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Huawei: "Die Risiken sind identifiziert"

Barbara Wesel Brüssel
29. Januar 2020

Beim Ausbau der 5G-Netzwerke setzt die EU-Kommission auf eine Kompromisslösung. Der chinesische Anbieter soll zugelassen werden, aber mit Einschränkungen. Damit folgt die EU dem Beispiel Großbritanniens.

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Bild: picture-alliance/NurPhoto/J. Porzycki

"Wir sind gegen Cyber-Angriffe nur so stark, wie das schwächste Glied in der Kette", mahnt Margrethe Vestager. Die EU-Kommissarin für Wettbewerb fordert die Mitgliedsländer auf, die neue Rahmenrichtlinie für die Sicherheit beim Ausbau der 5G-Netzwerke bis zum Frühjahr umzusetzen.

Es geht dabei um die Beziehungen des chinesischen Telekommunikationsausrüsters zur Regierung in Peking, ohne dass der chinesische Telekom-Riese jemals direkt genannt wird. Nachdem die USA massiv Druck auf Europa ausgeübt hatten, Huawei dabei ganz auszuschließen, entschließt sich die EU zu einem abgestuften Vorgehen.

"Wir sind nicht naiv"

Das Problem beim Ausbau der 5G-Netzwerke ist, dass es neben den Chinesen in Europa nur zwei weitere Anbieter für die notwendigen Produkte gibt: Ericsson aus Schweden und Nokia aus Finnland. Soll es mit der Technologie tatsächlich so schnell gehen wie geplant – Ende des Jahres sollen über 100 europäische Städte 5G in ihrem Netz anbieten - kann man auf Technik von Huawei kaum gänzlich verzichten.

China Peking | Treffen von Xi Jinping mit Japans Premierminister Shinzo Abe
Die EU fürchtet sich vor Xi Jinpings Überwachungsstaat und Cyber-Angriffen aus ChinaBild: Reuters/N. Celis

Andererseits sind die Gefahren bekannt: "Wir sind nicht naiv", betont Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton, auch wenn man hier auf niemandem herumhacken wolle. Nicht erst seit den dringenden Warnungen aus Washington weiß die EU, dass man eine direkte Hintertür zur Totalüberwachung durch den "Big Brother" in Peking öffnen könnte, wenn man sich der Netzwerktechnologie aus China ausliefert.

Die EU setzt hier auf eine Kompromisslösung: Sie gibt den Mitgliedsländern einen sogenannten "Werkzeugkasten" mit Kriterien zur Überprüfung der künftigen Netzwerksicherheit an die Hand. "Wir rüsten die Länder und ihre Telekom-Anbieter mit den Werkzeugen aus, um eine europäische Infrastruktur mit den höchsten Sicherheitsstandards aufzubauen, so dass wir alle von den Vorzügen der 5G Technologie profitieren", verspricht der Kommissar aus Frankreich.

Denn ohne den Einsatz der superschnellen 5G-Netze, die in Echtzeit große Datenmengen übertragen können, fürchten die Europäer im internationalen Wettbewerb zurück zu fallen. Die Technik solle etwa dazu dienen, die Roboter-gestützten Fabriken der Zukunft zu steuern. Allerdings haben hier die Europäer, ähnlich wie etwa bei der Herstellung von Batterien für Elektroautos, technologisch geschlafen und nicht rechtzeitig genug Kapazitäten für einen Netzausbau aus eigener Kraft entwickelt.

Auf Nummer sicher

Im Prinzip ist der Ausbau von Datennetzen Aufgabe der einzelnen Mitgliedsländer. Sie können auch entscheiden, wie und mit welchen Anbietern sie das machen. Andererseits gibt es eine gemeinschaftliche Verpflichtung, die Netze gegen Cyber-Angriffe zu schützen, die wegen der "Interkonnektivität" alle Mitgliedsländer betreffen können.

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Margrethe Vestager sieht Cyber-Sicherheit und Netzausbau als wichtige AufgabenBild: DW/J. Faget

Risikoreiche Anbieter sollen nach der Richtlinie von den "kritischen oder sensiblen" Teilen der Netzwerke ferngehalten werden. Diese Einschätzung erfolgt auf der Basis eines Berichtes, den die Mitgliedsländer im Winter vorgelegt hatten, und in dem sie selbst die Angriffsflächen und gefährdeten Bereiche ihrer digitalen Infrastruktur benennen.

In den zentralen Teilen der Netzwerke sollten also eher keine chinesischen Bauteile verwendet werden, wo eine Datenabschöpfung an der Quelle möglich wäre. Huawei Komponenten könnten dagegen in den externen Teilen, bei den Verteilern und Schaltpunkten eingebaut werden, wo nicht die gesamte Masse der Daten gebündelt vorliegt.

Kommissarin Vestager benennt als sicherheitsrelevante Bereiche auch Verteidigungseinrichtungen oder Forschungsinstitute, wo EU-Länder bei der Wahl der Anbieter auf Nummer sicher gehen sollten. Darüber hinaus sollen Direktinvestitionen von Drittländern - vor allem also von China - vor ihrer Genehmigung auf ihre Sicherheitsrelevanz überprüft werden.

Handelsschutz- und Wettbewerbsregeln können eingesetzt werden, um manche Anbieter von Aufträgen fern zu halten. Das gleiche gilt für öffentliche Ausschreibungen und EU-finanzierte Vorhaben, wo Cybersicherheit ein Kriterium bei der Vergabe sein soll.

Außerdem sollen möglichst verschiedene Anbieter beim Aufbau eines nationalen Netzes zum Zuge kommen, um die Risiken zu verringern. "Die Risiken sind bekannt und wir haben sie identifiziert, die Mitgliedsländer müssen jetzt Verantwortlichkeit beweisen", mahnt Margrethe Vestager.

Die abgestufte Lösung der EU kommt der deutschen Bundeskanzlerin entgegen. Angela Merkel hatte von vornherein davor gewarnt, Huawei ganz vom Markt auszusperren. Wie die EU-Lösung in Deutschland umgesetzt wird und wie groß die Anteile für die Chinesen dabei ausfallen, hat am Ende allerdings die Koalitionsregierung in Berlin zu entscheiden, wo die Vorstellungen noch nicht ganz deckungsgleich sind.

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5G-Netze werden bei der Roboter-gestützten Produktion von Industriegütern eingesetztBild: picture-alliance/dpa/R. Roeger

Gemeinsam mit Großbritannien

Die Briten würden ihre Bewertung des Marktzuganges für Huawei nach ähnlichen Kriterien bemessen, es sei "ein Fall von Konvergenz", erklärt Binnenmarktkommissar Breton die erstaunliche Gleichförmigkeit der Entscheidungen in London in Brüssel. Gestern hatte die Regierung von Boris Johnson entschieden, dass man ungeachtet der Drohungen und Erpressungsversuche der US-Regierung, einen ähnlichen Ansatz beim 5G Ausbau verfolge. Man werde dem chinesischen Unternehmen den Zugang zum britischen Markt erlauben, es dürfe notwendige Technologie zuliefern, aber nur für die Randbereiche und die nicht-sensiblen Teile des Netzwerks.

Damit findet sich Großbritannien zwei Tage vor dem Brexit in seltener Übereinstimmung mit europäischen Entscheidungen und Regeln. Beide Seiten haben beschlossen, Huawei nicht ganz auszusperren, aber mit Vorsicht zu behandeln.

Damit zeigt sich, dass ihre Interessen auf der gleichen Wellenlänge liegen: Sie wollen die Handelsbeziehungen zu China nicht gefährden, sich aber gleichzeitig gegen den dortigen Überwachungsstaat wappnen. Ebenso wenig aber wollen sie sich von den USA vorschreiben lassen, wie sie zu entscheiden haben. Der chinesische Telekom-Riese jedenfalls scheint ein Fall, wo EU-Mitglieder und Briten sich wie in der Vergangenheit auf derselben Seite des Verhandlungstisches wieder finden.