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Politik

EU-Kommission will in Spanien nicht vermitteln

4. Oktober 2017

Im Europäischen Parlament forderte EU-Kommissar Timmermans Dialog zwischen Spanien und Katalonien. Eine eigene Vermittlerrolle sprach er nicht an. Die Katalanen verlangen sie. Aus Straßburg Bernd Riegert.

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Katalonien Europa Parlament
Katalanische Flagge im Europäischen Parlament: Bitte entfernen, verlangt der PräsidentBild: Reuters/Reuters TV

Spanische Europa-Abgeordnete lieferten sich noch vor der Debatte im Europäischen Parlament in Straßburg einen heftigen Streit. Die einen, die offenbar aus Katalonien stammten und für die Unabhängigkeit eintreten, zeigten die katalanische Flagge und trugen Plakate mit der Aufschrift "Demokratie ja, Gewalt nein". Andere Abgeordnete aus Spanien verlangten, dass die Flaggen entfernt werden und in der Aussprache im Plenarsaal nicht über Katalonien, sondern über Spanisch-Katalonien gesprochen werden müsse. Nach dem kurzen Vorgeplänkel forderte der Vizepräsident der EU-Kommission die spanische Regierung und die katalanische Regierung auf, sich an einen Tisch zu setzen. "Es ist Zeit miteinander zu sprechen", sagte Frans Timmermans.

Belgien Brüssel Frans Timmermans
Timmermans: Katalonien gefährdet die Rechtsstaatlichkeit SpaniensBild: Imago/ZUMA Press/W. Dabkowski

Eine mögliche Vermittlerrolle im Streit um die von der Regionalregierung angestrebte Unabhängigkeit sprach der EU-Kommissar allerdings nicht an. Nur die Redner der Grünen und der Linken forderten eine direkte Beteiligung der EU bei einem möglichen Dialog zwischen den Parteien. Frans Timmermans griff die katalanischen Politiker scharf an. "Sie können nicht einfach das Gesetz ignorieren", sagte er mit Blick auf das Referendum zur Unabhängigkeit vom vergangenen Sonntag. Die Abstimmung war nicht nur nach Ansicht der EU-Kommission, sondern auch nach Ansicht der großen Fraktionen im Europäischen Parlament schlicht illegal und damit wenig aussagekräftig. Der EU-Kommissar sagte, er werde immer dafür eintreten, dass die Verfassungen und der Staatsaufbau der Mitgliedsstaaten geschützt und respektiert würden, so wie das die Europäischen Verträge vorsehen. Der Konflikt, so Timmermans," ist ein innerspanischer Konflikt, der in Spanien im Rahmen der Verfassung gelöst werden muss.

"Katalanen wollen Europas Vermittlung"

Der katalanische Europa-Parlamentarier Jordi Sole sagte der DW, er erwarte, dass die EU-Kommission die Polizeigewalt vom Sonntag gegen friedliche Wähler in Katalonien verurteile. Diese Erwartung erfüllte Timmermans nicht. Er sprach lediglich davon, dass Gewalt nie ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein dürfe. Allerdings sei manchmal die Anwendung von Gewalt nötig, um das Recht auch durchzusetzen. Die grüne Abgeordnete Franziska Keller empörte sich, das Vorgehen der spanischen Polizei sei völlig unverhältnismäßig gewesen. Sie sei geschockt von der Gewalt und warf dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy vor, seine Politik sei gescheitert. Spanische Diplomaten im Europäischen Parlament in Straßburg widersprachen den Angaben, dass über 800 Menschen am Sonntag verletzt worden seien. Es habe nur zwei stationäre Behandlungen in Krankenhäusern gegeben. Die Zahlen seien von der katalanischen Regierung und den Medien aufgeblasen worden.

Europäisches Parlament Straßburg | Jordi Sole, Europaabgeordneter aus Katalonien
Sole: "Die Verfassung sollte kein Gefängnis sein"Bild: DW/B. Riegert

Der katalanische Europaabgeordnete Jordi Sole, der auch Bürgermeister der Stadt Caldes de Montbui ist, forderte die EU auf zu vermitteln. "Ich erwarte, dass die EU-Kommission Druck auf die spanische Regierung ausübt, um sich an den Verhandlungstisch zu setzen und sich mit den politischen Forderungen auseinander zu setzen, die aus Katalonien kommen. Wir suchen einen Vermittler außerhalb Kataloniens und Spaniens, der die spanische Regierung und die großen Parteien in Spanien davon überzeugt, dass man nur mit Polizei und Justiz die Demokratie in Katalonien nicht aufhalten kann." Vertreter der spanischen Zentralregierung, die in Straßburg im Parlament Pressevertreter trafen, fragten, was es denn zu vermitteln gebe. Die rechtlichen Fragen seien alle klar. Eine Vermittlung durch die EU lehnt auch der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy von der konservativen Volkspartei ab.

"Keine einseitige Unabhängigkeit Kataloniens"

Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Gianni Pittella, forderte die katalanische Führung inständig auf, die Unabhängigkeit nicht einseitig zu erklären und den Konflikt noch zu verschärfen. "Wir brauchen in Europa nicht noch mehr kleine Staaten und Zersplitterung, sondern wir müssen in der Europäischen Union, die Einheit aller Regionen und Staaten voranbringen." Der Abgeordnete Jordi Sole trat dafür ein, die Verfassung Spaniens zur Seite zu legen und politische Verhandlungen zu beginnen. "Die Verfassung sollte kein Gefängnis sein. Die Verfassung kann geändert werden, so wie das in vielen Ländern geschieht." Der konservative Fraktionschef Manfred Weber (CSU) hielt dagegen, dass die Verfassung eben nicht durch Massendemonstrationen und illegale Referenden, sondern nur durch demokratische Prozesse und Institutionen geändert werden könne.

Spanien Barcelona Streik für Unabhängigkeit
Demonstrationen nach dem Referendum in Barcelona: Wird die Unabhängigkeit ausgerufen?Bild: Getty Images/AFP/P.-P. Marcou

Verfassungsänderung durch alle spanischen Wähler

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, stimmte zu. Eine Verfassungsänderung, die zu einer Unabhängigkeit Kataloniens führen könnte, müsste eben von der Mehrheit der 46 Millionen Spanier gebilligt werden, nicht nur von den Katalanen. "Deshalb sollten sie den Pfad der Konfrontation verlassen", sagte Timmermans an die Katalanen gerichtet. Bislang habe die katalanische Regierung "unverantwortlich" gehandelt, legte der Abgeordnete Manfred Weber nach. Der spanische Abgeordnete Josep-Maria Terricabras widersprach: "Europa schaut weg, wenn Gewalt gegen Wähler angewendet wird." Der nationalkonservative Abgeordnete Ryszard Legatko aus Polen warf der EU-Kommission vor, sie messe mit zweierlei Maß. "Bei anderen Staaten sind Sie nicht so zimperlich." Polen droht wegen umstrittener Rechtsstaatlichkeit nach einer Justizreform ein Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge, das zu schweren Strafen führen kann.

Wie die EU reagieren würde, wenn die katalanische Regierung in der kommenden Woche tatsächlich einseitig die staatliche Unabhängigkeit ausruft, blieb nach der Debatte in Straßburg unklar. Ein spanischer Diplomat ließ in den Wandelgängen des Parlaments allerdings keinen Zweifel. "Für uns wäre das ein Staatsstreich." Die Autonomie Kataloniens könnte vom Zentralstaat aufgehoben werden. Das eigentliche Problem sei der verbohrte Präsident Kataloniens, Carles Puigdemont.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union