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EU setzt Afrika unter Druck

Adrian Kriesch / Katrin Matthaei3. Mai 2013

Seit Jahren drängt die EU das südliche Afrika, seine Märkte zu öffnen. Das EU-Parlament hat nun eine Frist gesetzt: Wer bis Anfang 2014 ein Freihandelsabkommen ablehnt, darf nicht mehr zollfrei in die EU exportieren.

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Bananen aus Kenia liegen auf dem Boden. (Foto: Asumpta Lattus)
Bananen aus KeniaBild: DW

Für Jean Pierre Imelé wäre es eine Katastrophe: Seine Firma Biotropical produziert und verarbeitet in Kamerun Früchte und exportiert sie zu 90 Prozent nach Europa. Der Unternehmer beobachtet die festgefahrenen Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen zwischen seiner Regierung und der Europäischen Union mit Sorge. Derzeit profitiert er von einem Übergangsabkommen: Der Unternehmer aus Kamerun kann seine Produkte steuerfrei in die EU exportieren, während die Verhandlungen über ein endgültiges Abkommen weiterlaufen. Umgekehrt kann die EU nicht alles zollfrei nach Kamerun exportieren. Daher will die EU so bald wie möglich das endgültige Abkommen unter Dach und Fach bringen, doch die kamerunische Regierung will weiter über Details verhandeln.

Das Europaparlament macht Druck und hat jetzt beschlossen: Wenn Kamerun und andere Subsahara-Staaten bis Anfang 2014 nicht unterschreiben und der EU künftig freien Zugang zu ihren Märkten erlauben, verlieren sie sämtliche Handelsvorteile. "Wenn das passiert, haben wir ein Problem", sorgt sich Unternehmer Imelé aus Kamerun. Wenn er zusätzlich noch Zölle auf seine Exporte zahlen müsste, könne er im Preis-Wettbewerb mit der Konkurrenz aus Südamerika und Indien nicht mehr mithalten. Zumal ihm seine Regierung keine Agrar-Subventionen für seinen Obstanbau zahle.

WTO fordert Änderung

Der Hintergrund für den Streit ist kompliziert: Dank verschiedener Außenhandelsabkommen genießen Europas ehemalige Kolonien seit Jahrzehnten einen bevorzugten Zugang zum europäischen Markt - mussten aber im Gegenzug ihre eigenen Märkte kaum öffnen. Das wurde etwa 1975 im sogenannten Lomé-Abkommen mit 79 Staaten aus Afrika, der Karibik und dem Pazifikraum, den sogenannten AKP-Staaten, beschlossen. Im Jahr 2000 erklärte die Welthandelsorganisation (WTO) diese einseitige Marktöffnung aber für unrechtmäßig - beide Seiten müssten freien Zugang zu dem jeweils anderen Markt genießen. Daraufhin wurde das sogenannte Cotonou-Abkommen beschlossen - und seitdem verhandeln Europäer und Afrikaner über die Freihandelsabkommen. Im Fachjargon heißen sie Economic Partnership Agreements, kurz: EPA.

EU-Handelskommissar Karel de Gucht und Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso (Foto: JOHN THYS/AFP/Getty Images)
Druck auf die AKP-Staaten: EU-Handelskommissar Karel de Gucht (l.)Bild: John Thys/AFP/Getty Images

Das sei freier, gegenseitiger Handel, wie ihn die Welthandelsorganisation WTO fordere, sagt der Sprecher des EU-Handelskommissars, John Clancy. "Es ist doch nicht die EU, die internationale Handelsregeln geschaffen hat. Das ist das System der WTO", so Clancy. Die EU könne keinen speziellen Regelsatz für die AKP-Staaten haben und einen anderen für Entwicklungsländer aus anderen Teilen der Welt. Die fühlten sich dann benachteiligt.

"Unterschrift wäre unklug für Afrika"

Die Welthandelsorganisation sieht eine Ausnahme vor, die eine einseitige Marktöffnung erlaubt. Sie gilt für die am wenigsten entwickelten Länder der Welt - davon liegen 34 in Afrika. Darauf basierend hat die Europäische Union mit diesen Staaten ein spezielles Abkommen geschlossen, das sogenannte "Everything but Arms"-Abkommen. Danach dürfen sie alle Produkte außer Waffen zollfrei in die EU exportieren. Diesen Staaten drohen keine Konsequenzen, falls sie kein Freihandelsabkommen mit der EU unterschreiben.

Textilfabrik in Ghana (Foto: dpa)
Bedrohte Industrie? Textilfabrik in GhanaBild: picture-alliance/dpa

Etwas besser entwickelte Länder wie Kenia, Ghana, Kamerun oder Botswana würden ihren privilegierten Zugang zum EU-Markt jedoch verlieren. Der Wirtschaftswissenschaftler Paul Collier findet, dass die EU die WTO-Regularien ohnehin zu streng auslege: Die USA etwa böten trotz WTO-Vorgaben vielen Waren aus Afrika einen zollfreien Zugang - dank des sogenannten AGOA-Gesetzes, des "African Growth and Opportunity Act". Bisher habe die WTO hier nicht interveniert, so Collier im DW-Interview. Für Afrika wäre es "eher unklug", Europa einen bevorzugten Markzugang zu gewähren. Stattdessen müsse man umdenken. Statt weiter mit Fristen zu drohen, solle die EU ihr Angebot überdenken, so Collier.

Afrikanische Arbeitsplätze in Gefahr

Sein Vorschlag: Europa öffnet sich Afrika, und gleichzeitig öffnen afrikanische Staaten ihre Märkte untereinander. Unter den 54 Staaten Afrikas gebe es teilweise noch hohe Handelsbarrieren, so Collier. Wenn ganz Afrika eine Freihandelszone wäre, hätte das auch Vorteile für Europa: Afrika würde wohlhabender und ein großer Markt, auf dem Europa einfacher agieren könnte, so Collier. Hinter dieser Idee stehen auch einige afrikanische Staaten.

Günter Nooke, Persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Foto: DW/Per Henriksen)
"Neustart wagen": Günter Nooke, Afrikabeauftragter der BundeskanzlerinBild: DW/P. Henriksen

Innerhalb der EU sind die EPAs ebenfalls umstritten, und sogar Günter Nooke, der Afrikabeauftragte der deutschen Bundeskanzlerin Merkel, meldet Zweifel an. "Ich glaube, wir müssen hier zurück auf Null und einen Neustart wagen", sagt er im DW-Interview.

Danach sieht es derzeit aber nicht aus: Die Europäische Kommission treibt die Strategie der Freihandelsabkommen weiter voran - mit Hilfe der konservativen Mehrheit im Europäischen Parlament.

Der kamerunische Biounternehmer Jean Pierre Imelé hofft deshalb, dass seine Regierung sich dem EU-Druck doch noch beugt. Sonst drohe seinem Fruchthandel das Aus, sagt er. Auf dem Spiel stünden seine Existenz und die von 100 Mitarbeitern und mehr als 1000 Bauern.