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EU reagiert empört

Bernd Riegert19. Februar 2014

Die rote Linie ist überschritten: EU-Kommission und Parlament wollen Sanktionen gegen die Führung der Ukraine. Nach der Gewalt in Kiew sprechen Abgeordnete von "Bürgerkrieg".

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Elmar Brok und Ruslana Lyschytschko PK Europaparlament 19.02.2014
Solidarität zeigen: EU-Abgeordneter Brok (li.) und Oppositionelle Ruslana in BrüsselBild: DW/B. Riegert

Die halbe Nacht hat Rebecca Harms wieder nicht geschlafen. Sie versucht, per Telefon und Internet Kontakt mit ihren ukrainischen Freunden auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew zu halten. Die Straßenschlachten mit Toten und vielen Verletzten gehen der Vorsitzenden der grünen Fraktion im Europäischen Parlament mächtig an die Nieren.

Sie war schon oft auf dem Maidan, engagiert sich seit Jahren für die demokratische Opposition in Kiew. "Das ist das Allerschlimmste, was mir in den letzten Jahren passiert ist", sagt Harms der Deutschen Welle in Brüssel. Sie sei beschämt, weil alles, was sie an Unterstützung versprochen hätten, nicht geholfen habe. "Ich schwanke zwischen einer Verzweiflung, dass ich nichts machen kann, und einer wahnsinnigen Wut darüber, dass in Europa die ganze Zeit das Böse unterschätzt wurde. Das Böse, das in diesem Regime von Präsident Janukowitsch steckt." In der Ukraine habe ein Bürgerkrieg begonnen, so die Abgeordnete, ohne dass das Kriegsrecht formell verhängt worden sei.

Zeit scheint reif für Sanktionen zu sein

Rebecca Harms und viele andere führende Politiker in Brüssel treten für gezielte Sanktionen gegen den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und seinen Clan ein. EU-Kommissionspräsident Jose Barroso erhob diese Forderung vor einem Sondertreffen der europäischen Außenminister, das für Donnerstag (20.02.2014) einberufen wurde. "Wir haben klar gemacht, dass die EU auf jede Verschlechterung der Lage reagieren würde. Deshalb erwarten wir, dass die Mitgliedsstaaten jetzt Maßnahmen gegen diejenigen beschließen, die für die Gewalt und den Polizeieinsatz verantwortlich sind", sagte Jose Barroso.

Rebecca Harms Europaparlament 19.02.2014
Wut und Hilflosigkeit: Rebecca HarmsBild: DW/L. Frey

Deutschland und Frankreich treten für Sanktionen gegen die Verursacher der brutalen Gewalt in der Ukraine ein, wie der französische Präsident Francois Hollande am Mittwoch (19.02.2014) bei einer Pressekonferenz mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Paris mitteilte. Zuvor hatte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bereits einen Kurswechsel angekündigt.

Bisher hatte er Sanktionen, Reisebeschränkungen und das Einfrieren von Konten im Ausland abgelehnt. Jetzt, so erklärte er in der Nacht, müssten Sanktionen für diejenigen, die das Blutvergießen zu verantworten haben, in Betracht gezogen werden. Auch das polnische Parlament sprach sich in einer Erklärung am Mittwochvormittag für Sanktionen gegen die ukrainische Regierung aus. Der polnische Außenminister Rade Sikorski kündigte in einem Interview an, die EU werde mit "kühlem Kopf" reagieren. Von außen habe man relativ wenig Einflussmöglichkeiten.

Können Sanktionen noch helfen?

Jacek Saryusz-Wolski, Europa-Abgeordneter aus Polen und Experte für die Beziehungen zu östlichen Nachbarn der EU, vermutet, dass es für Sanktionen gegen Präsident Janukowitsch wahrscheinlich schon zu spät ist. "Die hat er längst einkalkuliert." Der Abgeordnete geht nach dem letzten gescheiterten Krisengespräch zwischen Präsident und Opposition in Kiew davon aus, dass "Janukowitsch seinen Weg bis zum Ende gehen will. Er wird all seine Patronen abfeuern."

Die ukrainische Pop-Sängerin und Oppositionspolitikerin Ruslana Lyschytschko, die sich zufällig gerade in Brüssel aufhält, appellierte an die Europäische Union, alles zu tun, was in ihrer Macht stehe. In eine blau-gelbe Flagge der Ukraine gehüllt schilderte sie Reportern ihre Sicht der Lage auf dem Maidan-Platz. Sie macht die staatlichen Behörden für den Ausbruch der Gewalt verantwortlich. "Präsident Janukowitsch ist der Schuldige, weil er kriminelle Methoden anwendet. Er hat professionelle Provokateure auf die Straßen von Kiew geschickt. Das sind Beamte in Zivilkleidung, die aussehen wie normale Menschen vom Maidan-Platz."

Ruslana Lyschytschko in Europaparlament 19.02.2014
Geballte Faust in Brüssel: Ruslana LyschytschkoBild: DW/B. Riegert

Trägt Putin eine Mitschuld?

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuss im Europäischen Parlament, Elmar Brok (CDU), empörte sich vor allem über den Einfluss, den der russische Präsident Wladimir Putin auf die Entscheidungen in der Ukraine ausübe. "In dieser Lage spielt Herr Putin eine ganz entscheidende Rolle. Er ist teilweise verantwortlich für die Gewalt in der Ukraine", so Elmar Brok. Putin hatte mit Hilfskrediten und Preisnachlässen beim Gas den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch dazu gebracht, ein geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterschreiben. Das war der Auslöser für die seit drei Monaten andauernden Proteste in der Ukraine.

Elmar Brok und auch die grüne Abgeordnete Rebecca Harms riefen die EU-Außenminister dazu auf, gegenüber Russland am Donnerstag eine klare und harte Haltung zu zeigen. "Wir werden mit Russland nicht über das Schicksal der Ukraine verhandeln. Ihr Schicksal bestimmt die Ukraine selbst, da haben weder Russland noch die EU etwas zu sagen", sagte Elmar Brok. Die Grüne Rebecca Harms verlangte, dass die EU auch mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland drohen müsse. Als Gastgeber der Olympischen Spiele, die für Frieden stünden, könne sich Präsident Putin Szenen wie auf dem Maidan nicht leisten, wetterte der konservative Abgeordnete Brok.

Die Botschafter der EU-Mitgliedsstaaten berieten bereits am Mittwoch in einer eilig einberufenen Sitzung über mögliche gezielte Sanktionen gegen einzelne Personen in der Ukraine. Der Beschluss müsste am Donnerstag einstimmig durch alle EU-Außenminister in Brüssel erfolgen. Die Sanktionen könnten bereits am Freitag in Kraft treten, sobald sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Das Angebot, ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der Ukraine abzuschließen, solle aber weiter auf dem Tisch bleiben, kündigte ein Sprecher der EU-Kommission an. Die Minister sollten eines im Sinn haben, so der polnische Europa-Abgeordnete Jacek Saryusz-Wolski: "Das Herz Europas schlägt in diesen Tagen auf dem Maidan und nicht in Brüssel."

Eröffnungsfeier Sotschi 07.02.2014
Drahtzieher im Hintergrund: Russlands Präsident Putin (in Sotschi)Bild: Getty Images/David Goldman