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Gespaltenes Parlament

Christoph Hasselbach12. März 2014

Das Europaparlament empört sich über Russlands Verhalten auf der Krim. Doch welchen Preis wäre man bereit zu zahlen? Darüber sind sich die Abgeordneten nicht einig. Kritik an der Ukraine wird kaum laut.

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Abgeordnete halten ukrainische Fahne mit Sternen hoch Foto:
Auch ein ukrainischer Parlamentarier (links) ist in Brüssel zu GastBild: Reuters

Einig ist sich das Parlament eigentlich nur in der Einschätzung, wie ernst die Lage in Europa derzeit ist. Die meisten Abgeordneten sehen die für kommenden Sonntag (16.03.2014) geplante Volksabstimmung auf der Krim als unrechtmäßigen Versuch Russlands, die Halbinsel zu annektieren. Einen "Völkerrechtsbruch" nennt sie der deutsche CDU-Abgeordnete und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Elmar Brok. Und Hannes Swoboda, der Fraktionsvorsitzende der Sozialisten, pflichtet ihm bei: "Russland kann nicht sagen, es gehe um den Willen der Bürger der Krim. Nein, das Referendum ist erzwungen, sie sagen ja jetzt schon, wie es ausgehen wird!"

Vergleiche mit früheren Zeiten fallen: Der Kalte Krieg sei zurück - das ist wohl das am häufigsten genannte Stichwort. Andere sehen die Machtpolitik des 19. Jahrhunderts wiederauferstehen, und eine Rednerin zieht eine Parallele zur Sudetenkrise kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, als Hitler sich erst mit Zustimmung Großbritanniens und Frankreichs das Sudetenland und wenig später die gesamte Tschechoslowakei einverleibte.

Testfall für Europa

Mit solchen Vergleichen hält sich Kommissionspräsident José Manuel Barroso zurück. Doch auch er hämmert den Abgeordneten zu Beginn der Debatte seine Einschätzung ein, es gehe für Europa um viel: "Dies ist ein Test für unsere Union, und der Ausgang der gegenwärtigen Situation wird in den kommenden Jahren weitreichende geopolitische Konsequenzen für den europäischen Kontinent haben."

Barroso am Rednerpult Foto: Reuters
Barroso sieht Europa in der PrüfungBild: Reuters

Das will Barroso aber nicht so verstanden wissen, als befinde sich die EU in einem Wettbewerb mit Russland um geopolitischen Einfluss in den früheren Sowjetrepubliken. "Wir verlangen nicht von diesen Ländern, dass sie Russland den Rücken kehren. Im Gegenteil, wir ermutigen sie, gute nachbarschaftliche Beziehungen mit Russland zu haben und ihre traditionellen Handelsbeziehungen auszubauen." Doch Russland müsse es akzeptieren, "dass diese Länder das Recht haben, ihre eigene Zukunft zu gestalten und die Art ihrer Beziehungen zu Russland selbst zu bestimmen".

Schalke soll keine Gazprom-Trikots mehr tragen

Doch was, wenn Russland die Krim tatsächlich annektiert, wofür im Moment alles spricht? Die Einheit in der EU und auch im Parlament hört nämlich spätestens bei dieser Frage auf. Da ist zwar eine große, fraktionsübergreifende Gruppe der Sanktionsbefürworter. Aber diese Gruppe entzweit die Frage, wie weit Strafen am Ende gehen würden, vor allem, wenn sie auch EU-Staaten treffen. Und manche sehen Sanktionen grundsätzlich als Irrweg. Rebecca Harms, Mitvorsitzende der Grünenfraktion, hält Sanktionen sehr wohl für wirksam. Sie müssten aber "so angelegt sein, dass deutlich wird, wir wollen nicht das russische Volk treffen, wir wollen aber diejenigen treffen, die für diese Eskalationen verantwortlich sind". Harms plädiert auch deshalb dafür, sich von russischem Gas unabhängiger zu machen. Andere wollen die Konten von russischen Verantwortlichen einfrieren und ihnen die Einreise in die EU verbieten, ihnen und ihren Familienmitgliedern damit auch die Einkaufstouren in europäischen Hauptstädten nehmen.

Der Liberale Alexander Graf Lambsdorff denkt auch an den Sport: "Russland hat die Fußballweltmeisterschaft 2018, das muss auf den Prüfstand. Und ich fordere den FC Schalke 04 auf, am Freitag ohne Gazprom-Logo auf den Trikots in Augsburg aufzulaufen, um ein Signal zu senden, dass es nicht so weitergeht."

Wessen Selbstbestimmungsrecht?

Nur wenige Redner kritisieren währenddessen die Ukraine oder zweifeln grundsätzlich an den Sanktionen. Der griechische Europaminister Dimitri Kourkoulas nahm am Mittwoch (12.03.2014) als Vertreter der Mitgliedsstaaten an der Debatte teil. Er drängt die Ukraine dazu, "in allen Regionen alle Volksgruppen" einzuschließen und "nationale Minderheiten" zu schützen. Gemeint ist die russische Minderheit.

Schalke-Spieler im Gazprom-Trikot Foto: picture-alliance/dpa
Wirbt Schalke für den Falschen?Bild: picture-alliance/dpa

Noch weiter geht Ewald Stadler von der rechtspopulistischen Partei Bündnis Zukunft Österreich. Manche EU-Politiker hätten Ukrainer geradezu gegen Russen aufgehetzt, klagt er und wird dafür ausgebuht. Und wer das Selbstbestimmungsrecht der Kosovo-Albaner gegenüber Serbien anerkenne, müsse es auch für die russischsprachige Mehrheit auf der Krim gelten lassen: "Alle, die heute buh schreien, sind jene, die morgen die Verantwortung für einen Krieg übernehmen wollen. Werden Sie dann die Verantwortung dafür übernehmen? Diese Situation dort kann jederzeit von einem kalten Krieg in einen heißen Krieg wechseln."

Ein Abgeordneter, der völlig aus dem Rahmen fällt, ist der rumänische Sozialist Adrian Severin. Bevor die EU mit Russland verhandle, solle man "Waffengleichheit" herstellen. "Zusammen mit unserem Geld müssen wir Friedenstruppen in die Ukraine schicken. Die Krim ist vielleicht verloren, aber retten wir wenigstens den Rest!" Er ist weit und breit der einzige, der bereit wäre, Soldaten zu schicken.

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