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EU trifft Lateinamerika: Darum geht es beim Handelsgipfel

16. Juli 2023

Zum ersten Mal seit acht Jahren sitzen die Staats- und Regierungschefs wieder gemeinsam am Tisch. Die wichtigsten Fragen zum EU-CELAC-Gipfel in Brüssel.

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Brasilien Plantage am Amazonas Regenwald
Avanço do agronegócio na região da MATOPIBA, Brasil.
Eine Plantage frisst sich in den Regenwald: EU und Brasilien streiten beim Gipfel über UmweltschutzBild: Marizilda Cruppe/Greenpeace

Warum treffen sich 27 EU-Staaten und 33 Staaten aus Mittel- und Südamerika?

Die Europäische Union (EU) möchte die Beziehungen zu den karibischen und lateinamerikanischen Staaten (CELAC) nach dem russischen Angriff auf die Ukraine intensivieren. Die Weltregionen, die prinzipiell die gleichen Werte teilten, müssten sich strategisch vernetzen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zur Begründung. Die EU müsse sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China ein Stück weit lösen.

Dazu braucht man Südamerika als potenziellen Lieferanten von Rohstoffen und Energie, als Absatzmarkt und als Partner im Klimaschutz. Anfang Juni veröffentlichte die EU-Kommission eine umfassende Südamerika-Strategie. "Wir sind Verbündete, um die regelbasierte internationale Ordnung zu stärken, um für Demokratie, Menschenrechte und Frieden einzutreten. Wir haben ein Interesse daran, unsere politische Partnerschaft zu stärken", meinte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen.

Brasilien | Ursula von der Leyen und Lula da Silva
Harmonie pur? Kommissionspräsidentin von der Leyen (li.) besuchte zur Vorbereitung des Gipfels Brasiliens Staatschef Lula da SilvaBild: Dati Bendo/EU

Die CELAC-Staaten, also alle amerikanischen Staaten außer den USA und Kanada, wollen nach der Corona-Krise ihre Wirtschaft wieder ankurbeln. Da ist die EU als Investor und Handelspartner hochwillkommen. Unternehmen aus EU-Staaten investieren in der Region mehr als Russland, China, Indien und Japan zusammengenommen.

Freier Handel würde mehr Arbeitsplätze schaffen. Darum sind die 600 Millionen Süd- und Mittelamerikaner im Prinzip an Handelsabkommen mit 450 Millionen Europäern interessiert. In den vergangenen zehn Jahren ist das Handelsvolumen um 40 Prozent auf zuletzt 369 Milliarden Euro pro Jahr bei Gütern und Dienstleistungen gewachsen.

Bolivien Chile Argentinien Lithium-Dreieck
Lithium-Mine in der Atacama-Wüste in Chile: EU-Firmen wollen sich Zugang zu begehrten Rohstoffen sichernBild: MARTIN BERNETTI/AFP

Werden neue Freihandelsabkommen abgeschlossen?

Das Abkommen mit den Mitgliedern der Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay) liegt seit 2019 ausverhandelt auf dem Tisch. Es wurde aber von EU-Staaten nicht ratifiziert, zum Teil wegen Bedenken gegen die Abholzung des wertvollen Regenwaldes. Die hatte der inzwischen abgewählte rechtspopulistische Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro, forciert. Die EU will das Abkommen mit Mercosur wiederbeleben, möchte aber, dass sich Brasilien in einem Zusatzprotokoll zu nachhaltigem Umwelt- und Klimaschutz bekennt.

Argentinien | Argentinischer Präsident Alberto Fernandez
Brasiliens Präsident Lula da Silva (li.) und Argentiniens Präsident Fernandez bereiten sich gemeinsam auf den Gipfel mit der EU vorBild: Maria Eugenia Cerutti/dpa/Presidencia Argentina/picture alliance

Der neue linke brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, der derzeit auch Vorsitzender der Mercosur-Gruppe ist, weist die Forderung der Europäer zurück. Er hat zwar die Abholzung des Regenwaldes bereits stark gebremst, will sich aber von der EU nicht in die eigene Politik hineinreden lassen. Das sei "inakzeptabel", wettert Lula. "Strategische Partner verhandeln nicht auf der Grundlage von Misstrauen und der Androhung von Sanktionen." Die EU wolle mit dem Abkommen die Mercosur-Staaten dazu verdammen, auf ewig Lieferanten von Rohstoffen und Mineralien zu bleiben, sagte Lula Anfang Juli.

Auch mit Chile und Mexiko plant die EU-Kommission Handelsabkommen. Das Gipfeltreffen in Brüssel könnte den Verhandlungen wie auch dem stockenden Ratifizierungsprozess neuen Schwung geben. Das Mercosur-Abkommen soll bis Ende des Jahres stehen.

Infografik Abholzung des brasilianischen Regenwaldes in Quadratkilometern 2005 - 2021 DE

Welche politischen Probleme sieht die EU?

Brasiliens Präsident ist den europäischen Handelspartnern eindeutig zu China-freundlich. Bei seinem Besuch in Peking im April vereinbarte Lula da Silva mehr Kooperation mit dem chinesischen Machthaber Xi Jinping. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat bei einer Brasilienreise im Juni Verständnis dafür gezeigt, dass der russische Krieg gegen die Ukraine in Sao Paulo oder Rio de Janeiro weit weg sei.

Trotzdem sind die Europäer darüber verstimmt, dass Präsident Lula Russland nicht zum Abzug seiner Truppen aus der Ukraine auffordert, sondern sich als Vermittler anbietet und den USA eine Mitschuld am Krieg gibt. Immerhin hat Brasilien als einziger der großen aufstrebenden Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika = BRICS) eine Verurteilung Russlands in der Vollversammlung der Vereinten Nationen mitgetragen.

Brasilien | Robert Habeck und Alexandre Silveira
Deutscher Wirtschaftsminister Habeck (li.) zu Besuch beim brasilianischen Kollegen Silveira: Große Chancen?Bild: Mateus Bonomi/AA/picture alliance

Was sagt die europäische Wirtschaft?

19 europäische Wirtschaftsverbände drängen über alle Branchen hinweg auf eine schnelle Ratifizierung des Handelsabkommens mit Mercosur, unter Beachtung der Anforderungen an den Klimaschutz. "Das EU-Mercosur Abkommen eröffnet Europa einmalige Möglichkeiten, sich die Vorteile zu sichern, die man als Erster beim Eintritt in einen größeren lateinamerikanischen Markt hat", schreiben die Wirtschaftsverbände in einer Stellungnahme.

Angesichts derzeit geltender Handelsbeschränkungen hätte Europa in Zukunft die Chance, als Vorreiter den Handel mit Mercosur und dem Rest Lateinamerikas voranzubringen.

Was kritisieren die Umweltverbände?

Die Umweltschützer von Greenpeace geißeln die mögliche Übereinkunft zwischen EU und Mercosur-Staaten als "Gift-Vertrag" und haben für diesen Montag zu Protesten in Brüssel aufgerufen. Der Handelsvertrag sei veraltet und solle den Im- und Export von klimaschädlichen Produkten erleichtern, kritisiert Greenpeace. Aus Lateinamerika sollten noch mehr Rindfleisch und Futtersoja ausgeführt werden. Die EU wolle Autos und vor allem Pestizide verkaufen. Das Gift werde zum Beispiel beim Limettenanbau eingesetzt und lande so am Ende auf europäischen Tellern.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz in Deutschland (BUND) kritisiert den Anbau von genetisch verändertem Soja-Pflanzen in Brasilien. Der führe zur Regenwaldabholzung und Artensterben. Das Soja werde vor allem als Futtermittel für die Überproduktion von Fleisch in der EU eingesetzt.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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