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PolitikEuropa

EU-Wahlen 2024: Liberale wollen "aus der Mitte" mitgestalten

27. März 2024

In Brüssel haben die europäischen Liberalen und Zentristen ihr Team für den Wahlkampf aufgestellt. Ihr Abschneiden könnte entscheidend für die Besetzung der Kommissionspräsidentschaft sein.

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Brüssel EU-Parlament Renew-Gruppe
Das Team: Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Valerie Hayer und Sandro Gozi (4., 5. und 6.v.l.) mit anderen Politikern beim Wahlkampf-Auftakt der europäischen Liberalen in Brüssel am 20. März 2024Bild: CC BY-NC-ND © ALDE Party

Bei der letzten Wahl war die liberale Renew-Gruppe der Königsmacher – oder besser gesagt – der Königinnenmacher. Gemeinsam mit den Sozialdemokraten und der Europäischen Volkspartei hoben sie Ursula von der Leyen 2019 ins Amt der EU-Kommissionspräsidentin.

"Wir haben es geschafft, unsere Gruppe in das Zentrum des Spiels zu rücken", freut sich Valerie Hayer, Mitglied der französischen Renaissance-Partei und Vorsitzende der Renew-Gruppe im EU-Parlament. Nie hätten die Liberalen derart viel Macht ausgeübt, betont die Französin beim Auftakt des EU-Wahlkampfes Mitte März in Brüssel.

Tatsächlich stellt die liberale Gruppe "Renew Europe" nach eigenen Angaben sowohl in der EU-Kommission als auch unter den Staats- und Regierungschefs jeweils sechs von insgesamt 27 Vertretern. Unter Ihnen ist etwa der französische Präsident Emmanuel Macron und die beiden Kommissions-Vizepräsidentinnen Margrethe Vestager und Vera Jourova. Auch der derzeitige EU-Ratspräsident Charles Michel ist ein Liberaler.

Wahlen könnten Sitze kosten

Im EU-Parlament ist die Fraktion mit 102 Abgeordneten vertreten und damit die drittgrößte Gruppe nach der Europäischen Volkspartei und den Sozialdemokraten. Der Platz auf dem Treppchen könnte allerdings durch die Europawahlen Anfang Juni bedroht sein. Nach Hochrechnungen des Wahlaggregators "Europe Elects" könnte die Renew-Gruppe knapp ein Fünftel ihrer Sitze verlieren und mit nur noch 82 Abgeordneten ins EU-Parlament einziehen. Sie wäre in diesem Fall nicht mehr dritt- sondern fünftgrößte Fraktion – hinter der rechtspopulistischen Gruppe "Identität und Demokratie" (ID) und den "Europäischen Konservativen und Reformern" (EKR). Um die wieder kandidierende deutsche EVP-Kandidatin Ursula von der Leyen erneut ins Amt zu haben, könnte die Gruppe auch nach der Europawahl 2024 erneut das Zünglein an der Waage sein.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
Ob EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch eine zweite Amtszeit erhält, könnte auch von der liberalen Renew-Fraktion abhängen (Archivbild)Bild: Kenzo Tribouillard/dpa/Pool AFP/AP/picture alliance

Eric Maurice, Forscher beim Thinktank "European Policy Center", meint, dass die Entscheidung der Renew-Gruppe, ob sie Ursula von der Leyen unterstützen werde, noch nicht gefallen sei. So könnte die Gruppe im Vorfeld der Nominierung durch den Europäischen Rat, in dem die Staats-und Regierungschefs sitzen, mit einer Weigerung drohen – etwa, weil sich von der Leyen zur sehr auf rechtskonservative Parteien stütze.

Ein Dreier-Team soll den Wahlkampf führen

Das Amt selbst scheint die Renew-Gruppe nicht unbedingt für sich beanspruchen zu wollen. So stellen die "Liberalen, Zentristen und Demokraten", wie sie sich selbst auch nennen, nicht den einen Spitzenkandidaten auf, der um das Amt des Kommissionspräsidenten kämpft, sondern schicken ein Team ins Rennen. "Wir machen keinen Wahlkampf um Spitzenpositionen, wir machen Wahlkampf für die Europäer", sagt Valerie Hayer, Teil des Kandidatenteams. Das notwendige Personal zur Besetzung von Spitzenpositionen hätten sie allerdings, versichert sie. 

Marie-Agnes Strack Zimmermann (FDP)
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) führt die Liste der deutschen Liberalen an und ist Teil des Spitzenteams von "Renew Europe"Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Die europäische liberale Parteienfamilie "Allianz der Liberalen und Demokraten" (ALDE) schickt Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die derzeit noch für die FDP im deutschen Bundestag sitzt, ins Rennen. Für die "Europäischen Demokraten" (EDP) tritt der Italiener Sandro Gozi an. Gemeinsam mit Hayer, die keiner Parteienfamilie angehört sind sie das "Team Europe", welches die Renew-Fraktion im EU-Wahlkampf vertreten soll.

"Eurofighterin" für Brüssel 

Inhaltlich setzen die Liberalen zehn Prioritäten. Unter anderem wollen sie die europäischen Verteidigungsfähigkeit steigern, setzen sich für die Rechte von Frauen und der LGBTQ+-Bewegung ein und wollen neue Regeln im Bereich der Digitalisierung und Umweltschutz umsetzen. Insbesondere wollen sie eine Reform der EU-Verträge, um die Bürger stärker zu beteiligen. Außerdem sollten europäische Werte nicht zum Ausverkauf stehen, fordern sie sie mit Blick auf autoritäre Tendenzen in einigen EU-Staaten.

Die deutsche Kandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagt im Gespräch mit der DW, dass sie sich auch von Europa aus weiter für die Ukraine einsetzen möchte. Sie wisse, dass die Verteidigung normalerweise Sache der Nationalstaaten sei, sehe aber eine Notwendigkeit, dass jetzt auf europäischer Ebene gehandelt werde. Strack-Zimmermann, die in der Wahlwerbung als "Eurofighterin" bezeichnet wird, hat sich in Deutschland als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag und mit ihren Forderungen nach Waffenlieferungen für die Ukraine einen Namen gemacht.

Abgrenzung zu Rechtsaußen 

Ihre französische Kollegin treibt ein anderes Thema um. "Lassen sie es uns deutlich sagen: Kein Flirt, keine Zweideutigkeit gegenüber Extremisten und Populisten – wir wollen Europa aus der Mitte heraus gestalten", sagt Hayer. In ihrem Heimatland Frankreich führt derzeit der rechtspopulistische Rassemblement National die Meinungsumfragen zu den Europawahlen an. Erst an zweiter Stelle folgt die von Hayer angeführte Wahlliste.

Valerie Hayer (r.)
Valerie Hayer (r.) führt bei den Europawahlen die Liste der Renaissance-Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron anBild: CC BY-NC-ND © ALDE Party

Der Politikanalyst Maurice erwartet, dass die französische Liste Renaissance die größte Delegation innerhalb der Renew-Gruppe bleiben werde. Intern werde sich aber die Frage stellen, ob die Renew weiter durch die Franzosen geführt werde. Denn innerhalb der Gruppe sei es schwierig, eine Balance zwischen dem liberalen und dem durch die Franzosen geprägten zentristischen Ansatz zu finden; ein Unterschied, der sich insbesondere in der Wirtschaftspolitik bemerkbar mache.

Die Abgrenzung zu Rechtsaußen betont auch der Politiker Sandro Gozi, der 2019 über die französische Liste Renaissance ins EU-Parlament einzog. Von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen fordert er, sich weniger in Richtung der rechten Regierung in Rom zu orientieren. "Der Weg zu Meloni und zu den Rechtsextremen ist eine Sackgasse. Und wir wollen nicht dort enden," sagt Gozi beim Auftakt des Wahlkampfes.

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel