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Politik

EU setzt Kambodscha und Myanmar unter Druck

27. Februar 2019

Die Europäische Union gewährt Kambodscha und Myanmar Handelspräferenzen. Da beide Länder gegen Menschenrechte verstoßen, droht die EU mit dem Entzug dieser Privilegien. Experten warnen vor unbeabsichtigten Folgen.

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Kambodscha - Textilarbeiterinnen
Bild: picture alliance/dpa/A. Stevens

Kambodscha und Myanmar profitieren seit 2012 vom sogenannten EBA-Status. EBA steht für "everything but arms" ("alles außer Waffen"). Beide Länder dürfen folglich alle Waren außer Waffen und Munition zollfrei in die Europäische Union einführen. Den Status gewährt die EU Ländern, deren Wirtschaft wenig entwickelt ist.

Doch dieser von der EU gewährte Sonderstatus steht im Falle Kambodschas seit Februar 2018 und im Falle Myanmars seit Ende 2017 auf dem Prüfstand, denn der Status ist an Bedingungen geknüpft, wie aus der entsprechenden Vorordnung der EU aus dem Jahr 2012 hervorgeht: Die Präferenzregelungen können, heißt es dort, vorübergehend zurückgenommen werden, wenn die Länder schwerwiegend und systematisch gegen die Übereinkommen der Vereinten Nationen und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu Menschenrechten und Arbeitnehmerrechten verstoßen.

Im Falle Myanmars kritisiert die EU vor allem die andauernden Kämpfe und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in Unionsstaaten mit nationalen Minderheiten wie Shan- und Kachin-Staat und insbesondere im Rakhine-Staat, aus dem knapp 700.000 Rohingya nach Bangladesch geflohen sind. Im Falle Kambodschas kam eine Untersuchungskommission der EU Ende 2018 zu dem Schluss, dass schwerwiegend und systematisch gegen zentrale Menschen- und Arbeitsrechte verstoßen wird.

Rohingya Krise in Bangladesch
Rohingya auf der FluchtBild: DW/M.M. Rahman

Kambodscha unter verschärfter Beobachtung

Anfang Februar 2019 ging die Kommission im Falle Kambodschas den nächsten Schritt  und leitete ein "Verfahren zur zeitweisen Aussetzung der Handelspräferenzen" ein. Die EU-Kommissarin für Handel, Cecilia Malmström, erklärte in einer Pressemitteilung: "Der heutige Schritt ist weder eine endgültige Entscheidung noch das Ende des Prozesses. Aber die Uhr tickt und wir erwarten deutliche Taten." Das bedeutet konkret: Die nächsten sechs Monate wird Kambodscha von der EU verstärkt beobachtet. In drei weiteren Monaten wird dann ein Bericht erstellt, der als Entscheidungsgrundlage für die zeitweise Aussetzung des EBA-Status dienen kann.

Die Entscheidung, ob Myanmar ein gleiches Verfahren droht, soll in den nächsten Wochen gefällt werden. Angesichts der Lage im Land, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Verfahren eröffnet wird. Von Myanmar fordert die Kommission seit Monaten neben anderem eine verbesserte Zusammenarbeit mit den UN, Unterstützung bei der Aufklärung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und uneingeschränkten Zugang für humanitäre Hilfe in den genannten Staaten. 

Sorge um einheimische Wirtschaft wächst

Die Drohungen und Maßnahmen der EU sorgen in beiden Ländern seit längerem für Schlagzeilen. Die Menschen sind beunruhigt, denn ein Ende des EBA-Status würde die ohnehin schwachen Volkswirtschaften schwer belasten. Rund 40 Prozent aller Exporte Kambodschas gingen nach offiziellen Angaben des Landes 2017 nach Europa. Myanmar exportiert 2017 knapp zehn Prozent seiner Waren in die EU, wie die UN-Außenhandelsbank Comtrade ausweist. In beiden Fällen machen Textilien den Großteil der Exporte aus. Das Ende des EBA-Status würde die Textilindustrien in beiden Ländern erheblich unter Druck setzen.

Protest Textilarbeiter in Kambodscha
2014 eskalierten Proteste von Textilarbeitern in Phnom PenhBild: Reuters

Das Wirtschaftsministerium in Kambodscha kündigte als Reaktion auf die Ankündigung der EU am 14. Februar Treffen mit den wichtigsten Exportunternehmen an, wie die "Khmer Times" berichtete. Es soll beraten werden, wie man dem drohenden Ende des EBA-Status begegnet werden kann. Konkrete Maßnahmen oder einen Zeitplan kündigte das Ministerium nicht an.

Soziale und politische Folgeschäden

Viele Experten sehen den Vorstoß der EU kritisch, obwohl sie das Eintreten für Menschenrechte und Arbeitsschutz begrüßen. Die Maßnahmen würden nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach die Falschen treffen. Kambodscha-Experte Jan Noorlander von der Organisation CARE wies gegenüber der DW bereits im November 2018 darauf hin, dass von der Aufkündigung der Handelspräferenz für Kambodscha in erster Linie die 800.000 Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie betroffen wären, von denen wiederum 80 Prozent sehr junge Frauen seien. Auch Socheat Lam von der kambodschanischen NGO API  ist überzeugt, dass die Maßnahme zu allererst die armen Leute treffen würden.

Eine ähnliche Ansicht vertritt der birmanische Journalist und Herausgeber der Wochenzeitung "The Voice", Zeya Thu: Ein Ende des EBA-Status hätte schwerwiegende soziale Folgen. Wie in Kambodscha sind die meisten Arbeitskräfte in Myanmars Textilindustrie Frauen vom Land. Ohne EBA würden viele ihren Job verlieren. "Die meisten werden nicht zurückgehen, sondern in der Prostitution enden."

"Eine Aussetzung des EBA wäre" so Zeya Thu, "auch politisch ein schwerer Schlag für Myanmar. Wir haben Schwierigkeiten mit den demokratischen und wirtschaftlichen Reformen. Bei diesen sind wir auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft und auch der EU angewiesen." Ein Ende des EBA käme einem Rückzug der internationalen Gemeinschaft gleich. "Ich fürchte eine Art Dominoeffekt", sagte Zey Thu der Deutschen Welle. EBA wäre dabei der erste Stein.

Kambodscha Premierminister Hun Sen
Hun Sen reagier Kambodscha seit 1985. Bei den Wahlen 2018, die mangels Opposition international als "Scheinwahlen" qualifiziert wurden, wurde er erneut ins Amt des Premiers gewähltBild: Getty Images/AFP/Tang Chhin Sothy

Nicht zuletzt befürchten Kritiker wie Zeya Thu als Folge einer Suspendierung der EU-Handelspräferenz eine stärkere Annäherung wenn nicht gar Abhängigkeit beider Länder von China, die schon jetzt beide Länder wirtschaftlich und politisch dominiert. Der Einfluss der EU in der Region würde weiter abnehmen.

Reaktionen der Regierungen

Dass Kambodschas Premierminister Hun Sen die Maßnahmen der EU nicht fürchtet, zeigt seine Reaktion auf die Ankündigung der EU auf Facebook: Er werde die Unabhängigkeit und Souveränität des Landes nicht für Handelsprivilegien aufgeben. Die Zeichen stehen demnach eher auf Konfrontation. In Myanmar ist die Lage nach Einschätzung von Zeya Thu noch etwas anders. Die Regierung habe erkannt, dass sie reagieren und insbesondere die Lage im Rakhine-Staat verbessern muss. Allerdings ist bisher aus Sicht der EU wenig passiert.

 

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia