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Europäische Lösung nicht in Sicht

Bernd Riegert15. Februar 2016

In der Flüchtlingsfrage sind die EU-Außenminister bei ihren Beratungen in Brüssel auf keinen grünen Zweig gekommen. Deutschland hat immer weniger Verbündete. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Mazedonien baut zweiten Zaun an der Grenze zu Griechenland. Foto: EPA/GEORGI LICOVSKI +++(c) dpa -
Grenzzaun zwischen Mazedonien und Griechenland wird verstärktBild: picture-alliance/dpa/G. Licovski

Offiziell stand das Thema gar nicht auf der Tagesordnung des EU-Außenministerrates, weil es keine neuen Vorschläge zur Lösung der Flüchtlingskrise in der EU gab, über die man abstimmen müsste. Trotzdem haben die Außenminister natürlich über dieses drängende Problem gesprochen, ohne sich allerdings anzunähern. Das bleibt nun dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag überlassen. Den Vorschlag der EU-Kommission, Flüchtlinge in Griechenland zu registrieren und dann per Quote auf die EU-Staaten zu verteilen, setzen die Mitgliedsstaaten weiter nicht um, trotz mehrmaliger Aufforderungen. Von den bis 160 000 Menschen, die aus Italien und Griechenland umverteilt werden sollen, haben gerade einmal 500 diese Reise angetreten. Auch der Plan der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei für illegale Migration zu schließen und Flüchtlinge direkt aus der Türkei per Kontingent in der EU unterzubringen, hat immer weniger Befürworter.

Infografik: Flüchtlingsroute und Grenzkontrollen im Schengen-Raum, DW Deutsch

Merkel hat nur noch wenige Mitstreiter

Selbst der engste Verbündete Frankreich will nicht mehr mitziehen. Der französische Premierminister Manuel Valls lehnte Kontingente ab. Der neue französische Außenminister Jean-Marc Ayrault gab sich beim Treffen mit seinen Kollegen in Brüssel diplomatischer. Er sagte, die Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland sei ausschlaggebend. "Sie muss verstärkt werden und dabei helfen, zusammen mit unseren Partnern einen Vorschlag zu entwickeln, wie wir nationale Interessen wahren und uns Kapazitäten für die neuen Herausforderungen zulegen können." Die Bundeskanzlerin will auf dem kommenden Gipfeltreffen eine Bilanz ziehen, ob die bisher eingeschlagene Politik weiterhilft. Die Bilanz falle gemischt bis mager aus, geben EU-Diplomaten zu. Um eine Annäherung zwischen den Lagern zu finden, reist der EU-Ratspräsident in den nächsten Tagen quer durch den Kontinent, um den Gipfel vorzubereiten. Außerdem kommt aller Voraussicht nach vor dem eigentlichen Treffen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag noch eine "Koalition der Willigen" mit dem türkischen Premierminister Ahmet Davutoglu zusammen. Dabei will man ausloten, ob die EU-Grenze zur Türkei besser gesichert werden kann, ob die Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei besser klappt und wie man das Schlepperwesen eindämmen könnte.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verwarf in Brüssel vor allem den Plan der osteuropäischen Staaten, der Balkan-Staaten und Österreichs, die Grenze zwischen dem EU-Mitglied Griechenland und Mazedonien für Migranten mehr oder weniger zu schließen. "Wer immer versucht, jetzt durch scheinbar einfache Lösungen, europäische Mitgliedsstaaten heraus zu drängen und so zu tun, als habe Griechenland gar keine europäische Außengrenze, sollte wissen, das wird nicht gehen", sagte Steinmeier vor Reportern. "Wir können nicht formell oder informell die Grenzen der Europäischen Union neu ziehen. Griechenland ist ein Mitgliedsstaat. Deshalb haben wir die Pflicht, die Außen-Grenzen Griechenlands - so gut das möglich ist - zu schützen." Griechische Behörden kündigten an, dass weitere drei Registrierungszentren auf Ägäis-Inseln nach wochenlangen Verzögerungen am Mittwoch eröffnet werden sollen.

Frank-Walter Steinmeier im EU-Außenministerrat. Foto: JOHN THYS/AFP/Getty Images)
Steinmeier: Grenzen nicht verschiebenBild: Getty Images/AFP/J. Thys

"Griechenland gehört nicht zu Schengen"

Das funktioniere aber bislang nicht, halten die Osteuropäer dagegen. Griechenland komme seinen Verpflichtungen nicht nach, kritisierte der slowakische Europa-Abgeordnete Richard Sulik im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF). "Griechenland sollte aus dem Schengenraum erst einmal ausgeschlossen werden, weil sie einfach nicht in den Schengenraum hineingehören", forderte Richard Sulik. Im so genannten Schengenraum herrscht weitgehende Reisefreiheit ohne Passkontrollen. Die Kritik, dass Griechenland durch Grenzschließungen zu einem riesigen Flüchtlingslager und damit ins Chaos gestürzt werde, wies der slowakische Politiker zurück. "Na ja, sie haben eine riesengroße Armee. Sie müssen die Armee einsetzen, um Griechenland zu schützen, aber das müssen schon die Griechen selbst tun. Momentan machen sie gar nichts, weil sie hoffen, Europa wird wie in den letzten sechs oder sieben Jahren für Griechenland sorgen." Die EU hatte am Freitag ein Verfahren eingeleitet, um ab Mitte Mai die Grenzkontrollen innerhalb der Schengen-Zone für zwei Jahre zu verschärfen. Begründung: Griechenland schützt die Außengrenze der Schengen-Zone nicht ausreichend. Die slowakische Regierung will demnächst Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Umverteilung von Flüchtlingen erheben.

Debatte über finanzielle Solidarität?

Parallel zu den Außenministern der EU in Brüssel tagten in Prag die Vertreter der "Visegrad"-Gruppe, also Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, der schon vor Monaten seine EU-Außengrenzen zu Serbien mit einem Zaun gesichert hatte, lehnt die Kontingent-Lösung a la Merkel in Prag weiter ab. In einer Art Fernduell drohte daraufhin der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn in Brüssel mit einer Diskussion über die finanziellen Hilfen der EU für die osteuropäischen Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen. "Es wäre fatal, wenn wir in eine Debatte kommen, und die könnte sehr schnell kommen, nicht irgendwann, sehr schnell, dass alle, die hier Solidarität aus Brüssel erfahren, auch etwas zurückgeben müssen. Sonst funktioniert das System nicht", sagte Jean Asselborn. Er glaube und hoffe, dass die Visegrad-Staaten nicht "abtrünnig" werden wollten.

Ungarns Premierminister Viktor Orban. Foto: imago/Seeliger
Orban: Keine KontingenteBild: imago

"Flüchtlingsfrage nicht durch Geld zu regeln"

Der konservative slowakische Europa-Abgeordnete Richard Sulik verbat sich solche Vergleiche. Die EU sei keine solidarische Gemeinschaft, sondern sei eine Vertragsgemeinschaft. "Die EU ist eine Idee, die auf dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital beruht. Daran sollte man sich halten. Die Herren in der EU, und auch in Deutschland, sollten nicht denken, dass man mit Geld alles lösen kann. Die Flüchtlingsfrage kann man mit Geld nicht lösen", warnte Richard Sulik im ZDF. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, der die Flüchtlingspolitik Deutschlands als einer der letzten verteidigt, reagierte wütend. "Der Abgeordnete hat wohl etwas Grundlegendes missverstanden. Manchmal muss man daran erinnern, dass die Visegrad-Staaten immer noch Mitglieder der EU sind."

Die Stimmung ist äußerst gereizt innerhalb der EU. Viele Staaten stehen auch auf dem Standpunkt, dass Deutschland nun einlenken müsse und sich "solidarisch" im Sinne der Mehrheit zeigen müsse, berichten EU-Diplomaten aus den internen Beratungen. Schließlich habe Bundeskanzlerin Angela Merkel das Problem durch ihre Öffnung der Grenzen erst verschärft. Während die Minister sich streiten, kommen täglich rund 2000 neue Flüchtlinge und Migranten in der EU an. Die von der bayrischen CSU in der deutschen Regierungskoalition angemahnte Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen und Asylsuchenden pro Jahr ist bereits nach den ersten sechs Wochen dieses Jahres zur Hälfte ausgeschöpft.