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PolitikEuropa

EU-Parlament debattiert Lage im Libanon

8. Oktober 2024

Bei einer Debatte im EU-Parlament wird deutlich, wie unterschiedlich die Abgeordneten auf den Nahost-Konflikt blicken. Doch was kann die EU überhaupt tun, um im Nahostkonflikt zu vermitteln?

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EU-Parlament | Debatte zum Nahen Osten | Josep Borrell
Der EU-Außenbeauftragte Josip Borrell dringt auf einen Waffenstillstand im Libanon. Bild: FREDERICK FLORIN/AFP

Die Lage im Libanon werde von Tag zu Tag schlimmer, mahnt Josep Borrell, der Hohe Außenbeauftragte der Europäischen Union, an diesem Dienstag im EU-Parlament in Straßburg. Insgesamt seien 20 Prozent der libanesischen Bevölkerung auf der Flucht, so der bald aus dem Amt scheidende EU-Spitzendiplomat. Es gebe bereits 2000 zivile Opfer; die Bombardierungen seien heftig und beträfen auch Stadtzentren.

Israel hat seit Ende September seine Angriffe gegen Ziele der islamistischen Hisbollah-Miliz im Libanon verstärkt. Das offizielle Ziel Israels ist es, den rund 60.000 evakuierten Israelis die Rückkehr in ihre Häuser im Norden des Landes zu ermöglichen. Diese hatten aus ihren Orten an der Grenze zum Libanon fliehen müssen, nachdem die Hisbollah nach dem 7. Oktober 2023 Israel mit Raketen und Granaten angegriffen hatte. Und zwar, wie sie selbst erklärte, aus "Solidarität" mit der Hamas, die von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Auch die Hisbollah gilt in Israel, den USA, Deutschland und in mehreren sunnitischen arabischen Staaten als Terrorgruppe.

Eskalation im Libanon: Israel offenbar vor Bodenoffensive

Im EU-Parlament warnte Josep Borrell unter dem Tagesordnungspunkt "Eskalation der Gewalt im Nahen Osten und die Lage im Libanon" davor, dass der Libanon ohne eine Aufstockung der UN-Kräfte im Land zu einem "zweiten Gazastreifen" werden könnte. Im Libanon sind seit 1978 UN-Truppen stationiert, die für Frieden zwischen Israel und dem Libanon sorgen sollen.

Die Sorge vor einem "zweiten Gaza" ist auch Thema in der anschließenden Debatte im EU-Parlament. Allerdings gehen die Vorstellungen der Abgeordneten darüber, was die EU in der Situation tun kann und soll, weit auseinander.

Assoziationsabkommen auf den Prüfstand? 

Und so wirkt es fast flehentlich, als die bulgarische Abgeordnete Elena Jontschewa von der liberalen Renew-Fraktion die Frage an Josep Borrell richtete: "Sind wir wirklich so machtlos, diesen Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen?" Trotz zahlreicher Besorgnisbekundungen bleibe die Situation vor Ort unverändert, kritisierte Jontschewa.

Andere Parlamentarier wie die portugiesische Sozialdemokratin Ana Catarina Mendes oder die irische konservative Abgeordnete Maria Walsh forderten, das Assoziationsabkommen zwischen der EU und Israel auszusetzen oder zumindest zu überprüfen.

Der Terrorangriff, der den Nahen Osten veränderte

Das Abkommen regelt die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Israel. Walsh sagt, im vergangenen Jahr habe dieses Abkommen ein Handelsvolumen von 46 Milliarden Euro umfasst. Erst vergangene Woche habe sie den irischen Premierminister Simon Harris aufgefordert, noch einmal Druck auf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auszuüben, das Abkommen zu überprüfen. Walsh zeigte sich enttäuscht, dass es bislang keine Reaktion auf die Bitte zur Überprüfung durch Spanien und Irland aus dem Februar gegeben habe.

Hitzige Debatte im EU-Parlament 

Der dänische Abgeordnete Villy Sovndal sitzt gemeinsam mit den Europäischen Grünen in einer Fraktion. Er meint, es müsse starker Druck sowohl auf die jetzige israelische Regierung als auch auf Hamas und Hisbollah ausgeübt werden. Sovndal brachte auch die Möglichkeit ins Spiel, keine Waren mehr aus israelisch besetzten Gebieten zu kaufen oder Amtsträger zu sanktionieren. Auch der slowenische Sozialdemokrat Matjaz Nemec spricht sich für Sanktionen aus, welche auch die israelische Regierung umfassen sollten. Gleichzeitig fordert er die Europäer und US-Amerikaner dazu auf, keine Waffen mehr an Israel zu liefern.

EU-Parlament | Debatte zum Nahen Osten
Das EU-Parlament diskutierte teils hitzig über die "Eskalation der Gewalt im Nahen Osten und die Lage im Libanon". Bild: FREDERICK FLORIN/AFP

Die schwedische Abgeordnete Alice Teodeorescu Mawe von der EVP-Fraktion hält Krieg manchmal für notwendig, um Frieden zu erreichen. Ihr zufolge werde der Krieg im Nahen Osten nur vom Iran und dessen Stellvertreterarmeen gewünscht, welche Israel ausschalten wollten. Sie fordert unter anderem von der EU, die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisationen einzustufen.

Der spanische Abgeordnete Hermann Tertsch, der den rechtsaußen stehenden "Patrioten für Europa" angehört, lobte Israels "Reflex der Selbstverteidigung". Er meint, es brauche eine Neuordnung im Nahen Osten, bei der man Israel unterstützen sollte.

Borrell: Auch Beirut in der Verantwortung 

Die Vielstimmigkeit der Debatte, aus der sich kein unmittelbarer Schluss ziehen ließe, erkannte der Hohe Außenbeauftragte in seinen Schlussworten an. Außerdem stellte Josep Borrell fest, dass man den Libanon nicht getrennt von der Situation im Gazastreifen betrachten könne. Seiner Meinung nach liege die Lösung für die Situation auch darin, dass die politische Klasse im Libanon Verantwortung übernähme und das Land regiere.

Bereits eingangs hatte Borrell betont, dass das Land politische Reformen brauche und die libanesische Armee derzeit nicht dazu in der Lage sei, der Hisbollah etwas entgegenzusetzen. Die EU sei bereit dazu, den Libanon dabei zu unterstützen. Bereits im Mai hatte die EU-Kommission dem Libanon ein Unterstützungspaket in Höhe von einer Milliarde Euro für den Zeitraum 2024 bis 2027 als Beitrag zu mehr Sicherheit und Stabilität im Land zugesichert. Außerdem pocht Borrell weiterhin darauf, dass ein Waffenstillstand erzielt werden müsste.

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel