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Europarat untersucht CIA-Affäre

Bernd Riegert23. Januar 2006

Die angeblichen Geheimgefängnisse und Gefangenentransporte der CIA in Europa beschäftigen eine Reihe von Nationen und Institutionen. Der Europarat führt gleich zwei Untersuchungen zu den Vorwürfen durch.

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CIA-Flugaffäre zieht weitere KreiseBild: AP

Der Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Dick Marty, legt am Dienstag (24.1.) einen ersten Zwischenbericht vor. Der Generalsekretär des Europarates, Terry Davis, führt eigene Ermittlungen und hat sich direkt an die Regierungen der Mitgliedstaaten gewandt.

Europarat fordert von Regierungen Auskünfte

Bis zum 21. Februar hat der Generalsekretär des Europarates den 46 Mitgliedsstaaten Zeit gegeben, auf seine schriftlichen Fragen zu antworten: Haben die Regierungen seit 2002 gewährleistet, dass es auf ihrem Territorium keine Gefängnisse gab, in denen Menschen ohne Haftbefehl festgehalten oder gar gefoltert wurden? Wurde sichergestellt, dass der amerikanische Geheimdienst Gefangene nicht via Europa in Länder transportiert hat, in denen sie gefoltert wurden?

Falls europäische Regierungen bei den mutmaßlichen Aktivitäten der CIA geholfen haben, wäre das ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, so der Generalsekretär des Europarates, Terry Davis: "Ich kann untersuchen, wie die Mitgliedsstaaten ihren Verpflichtungen aus der Konvention nachkommen. Ich habe diese Vollmacht genutzt und es ist nicht das erste Mal, dass dies geschieht. In den letzten 50 Jahren gab es rund 80 solcher Untersuchungen."

Häufige Verstöße gegen Menschenrechtskonvention

Allerdings waren die Vorwürfe selten so umfangreich und tiefgreifend wie diesmal, gesteht Terry Davis zu. Der Europarat sei besser geeignet als die Europäische Union, den Fall zu prüfen, weil schließlich alle europäischen Staaten außer Weißrussland Mitglied im Europarat seien - auch Rumänien und Mazedonien, in denen die CIA angeblich aktiv war oder ist.

"Ich erwarte, vollständige Antworten von den Regierungen zu bekommen. Ob die Stellungnahmen mir und den Außenministern ausreichen werden, wird man in einem Monat sehen", sagt Terry Davis. Die Außenminister des Europarates könnten ein Mitgliedsland verurteilen und mit Sanktionen belegen.

Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof möglich

Auch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wäre denkbar und keineswegs außergewöhnlich, sagt der Generalsekretär des Europarates. Vor dem Gerichtshof sind ständig Dutzende Fälle von Menschenrechtsverletzungen aus vielen Mitgliedsstaaten anhängig.

"Es ist ja bekannt, dass von Zeit zu Zeit Regierungen der Mitgliedstaaten bescheinigt wird, dass sie ihre Pflichten nicht einhalten", sagt der Europarats-Generalsekretär. "Die Fälle sind nicht so umfassend wie dieser, aber dennoch ernst. Das macht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Er fällt sehr häufig entsprechende Urteile."

Auch die NATO könnte in Aktivitäten verwickelt sein

Terry Davis, neuer Generalsekretär des Europarates
Der Generalsekretär des Europarates Terry DavisBild: AP

Terry Davis schließt nicht aus, dass die NATO in die angeblichen Aktivitäten des amerikanischen Geheimdienstes verwickelt ist. Die Kosovo-Truppe KFOR, die von der NATO geführt wird, betreibt ein Gefängnis, das der Europarat nicht inspizieren dürfe. Und das, obwohl das Anti-Folter-Kommitee des Europarates das ausdrückliche Recht hat, jedes Gefängnis auf europäischem Boden in Augenschein zu nehmen.

Bereits vor eineinhalb Jahren hat der Generalsekretär des Europarates offiziell beim Generalsekretär der NATO um Aufklärung gebeten - bislang jedoch ohne Erfolg. Offenbar gebe es etwas zu verbergen, glaubt Terry Davis: "Ich sage nicht, dass es eine Verbindung gibt, aber es ist jetzt 18 Monate her, dass wir Zugang zu Gefängnissen unter der Kontrolle von KFOR in Kosovo verlangt haben. Das war lange vor den aktuellen Vorwürfen, aber es ist möglich, dass dort solche geheimen CIA-Gefängnisse sein könnten. Ich weiß aber nichts Genaues."

Während die Parlamentarier des Europarates Medienberichte zusammentragen, Flugdaten und Satellitenfotos auswerten, setzt der Generalsekretär des Europarates auf die direkte Befragung der Regierungen. Gemeinsam mit Dick Marty aus dem Justizausschuss des Parlamentarischen Versammlung wolle er die Wahrheit ans Licht fördern, sagt der Generalsekretär.

Amerika hat Beobachterstatus

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben beim Europarat Beobachterstatus, nehmen an den regelmäßigen Tagungen teil. Direkt aus Washington werde er aber wohl keine Informationen erhalten, vermutet Terry Davis: "Als Beobachter beanspruchen die Amerikaner, unsere Werte zu respektieren. Ich habe aber nicht die Befugnis, von ihnen eine Erklärung zu fordern. Das geht nur bei Mitgliedern, die die Konventionen unterschrieben haben."

Der Wirbel um die angeblichen CIA-Gefängnisse, über die die "Washington Post" und die Schweizer Zeitung "BLICK" berichtet haben, kommt den Diplomaten im Europarat in Straßburg nicht ungelegen. So wird die traditionsreiche Institution, die eher ein Schatten-Dasein fristet, durch den vermeintlichen Skandal wieder einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.