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Europa wird keine Militärmacht

Christoph Hasselbach20. Dezember 2013

Bei ihrem Brüsseler Gipfel haben die Staats- und Regierungschefs der EU mehr militärische Zusammenarbeit vereinbart. Doch wenn es konkret werden soll, beginnen die Probleme.

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Hollande und Merkel schauen in entgegengesetzte Richtungen (Foto: Getty Images)
Bild: Lionel Bonaventure/AFP/Getty Images

Braucht jeder europäische Kleinstaat eine eigene Luftwaffe? Müssen die europäischen Staaten mehrere verschiedene Panzertypen entwickeln? Sollten in jedem Land eigene Kampfpiloten ausgebildet werden? Ob aus nationalem Prestige, aus Tradition oder für die jeweils eigene Industriepolitik - die Europäer leisten sich in der Verteidigungspolitik teure Mehrfachstrukturen. Das mag in wirtschaftlich guten Zeiten noch halbwegs hinnehmbar gewesen sein. Angesichts knapper Haushalte wachsen die Zweifel an der militärischen Kleinstaaterei. Durch Kooperation und Zusammenlegung ließe sich viel Geld sparen. So reichen die Ideen von der gemeinsamen Beschaffung und Entwicklung von Rüstungsgütern über eine standardisierte Ausbildung bis hin zu vereinten Militäreinsätzen. Doch so einleuchtend der Grundgedanke auch ist, hapert es noch an der Umsetzung.

Teure französische Militäreinsätze

Eine konkrete Idee zum Thema Militärzusammenarbeit legte der französische Staatspräsident Francois Hollande vor. Er hat französische Truppen Anfang des Jahres nach Mali und jetzt auch in die Zentralafrikanische Republik entsandt, um Aufstände niederzuschlagen und die Länder zu befrieden. Beide liegen im traditionell französischen Einflussgebiet in Westafrika. Frankreich handelt also auch im eigenen Interesse. Doch seine Einsätze sind teuer. Hollande schlägt einen ständigen Fonds der EU vor, aus dem solche Missionen bezahlt werden könnten. Er habe, sagte Hollande in Brüssel, "von fast allen europäischen Regierungen Zustimmung bekommen. Jetzt muss dieser politischen Unterstützung auch die Finanzierung folgen".

Gepanzerte Fahrzeuge (Foto: Getty Images)
Französische Patrouille in der Zentralafrikanischen Republik.Bild: S.Kambou/AFP/GettyImages

Merkel will lieber Waffen liefern

Doch da scheint sich Hollande verhört haben. Der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt entgegnete kühl: "Wenn man um europäische Solidarität bittet, dann sollte die Entscheidungsfindung innerhalb der europäischen Strukturen liegen." Im Klartext heißt das: Wie bisher sollte jeder Staat seine eigenen Missionen selbst bezahlen und nur bestimmte gemeinsame Aufgaben wie humanitäre Hilfe auf alle abwälzen können. Die gerade zum dritten Mal gewählte deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel legt weniger Wert auf europäische Kampfeinsätze, "weil wir als Europäer ja nicht überall auf der Welt die Probleme lösen können, sondern wir müssen die Regionen befähigen, ihre Probleme lösen zu können". Statt Kampfeinsatz also lieber Rüstungsgüter liefern. Die rückwirkende Finanzierung eines Einsatzes wie des französischen in Afrika lehnt sie schon deshalb ab, wie sie nach den Beratungen sagte, weil man ja hinterher keinen Einfluss mehr auf die Entscheidung habe. Immerhin wollen die Regierungen die Finanzierung von EU-Militärmissionen grundsätzlich noch einmal überprüfen.

Starke Europäer, starke NATO

Der britische Premierminister David Cameron wiederum - ganz Atlantiker - hält zwar eine militärische Zusammenarbeit unter den Europäern für sinnvoll. "Aber es ist nicht richtig, dass die Europäische Union diese Fähigkeiten hat - eigene Armeen, Luftwaffen und so weiter." Er will auf keinen Fall Parallelstrukturen zur NATO hinnehmen. Das wäre in seinen Augen nicht nur Verschwendung, es würde auch die NATO schwächen. In dem Punkt hat ihm allerdings kein geringerer als der NATO-Generalsekretär widersprochen. Anders Fogh Rasmussen war extra zu den Beratungen eingeladen. Er sehe "keinen Widerspruch zwischen einer gestärkten Verteidigungsfähigkeit in Europa und einer starken NATO", so Rasmussen. Umgekehrt gelte: "Wenn wir Europäer uns nicht mehr um unsere Sicherheit kümmern, laufen wir Gefahr, dass sich Amerika von uns abwendet und Europa und Amerika auseinandertreiben." Um speziell Cameron zu beruhigen, fügte Rasmussen hinzu, es gehe nicht darum, "eine europäische Armee zu schaffen". Nach wie vor würden Streitkräfte zu den jeweiligen Einzelstaaten gehören.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen (Foto: Reuters)
Rasmussen: NATO und EU ergänzen sich.Bild: Reuters

Europa nur eine 'soft power'?

Beschlossen haben die Staats- und Regierungschefs immerhin, zwischen 2020 und 2025 eine gemeinsame europäische Drohne zu entwickeln. Bisher wollen sich sieben Mitgliedsländer daran beteiligen, darunter Deutschland. Was die Zusammenarbeit darüber hinaus erbringen wird, bleibt offen. Viele in Europa beklagen die militärische Schwäche der EU. Wenn die Europäer militärisch aktiv werden, dann nicht als EU, sondern als Einzelstaaten. Andere finden das gar nicht schlimm. Die Stärke Europas liege auf diplomatischem Gebiet, das Militärische wäre da eher kontraproduktiv. Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, glaubt jedenfalls, "dass die Rolle der Europäischen Union in einer absehbaren Zeit die einer 'soft power' bleiben wird. Wir werden sicher keine militärische Großmacht werden." Er ließ zwar offen, ob er das gut oder schlecht findet, doch als Befürworter einer militärischen Großmacht Europa ist Schulz bisher jedenfalls nicht in Erscheinung getreten.