel des Unternehmens AstraZenca das Gegenteil an. Das britische Pharmaunternehmen hat einen aussichtsreichen Impfstoff-Kandidaten entwickelt. "Im September werden wir wissen, ob wir einen wirksamen Impfstoff haben oder nicht", sagte der Unternehmenschef Pascal Soriot dem Sender BBC. Doch schon jetzt haben sich die britische Regierung, die USA, die Impf-Allianz Gavi und ein Bündnis aus Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden viele Millionen Impfdosen gesichert. Doch wer bekommt sie als Erstes? Auch weil diese Frage weiter nicht geklärt ist, setzen die Regierungen weltweit auf mehrere Pferde.

Das sei die richtige Strategie, sagt der Pharmaexperte Alexander Nuyken im Gespräch mit der DW. "Es ist noch völlig unklar, wer das Rennen macht. Aus diesem Grund ist es gut, wenn staatliche Förderung breit gestreut wird", so Nuyken von der Beratungsfirma EY. Dort geht man davon aus, dass schätzungsweise 97 Prozent der insgesamt über 160 weltweiten Impfstoffprojekte es nicht bis zur Zulassung schaffen.

Alexander Nuyken, Pharmaexperte der Beratungsfirme EY
Alexander Nuyken, Pharmaexperte der Beratungsfirma EYBild: privat

USA und China mit harten Bandagen

In den USA hat das Impfstoff-Projekt schon militärische Züge. Unter der Leitung des Vier-Sterne-Generals Gustave Perna sollen zehn Milliarden Regierungs-Dollar dabei helfen, bis Januar genug Impfdosen zu sichern, um einmal die US-Bevölkerung durchzuimpfen. Neben AstraZenaca setzt Washington auf andere US-Pharmaunternehmen.

Deutschland geht sogar einen Schritt weiter und beteiligt sich direkt bei einem potenziellen Produzenten. Mit rund 300 Millionen Euro ist der Bund beim Biotechunternehmen Curevac eingestiegen. Damit wollte man wohl auch anderen zuvorkommen. Curevac forscht an genbasierten Impfstoffen und darf seit Kurzem auch an Menschen testen. Damit gehört das Unternehmen zu einem von insgesamt 16, die laut der Datenbank der WHO bereits so weit sind. Ganz vorne dabei ist AstraZenaca, das gemeinsam mit der Universität Oxford bereits eine Genehmigung für eine sogenannte Phase-III-Studie hat.  Doch auch etliche chinesische Unternehmen sind noch im Rennen. Dabei nimmt die Rivalität zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt immer mehr an Fahrt auf. Sowohl China aus auch den USA ist bewusst, dass ein Impfstoff über den wirtschaftlichen Neustart entscheidet. Sogar Spionage sei denkbar, um an Forschungsaktivitäten zu kommen, sagte David Fidler US-Denkfabrik Council on Foreign Relations gegenüber der DW.

Suche nach dem Impfstoff beim Biotech-Unternehmen Curevac in Tübingen
Suche nach dem Impfstoff beim Biotech-Unternehmen Curevac in Tübingen Bild: picture-alliance/dpa/S. Gollnow

Auch die Gesundheitsexpertin Ilona Kickbusch sieht in China und den USA bei der globalen Kooperation "unsichere Kandidaten". Ansonsten ist sie optimistisch: Europa und Länder mittlerer Größe hätten erkannt, "dass dieses Problem nur global angegangen werden kann". Kickbusch spielt dabei auf die Initiative "Act Accelerator" an. Unter dem Dach der WHO werden hier die 7,5 Milliarden des ersten Spendendgipfels verwaltet. Mehr als die Hälfte davon fließt in die Impfstoffentwicklung.

Spielt die Pharmaindustrie mit?

Auch die internationale Impf-Allianz Gavi konnte sich bei Regierungen und Organisationen rund um den Globus nochmals so viel Geld sichern. Gavi will vor allem der ärmeren Bevölkerung den Zugang zu Impfstoffen ermöglichen und hat mit der Plattform Covax auch einen Finanzierungsmechanismus für COVID-19-Impfungen entwickelt.

"Keiner weiß, ob er als Land oder Gruppe von Ländern tatsächlich derjenige ist, der den Sieg davonträgt", sagt Kickbusch. Beim Act Accelerator und Covax könne man nun die vielen Initiativen bündeln. Wie viel Interesse allerdings die Pharmakonzerne daran haben, ist fraglich. Denn zumindest beim "Act Accelerator" der WHO ist der Anspruch, dass Entwicklungen danach als "globales Gemeingut" gelten sollen. Demnach könnte das Patenrecht eines potenziellen Impfstoffes eingeschränkt sein. Das könnte die Pharmaunternehmen eher abschrecken.

Laut Alexander Nuyken von EY ist sich die Pharmabranche ihrer Verantwortung bewusst. "Alle Welt schaut auf die Industrie und wir sehen einen nie gekannten Einsatz." Dennoch müsse sich das am Ende für die Branche auch rentieren, so Nuyken. Zumal das finanzielle Risiko eben auch sehr groß sei, da etliche Unternehmen schon jetzt den Impfstoff produzierten, um ihn bei Freigabe "in der Breite in die Bevölkerung zu bringen". Deshalb seien weitere Fördergelder nötig. Mit einem Impfstoff bis Ende des Jahres rechnet Nuyken eher nicht. Und damit nicht genug: Denn ob es wirklich einen Impfstoff gibt, das sei noch immer nicht sicher, sagt Kickbusch. "Für HIV haben wir bis heute kein Vakzin."