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Politik

EU verschärft den Ton gegenüber China

Lara Gohr
9. April 2019

Vor dem EU-China-Gipfel in Brüssel zeichnet sich immer deutlicher ab, dass es an diesem Dienstag keine gemeinsame Abschlusserklärung geben könnte. Denn China liefert nicht, was es verspricht. Lara Gohr aus Brüssel.

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China Railway Express
Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/W. Zhengwei

Glaubt man Beobachtern, wird an diesem Dienstag beim Treffen der EU-Spitzen mit dem chinesischen Regierungschef Li Keqiang in Brüssel ein rauer Wind wehen. Im Gegensatz zum Gipfel Chinas mit afrikanischen Staaten im September 2018 - vor dem hatte das chinesische Staatsfernsehen von einem "Familientreffen", "gemeinsamen Träumen" und "ewiger Freundschaft" gesprochen. Denn trotz monatelanger Vorbereitungen bekommt die EU am Dienstag von China wieder nicht, was sie fordert. Und das sind vor allem die Einhaltung der Menschenrechte, gerechterer Handel und Investitionsmöglichkeiten. "Die Erwartungen sind sehr gering", sagt China-Experte Mikko Huotari vom Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin. "Anscheinend ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es keine gemeinsame Abschlusserklärung geben wird."

Zwar werden auch Themen wie Klimawandel, Außenpolitik und Cyber-Sicherheit besprochen werden - die Priorität der EU beim 21. China-Gipfel ist jedoch "Reziprozität" bei Handel und Investitionen. Das heißt, wenn chinesische Unternehmen von einem offenen und transparenten Zugang zum europäischen Markt profitieren, sollte das umgekehrt auch der Fall sein.

China ignoriert EU-Forderungen

Konkret verhandelt die EU mit China deshalb ein Investitionsschutzabkommen. "Das wird ein entscheidendes Werkzeug sein, um gleiche Spielregeln zu erreichen, gleiche Bedingungen für Investitionen und eine faire Behandlung der europäischen Unternehmen, die in China aktiv sind. Wenn alles klappt und die Substanz stimmt, soll das Abkommen im nächsten Jahr fertig sein", sagte die rumänische Europaministerin Melania Gabriela Ciot vor dem Gipfeltreffen.

Mikko Huotari DW TV Screenshot
Mikko Huotari im DW-InterviewBild: DW

Zusätzlich fordert die EU, dass sich China an Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) hält und Subventionen für staatliche Industrien, etwa beim Stahl, einschränkt. Außerdem sollen ausländische Unternehmen nicht mehr dazu gezwungen werden, ihre Technologien preiszugeben, wenn sie in China Geschäfte machen.

Viele dieser Dinge hat China bereits versprochen, bisher aber nicht umgesetzt. "Aus europäischer Sicht wäre es schon ein Erfolg, wenn Dinge, die im vergangenen Jahr zugesagt wurden, geliefert würden", sagt China-Experte Mikko Huotari. Er schränkte aber ein: "Die Umsetzung scheitert. In manchen Bereichen gibt es sogar Rückschläge."

Uneinig sind sich die EU und China laut einem EU-Diplomaten außerdem beim Thema Menschenrechte. Im Vorfeld des Gipfels gab es einen Menschenrechts-Dialog, den Mikko Huotari vom Mercator Institute als Test für die bevorstehenden Verhandlungen sieht: "In der Abschlusserklärung erkennt man, wie schwierig der Dialog war. De facto wurden getrennte Diskussionen geführt", sagt er. Die EU habe sich sehr explizit geäußert, allerdings hätten beide Delegationen nicht mal gleichzeitig an allen Sitzungen teilgenommen.

Europas Geduld ist strapaziert

Offenbar liegen beide Seiten so weit auseinander, dass es keine Grundlage geben könnte für eine gemeinsame Erklärung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Jucker, Ratspräsident Donald Tusk und Chinas Ministerpräsident Li Keqiang.

Wenn das so kommen sollte, verlasse man sich voll und ganz auf die bereits abgegebenen Zusagen aus dem vergangenen Jahr, so ein EU-Diplomat. Denn darin seien schließlich viele gute Dinge enthalten gewesen, von denen nur wenige geliefert wurden.

China Nationaler Volkskongress | Li Keqiang, Ministerpräsident
Verhandlungspartner oder Rivale? Chinas Premier LiBild: Reuters/J. Lee

Was Versprechen der Chinesen angeht, scheint die EU zunehmend desillusioniert zu sein. So sehr, dass sie diesmal bereit ist, den Gipfel ganz ohne gemeinsame Erklärung zu beenden. 

Chinas Seidenstraßen-Initiative spaltet

Kurz nach dem Brüsseler Gipfel treffen sich viele Regierungschefs der EU erneut mit dem chinesischen Premierminister Li Keqiang in Kroatien. Bei dem sogenannten 16+1-Format soll es dann um eine Kooperation zwischen China und mittel- und osteuropäischen Ländern gehen. Sie sind Teil der sogenannten chinesischen Seidenstraßen-Initivative, mit der Handelswege und Infrastruktur ausgebaut werden sollen.

Kritiker argumentieren, dass China so versuche, seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss in der Region zu erhöhen. "Schaut man sich an, wie lange Li Keqiang in Kroatien sein wird, ist das viel länger als seine Zeit in Brüssel", meint China-Experte Mikko Huotari. Seine Prognose lautet, die Chinesen bauten die Zusammenarbeit weiter aus und untergrüben so den europäischen Zusammenhalt. 

Die EU versucht nun, damit umzugehen und alles in geordnete Bahnen zu lenken. Wie ein EU- Diplomat mitteilte, werde man sich auf dem Gipfel einigen, die Weltbank mit einer Studie zu beauftragen. Darin solle sie nachhaltige Ansätze für Eisenbahnstrecken von China nach Europa aufzeigen.

Jyrki Katainen, EU-Kommissar für Investitionen und Wachstum, sagt: "Wir wollen mit China zusammenarbeiten, um hohe Standards, Nachhaltigkeit und faire Spielregeln bei Investitionen in Drittstaaten in Asien, dem westlichen Balkan und in Afrika durchzusetzen. Besonders wichtig sind dabei Investitionen in die Infrastruktur." 

China ist "strategischer Rivale"

Nach einer Neubewertung der Beziehungen bezeichnete die EU China nicht mehr nur als strategischen Partner, sondern auch als Rivalen. Ein von der Kommission veröffentlichter Zehn-Punkte-Plan für die Beziehungen zu China stellte eine "Verschiebung des Gleichgewichts von Chancen und Herausforderungen" fest. China-Experte Huotari findet das bemerkenswert: "Das ist eine neue Sprache, die vorher so nicht zu hören war."

Sichtbar werde die neue Qualität der Beziehungen an dem vollen Kalender der vergangenen Wochen. Etwa an dem Besuch des Präsidenten Xi Jinpings in Italien oder seinem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris. In Brüssel hat das den Eindruck erweckt, China setze vor allem auf bilaterale Beziehungen, parallel zu den Verhandlungen mit der gesamten EU.