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Wie geht es weiter mit dem Frauenfußball?

Matt Pearson
1. August 2022

Die Euro 2022 war ein großer Erfolg, das Turnier brach alle Zuschauerrekorde. Ob Europas größte Ligen nachhaltig diesen Schwung aufnehmen können, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten herausstellen müssen.

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Englands Spielerinnen recken den EM-Pokal in die Luft und bejubeln im Konfettiregen ihren Triumph
Die Euro 2022 begeistert über drei Wochen die Massen. Ein nachhaltiger Erfolg? Bild: Lisi Niesner/REUTERS

Chloe Kellys Siegtreffer für England im Finale der Euro 2022 war das Ende eines besonderen Turniers. So viel Aufmerksamkeit für den Fußball der Frauen gab es noch nie. Auch Martina Voss-Tecklenburg war begeistert. "Es ist toll, dass wir das ganze Turnier im Rampenlicht standen", sagte die Bundestrainerin schon am Vorabend des Endspiels. "Wir haben bestätigt, dass es nicht nur um Marketing und Fans geht. Es war auch ein großartiges Turnier im rein sportlichen Sinne."

Gestiegene Qualität

In der Gruppenphase gab es viele technisch und taktisch hervorragende Mannschaftsleistungen zu sehen. Die K.o.-Runden waren von ähnlich hoher Qualität, wobei die beiden Finalisten England und Deutschland in puncto Spielwitz, Einsatz und Taktik herausragten. 

Eine statistische Analyse des britischen Sportportals "The Athletic", die vor dem Finale veröffentlicht wurde, ergab, dass sich die Qualität des Fußballs im Vergleich zur Euro 2017 verbessert hat. Die Passgenauigkeit stieg um sechs Prozent auf 77 Prozent. Dagegen sank die Zahl der Fehler, die zu Toren führten.

Alexandra Pop jubelt nach ihrem Treffer gegen Frankreich
Die Qualität des Spiels ist im Vergleich zu vorherigen EM-Turnieren deutlich gestiegenBild: Nick Potts/AP Photo/picture alliance

Die Professionalisierung des Frauenfußballs spielte dabei eine große Rolle, insbesondere in England, wo die Women's Super League im Jahr 2018 neue Maßstäbe setzte. Doch selbst auf der Insel müssen viele Spielerinnen andere Wege finden, um finanziell über die Runden zu kommen. Das niedrigste Jahresgehalt in der höchsten Spielklasse beträgt etwa 20.000 Pfund, umgerechnet rund 24.000 Euro. 

Erfolg zunehmend an Geld gekoppelt

Angesichts des rasanten Wandels in England - und in geringerem Maße auch in Spanien, Frankreich und Italien - hat die Bundesliga Mühe mitzuhalten. Deutschland war lange Zeit eine dominierende Kraft auf dem Kontinent. Doch die Zuschauerzahlen und die Finanzen der Bundesliga hinken hinterher.

"Wir wollen mehr Chancengleichheit, bessere Stadien, mehr Zuschauer, mehr Sendezeit im Fernsehen, andere Anstoßzeiten", sagte Bundestrainerin Voss-Tecklenburg. Für die Zukunft des Fußballs in Deutschland sei es entscheidend, den Schwung mitzunehmen, den ihre Mannschaft in England ausgelöst habe.

Der Blick in die anderen europäischen Ligen zeigt: Erfolg ist zunehmend an Geld gekoppelt. In all diesen Ligen sind die erfolgreichen Frauenvereine an starke Männermannschaften gebunden und bei der Finanzierung von ihnen abhängig. Dabei verwenden die Männervereine nur einen kleinen Teil ihrer Einnahmen, um die Frauenteams zu finanzieren.

Das Geld, das für den Frauenfußball ausgegeben wird, ist von den UEFA-Regeln des Financial Fairplay ausgenommen. Dieser Umstand hat es für Vereine ohne Anbindung an große Klubs fast unmöglich gemacht, an der Spitze mitzuhalten. Diese Ungleichheit ist aber nicht nur auf die Klubs beschränkt, sondern gilt auch für Nationalmannschaften. Bei der Euro 2022 wurden neun der 24 Gruppenspiele mit einem Vorsprung von drei oder mehr Toren gewonnen.

Momentum mitnehmen

Trotz der positiven Stimmung bei diesem Turnier können sich weder die UEFA noch die Nationalverbände auf den Lorbeeren auszuruhen. Die nationalen Ligen müssen versuchen, aus dem Erfolg der Euro 2022 Kapital zu schlagen. Tottenham Hotspur hat angekündigt, den Saisonauftakt des Frauenteams gegen Manchester United im großen Stadion des Vereins auszutragen. Auch das Eröffnungsspiel der Bundesliga-Saison am 16. September zwischen Pokalfinalist Eintracht Frankfurt  und Vizemeister FC Bayern wird in der Frankfurter Arena stattfinden. Wie nachhaltig das sein kann, muss sich zeigen.

Sam Kerr  bejubelt einen Treffer als Spielerin des FC Chelsea
Sam Kerr ist momentan die bestbezahlte Spielerin der Womens Super League in EnglandBild: Gareth Fuller/empics/picture alliance

Rekord gebrochen

Nach Angaben der UEFA kamen zur Euro 2022 insgesamt fast 575.000 Zuschauer. Unter den Besuchern waren rund 100.000 Kinder. 47 Prozent aller Fans in den Stadien waren weiblich. Zehntausende waren für das Turnier aus dem Ausland angereist. 

Die Zuschauerzahl von 87.192 beim Finale in Wembley war die höchste in der Geschichte eines EM-Spiels, egal ob Männer oder Frauen. Der alte Rekord stammt aus dem Jahr 1964, als Spaniens Männer vor 79.115 Zuschauern im Bernabeu-Stadion in Madrid gegen die damalige Nationalmannschaft der Sowjetunion spielte.

Die Leiterin der UEFA-Abteilung Frauenfußball, Nadine Kessler, nannte die Euro 2022 ein "unvergessliches Ereignis für eine ganze Generation". Kessler, 2013 mit Deutschland Europameisterin, wird wissen, dass dies nur ein wichtiger Baustein für ein langes Projekt sein kann.

England aber feiert jetzt erst einmal seine neue Heldinnen. Nationaltrainerin Sarina Wiegman sagte auf der letzten EM-Pressekonferenz nicht ohne Stolz: "Wir haben die Gesellschaft verändert."

Der Text wurde aus dem Englischen von Jörg Strohschein adaptiert.