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EU und NATO stehen bei den Deutschen hoch im Kurs

4. April 2024

Polens Premier Donald Tusk sprach vor kurzem von "Vorkriegszeit". Die Bedrohung ist spürbar und wird auch von den Bürgern wahrgenommen - das zeigt der ARD-Deutschlandtrend.

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Borkwalde | Wegweiser mit dem Schriftzug Steadfast Defender und NATO-Symbol
"Standhafter Verteidiger" - 2024 fand die größte NATO-Übung seit dem Ende kalten Krieges statt, zum Teil in BrandenburgBild: Sascha Steinach/IMAGO

Deutschland rüstet wieder auf und das im Rekordtempo. 100 Milliarden Euro sind für die Modernisierung der Bundeswehr bereitgestellt worden, nachdem Russland im Februar 2022 die Ukraine überfiel. Inzwischen ist das Geld weitgehend mit festen Aufträgen für Rüstungsgüter hinterlegt. Die Bundeswehr soll so umgebaut werden, dass sie für den Ernstfall bereit ist, also für den Fall, dass Deutschland angegriffen würde. 

Die Bedrohungslage ist groß, so empfinden es die Bürger. Sieben von zehn und damit mehr als vor fünf Jahren betrachten Frieden und Sicherheit in Europa als sehr stark beziehungsweise stark gefährdet. Das geht aus dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend für den Monat April hervor.

Das Meinungsforschungsinstitut infratest-dimap hat für den Deutschlandtrend am 2. und 3. April 2024 insgesamt 1304 repräsentativ ausgesuchte Wahlberechtigte befragt. Die Erhebung fand im Auftrag der ARD-Tagesthemen statt.

Verteidigungsminister Boris Pistorius beliebtester Politiker  

Um der akuten Bedrohungslage zu entsprechen, arbeitet Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius daran, die Bundeswehr "kriegstüchtig" zu machen. Gerade stellte der SPD-Politiker seine Pläne vor, "die Bundeswehr so umzubauen in ihren Strukturen, dass sie selbst für den Ernstfall, den Verteidigungsfall, für den Kriegsfall optimal aufgestellt ist". 

Deutschland und seine Verbündeten müssten glaubhaft abschrecken, damit niemand auf die Idee komme, "uns als NATO-Gebiet anzugreifen", betonte Pistorius, der im ARD-Deutschlandtrend der mit Abstand beliebteste Politiker ist. 54 Prozent der Befragten sind mit seiner Arbeit zufrieden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) überzeugt weniger als halb so viele Wahlberechtigte. 

NATO wichtig für Friedenssicherung

Die NATO, das nordatlantische Verteidigungsbündnis, wird in diesen Tagen 75 Jahre alt. Deutschland ist seit Mai 1955 Mitglied. Der Rückhalt für das Bündnis in der Bevölkerung ist angesichts der aktuellen Lage groß.  

Der Daseinszweck der NATO wird entsprechend kaum in Frage gestellt. Die Allianz ist für 82 Prozent wichtig für die Friedenssicherung in Europa, nur etwa jeder Zehnte hält sie für überflüssig. Selbst in den Reihen von AfD und der neu gegründeten Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bestehen keine Mehrheiten für eine Auflösung. Obwohl beide Parteien als eher russlandfreundlich gelten. 

Donald Trump, der erneut US-Präsident werden will, hat die Mitgliedschaft der USA in der NATO schon mehr als einmal in Frage gestellt. Eine Mehrheit der Deutschen findet es wichtig, das gemeinsame Bündnis mit den USA zu bewahren. 69 Prozent sind der Meinung, dass das im europäischen Eigeninteresse liegt. Gleichzeitig zeigen sich die Wahlberechtigten offen für eigenständigere europäische Verteidigungsstrukturen: Die Formierung gemeinsamer EU-Streitkräfte beispielsweise unterstützen momentan fast sechs von zehn Bundesbürgern.

EU: Positiver Blick, aber weniger euphorisch

Im Juni findet die Wahl zum Europaparlament statt. Die Haltung der Bundesbürger zur EU fällt im ARD-Deutschlandtrend positiv aus, gleichwohl gibt es Abstriche im Vergleich zur letzten Europawahl 2019. Sechs von zehn Deutschen betonen derzeit, dass es Deutschland durch die EU wirtschaftlich gut geht, während zwei Drittel unterstreichen, dass man durch die EU in Europa sicherer lebt.  

Der Rückhalt der deutschen EU-Mitgliedschaft hat zum vergangenen Jahr wieder zugelegt. Nach Ansicht aktuell jedes Dritten bringt die EU-Mitgliedschaft Deutschland alles in allem eher Vorteile, für knapp jeden Vierten eher Nachteile. Für 36 Prozent gleichen sich Vor- und Nachteile weitgehend aus. Eher skeptisch äußern sich Anhänger der AfD und insbesondere des BSW. 

Die FDP wieder unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde

Wie in jedem Monat haben die Meinungsforscher die sogenannte Sonntagsfrage gestellt. Sie haben also gefragt, welche Partei die Menschen wählen würden, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre. 

Stärkste Kraft wären CDU/CSU mit 30 Prozent (+1), auf Platz zwei würde mit 18 Prozent (-1) die AfD landen. Sozialdemokraten (-1) und Grüne (+1) hätten jeweils 15 Prozent in Aussicht. Die FDP käme auf vier Prozent (-1) und würde damit ebenso den Einzug in den Bundestag verpassen wie die Linke, die auf drei Prozent (+/-0) käme. Die Neugründung BSW hätte dagegen mit fünf Prozent (-1) knapp Chancen auf einen Einzug in den Bundestag. Die Freien Wähler würden das nicht schaffen.  

Die regierende Koalition von SPD, Grünen und FDP hätte weiterhin keine Mehrheit mehr. Das Ergebnis der Sonntagsfrage spiegelt das geringe Ansehen, das die Regierung bei den Bürgern hat. 78 Prozent sind unzufrieden mit der Arbeit der Koalition.  

Migration bleibt wichtigstes Thema

Noch rund eineinhalb Jahre dauert die reguläre Regierungszeit des Dreier-Bündnisses. Werden sie es schaffen, in der verbleibenden Zeit noch die Probleme anzupacken, die den Deutschen wichtig sind? Jeder vierte Befragte sieht im Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland das größte Problem. Auf Platz zwei kommt der Krieg in der Ukraine, den jeder Fünfte nennt. Der schlechte Zustand der Wirtschaft landet auf Platz drei, gefolgt von Sozialer Ungerechtigkeit und dem Klimawandel. 

Die Meinungsforscher haben im Deutschlandtrend auch arbeitsmarkt- und sozialpolitische Fragen gestellt. Für eine schnellere Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt sprechen sich 72 Prozent der Befragten aus, 21 Prozent lehnen das ab. Eine erleichterte Einwanderung für ausländische Fachkräfte befürworten 56 Prozent, 35 Prozent sind dagegen.  

In Deutschland wird derzeit auch diskutiert, was mit Menschen ist, die Bürgergeld, also die staatliche Grundsicherung für Arbeitslose beziehen, aber Arbeitsangebote ablehnen. 79 Prozent der Befragten sind dafür, dass in diesem Fall das Bürgergeld gekürzt werden sollte, nur 14 Prozent sind dagegen.  

Angesichts der Probleme mit dem staatlichen Rentensystem fragten die Meinungsforscher zudem, was die Bürger davon halten, länger zu arbeiten. 69 Prozent sind dagegen, dass das Renteneintrittsalter weiter erhöht wird, 25 Prozent sehen darin einen richtigen Schritt.