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Europa der Sprachen?

Bettina Kolb 6. September 2002

Im Jahr der "Europäischen Sprachen" 2001 forderte die Europäische Union: jeder Bürger der Staatengemeinschaft sollte mehrere Sprachen sprechen. Es scheint, dass diese Forderung in Deutschland nicht angekommen ist.

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Spaß am Lernen? Deutsche Schüler lernen immer weniger FremdsprachenBild: Bilderbox

Auch im Jahr 2002 gibt die Fremdsprachenkompetenz der Deutschen keinen Anlass zum Jubel. Englisch lernen nahezu alle Schüler, wirklich sprechen können es nur die wenigsten. "Es wird zu wenig Gewicht auf die mündliche Ausdrucksweise gelegt und Sprachkompetenz, die sich an der Lebenswelt orientiert, wird vernachlässigt", so Martina Schmerr von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegenüber DW-WORLD.

Der Vergleich mit anderen europäischen Staaten fällt ähnlich desaströs aus wie das Ergebnis der diesjährigen PISA-Studie: Während die Luxemburger laut Sprachwissenschaftler Hans-Jürgen Krumm im Schnitt 2,9 und die Finnen im Schnitt 2,4 Fremdsprachen beherrschen, bringt man es in Deutschland gerade mal auf einen Schnitt von 1,2.

Reicht Englisch als Fremdsprache?

Seit 1998 stagnieren die Zahlen der Schüler, die Französisch lernen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel von Baden-Württemberg. Das Bundesland grenzt an Frankreich und so ist es kein Wunder, dass im Sinne deutsch-französischer Völkerfreundschaft bisher an vielen Schulen Französisch als erste Fremdsprache unterrichtet wurde. Martina Schmerr berichtet von Eltern, die es lieber sähen, ihre Kinder würden zunächst das auf dem globalen Wirtschaftsmarkt nützlichere Englisch lernen. Eine Entwicklung, die in ihren Augen fatal ist: Denn viel zu leicht würden die Kinder die Motivation verlieren, auch andere Fremdsprachen zu erlernen, sobald sie feststellten, dass man mit Englisch "prima durchkommt."

Sprachen fördern die interkulturelle Kompetenz

Sprache sehen viele Gesellschaftswissenschaftler als einen wichtigen Baustein auf dem Weg zu einem friedlichen kulturellen Miteinander. Die erste Sprache, die Kinder lernen, sollte daher eine sogenannte 'Begegnungssprache' oder aber eine 'Nachbarsprache' sein, fordert die GEW. Das bedeutet nichts anderes, als an Schulen mit einem hohen Anteil ausländischer Kinder deren Muttersprache zur ersten Fremdsprache für die deutschen Kinder zu machen und damit ein spielerisches und interaktives Lernklima zu schaffen. Nachbarsprachen sind solche, die im Grenzgebiet gelernt werden, beispielsweise Polnisch, Tschechisch, Niederländisch.

Russisch nicht gerade beliebt

In der Realität orientieren sich viele Schulen und Schüler bei der Wahl der Fremdsprachen an "Sprachen mit hohem Prestige", hat Roland Fischer beobachtet, der in Linz zur Sprachenpolitik forscht. Ein hohes Prestige haben demnach Italienisch, aber auch Spanisch, das zumindest in Österreich Französisch den Rang ablaufen könnte. Die Tatsache, dass Spanisch mittlerweile eine wichtige Handelssprache ist, dürfte trendbestimmend sein. Russisch hingegen, das in der DDR Pflichtsprache war, verliert in Deutschland seit der Wiedervereinigung kontinuierlich an Bedeutung. "Prestigemangel" nennt Fischer auf Nachfrage von DW-WORLD als möglichen Grund.

Türkisch für deutsche Schüler?

Am Rückgang des Russisch-Unterrichtes ändert auch die wachsende Zahl deutschstämmiger Immigranten aus Russland nichts. Dafür boomt Türkisch, wenngleich auch nicht als Fremdsprache, sondern im muttersprachlichen Unterricht. Nur wenige deutsche Schüler wählen das Fach. Daher ist Türkisch neben den 'Exoten' wie Sorbisch, das traditionell in Sachsen, und Dänisch, das in Schleswig-Holstein gelehrt wird, am Ende der Schülerzahlen-Rangliste zu finden.

Das fremdsprachliche Potential, das durch ausländische Mitschüler reichlich vorhanden ist, wird bisher nicht völlig ausgeschöpft. Von der Mehrsprachigkeit ist Deutschland noch weit entfernt - Schuld daran trägt auch die Bildungspolitik.