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Politik

Gemeinsam "durch dick und dünn"

Barbara Wesel
9. Mai 2019

Kurz vor der Europawahl beschwören die EU-Staats- und Regierungschefs in Sibiu Einigkeit. Die Differenzen zwischen den Mitgliedsländern kann das kaum kaschieren. Und nach der Europawahl droht neuer Streit.

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Rumänien Sibiu - Angela Merkel grüßt die Menge zum EU Gipfel
Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Alexandru

Für manche unter den EU-Staats- und Regierungschefs mag dies der heimliche Höhepunkt des Gipfeltreffens in Sibiu gewesen sein: ein Bad in der Menge mit Händeschütteln und Fähnchenschwenken. Schon beim Eintreffen waren sie von wartenden Bürgern auf dem Marktplatz mit Applaus und Hochrufen begrüßt worden. Nach dem üblichen Familienfoto gab es dann Gelegenheit, mit den ungewohnt Europa-begeisterten Bewohnern an der Absperrung ein paar freundliche Worte zu wechseln. Und wann hatte der Bundeskanzlerin zuletzt jemand "Ich liebe Angela Merkel!" zugerufen? 

Allgemeinplätze in der Erklärung von Sibiu

Diplomaten nennen die Erklärung von Sibiu schon spöttisch die "Zehn Gebote". Darin bekennen sich die Regierungschefs unter anderem zu "Einigkeit durch dick und dünn". Eine hübsche Formulierung, an die sie beim nächsten großen Streit sicherlich erinnert werden.

Die allgemeinen Bekenntnisse etwa zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, der Suche nach gemeinsamen Lösungen, Gerechtigkeit und der globalen Führungsrolle der EU werden von allen Mitgliedsländern mitgetragen. Auch der Ungar Viktor Orban widerspricht hier nicht offen, obwohl er und einige andere in Osteuropa diesem Katalog der frommen Wünsche ständig zuwiderhandeln.

Merkel für mehr Klimaschutz?

Inzwischen sind es neun Länder, die sich aus Anlass des Gipfels in Sibiu zu einer Allianz zusammengeschlossen haben, die sich Klimaneutralität bis 2050 auf die Fahnen schreibt. Zu der Gruppe gehören Frankreich, die Niederlande, Schweden und andere. Deutschland aber fehlt auf dieser Liste, was zu kritischen Fragen an die Bundeskanzlerin führte.

EU Gipfel in Sibiu Ankunft Angela Merkel
In der Klimapolitik will Angela Merkel sich nicht festlegen lassenBild: Reuters/F. Lenoir

Angela Merkel nimmt den Ball auf und verspricht, "für 2050 die Ziele zu schärfen". Sie will sich allerdings noch nicht auf ein CO2-freies Wirtschaften festlegen. Stattdessen erinnert die Kanzlerin daran, dass man zunächst die Klimaziele 2030 erreichen müsse. Deswegen will sie zunächst mit einer "Koalition der Willigen" gemeinsame Preise für den Ausstoß von Klimagasen festlegen, um die Emissionen durch diese "Bepreisung" zu senken.

Abgesehen davon verweist Merkel auf ein Gutachten des Potsdamer Klima-Instituts, dass im Sommer die besten Maßnahmen zum Kampf gegen den Klimawandel vorschlagen wolle. Sie schiebt die Entscheidung also auf, fügt aber hinzu, dass sie '"weite Teile der Initiative" zum Klimaschutz teile. Auf jeden Fall aber sollten wie beschlossen 25 Prozent des nächsten EU-Budgets für den Klimaschutz ausgegeben werden. 

Iran stellt europäische Außenpolitik erneut infrage

Die Ankündigung des Iran, als Reaktion auf die Sanktionen der USA nun seinerseits Teile des Atomabkommens aussetzen zu wollen, ist für die EU eine unwillkommene Nachricht. Erinnert das die Europäer doch daran, dass ihr größter außenpolitischer Erfolg von den anderen Vertragspartnern ohne mit der Wimper zu zucken zerfetzt werden kann.

Iran | Präsident Hassan Rohani
Irans Präsident Ruhani stürzt die EU mit seinem 60-Tage-Ultimatum in ein DilemmaBild: picture-alliance/abaca/Parspix

Zwar erklären die Signaturstaaten Frankreich, Großbritannien, Deutschland sowie die EU, dass man Ultimaten aus Teheran ablehne und an der Fortsetzung des Atomabkommens festhalten wolle, durch das die Produktion von Nuklearmaterial im Iran beschränkt wird. Aber solche Aussagen sind kaum mehr als eine Feststellung der eigenen Machtlosigkeit angesichts der Alleingänge in Washington. Die EU ist jetzt in der Situation, dass sie liefern und den wirtschaftlichen Schaden verringern müsste, den der Iran wegen der Sanktionen erleidet. Aber im Stich gelassen von internationalen Großunternehmen, ist sie dazu nicht imstande.

Es gebe "Meinungsverschiedenheiten" mit den USA, sagte die Bundeskanzlerin dazu und "die EU setze nicht auf Eskalation, sondern auf mehr Diplomatie". Der Iran habe eine Chance, sich weiter zu dem Atomabkommen zu bekennen. Dahinter jedoch steckt eine allgemeine Ratlosigkeit und die Einsicht der Europäer, dass sie auf der großen außenpolitischen Bühne allenfalls ein zweitrangiger Akteur sind.

Der Streit um den "Spitzenkandidaten"

Manfred Weber, Spitzenkandidat der Christdemokraten im Europaparlament, sieht sich schon fast auf dem Sessel des EU-Kommissionspräsidenten. Mit soviel Nachdruck verteidigt der CSU-Mann aus Bayern seinen Anspruch auf das höchste Amt, dass es fast schon etwas verzweifelt wirkt. Nur jemand, der sich bei den Europawahlen als Kandidat gezeigt habe, könne am Ende Präsident der EU-Kommission werden, beschwört er unermüdlich. Alles andere sei undemokratisch und werde zu einer institutionellen Krise führen. 

Polen l Manfred Weber bei der EPP in Warschau
Rechnet fest damit, nächster EU-Kommissionspräsident zu werden: CSU-Mann Manfred WeberBild: picture-alliance/NurPhoto/M. Wlodarczyk

Unermüdlich, wenn auch mit begrenztem Erfolg, tourt Weber also durch die EU, um sich den Bürgern bekannt zu machen. Er geht davon aus, dass seine Fraktion auch im neuen Europaparlament mit mehr als 20 Prozent wieder die größte sein werde, und daraus leitet der Bayer seinen unverrückbaren Anspruch ab.

Das sehen jedoch einige EU-Regierungschefs anders. Er finde die Spitzenkandidaten-Sache eine "dumme Idee", sagte der Luxemburger Regierungschef Xavier Bettel unverblümt. Und Dalia Grybauskaite aus Litauen wurde ähnlich deutlich. Schwerer wiegt dabei allerdings, dass auch Emmanuel Macron keinen Zweifel an seinem Widerstand ließ. Angela Merkel stellte sich hier pflichtschuldig hinter den umstrittenen Auswahlprozess, ihre Partei bekenne sich dazu. Allerdings müsste der Rat der Regierungschefs und das Europaparlament in der Frage miteinander kommunizieren, und dann "werden wir sehen, was passiert". Das lässt bereits ahnen, dass der Zank um diese Personalie nach der Europawahl noch ziemlich heiß werden kann.