Eurovision Song Contest 2019: Unsere zehn Favoriten
Buchmacher, Fans - sogar ganze Länder sind derzeit mit Spekulationen über den erfolgreichsten ESC-Song beschäftigt. Unsere ESC-Reporter Silke und Rick haben ihre eigenen Favoriten.
Umwerfend: Duncan Laurence - "Arcade" (Niederlande)
Silke: Von den "Hübscher-junger-Mann-singt-Balladen"-Songs ist dieser der beste. Duncan sitzt am Klavier, fängt mit verhaltener Kopfstimme an - aber im Refrain geht strahlend die Sonne auf! Selbst wenn die dramatischen Stellen kommen, ist und bleibt der Song catchy. Und der Mann sieht auch noch fantastisch aus. Seit Wochen ist Duncan der einsame Favorit. Und? Warum nicht Amsterdam 2020?
Blendend: Michael Rice - "Bigger Than Us" (Großbritannien)
Rick: Das Mutterland der Popmusik könnte jetzt seine langjährige Pechsträhne beim Eurovision Song Contest beenden. Michael Rice ist ein wenig beleibt und ungelenk, also nicht gerade ESC-stilisiert. Aber diese nuancierte Soulstimme! Beim Song "Bigger Than Us" gibt er sein Ganzes, dennoch hat man paradoxerweise das Gefühl: Er hat sogar Reserven, um sich bis zum Finale noch zu steigern.
Partytauglich: Michela - "Chameleon" (Malta)
Silke: Jippie! Eine Tanznummer - Reggaeton mit Elektrobeats, dazu ein wirklich ordentlicher Gesang. Auf der Bühne wird Michela vor großen Wänden tanzen, auf denen die Farben ständig wechseln. Der gesamte Song ist sehr abwechslungreich: Er ändert immer wieder seinen Stil - wie ein Chamäleon. Ein amtlicher Dancefloorhit ohne Getöse, sondern cool, lässig und zum Gesäßwackeln geeignet.
Beeindruckend: Mahmood - "Soldi" (Italien)
Rick: Wegen seines ägyptischen Vaters wurde er von einwanderungsfeindlichen Politikern in der italienischen Regierung angegangen. Das ist entsetzlich. Mahmood ist aber Voll-Italiener, auch musikalisch. Sein Lied heißt übersetzt "Geld" und handelt von einem gestörten Vater-Sohn-Verhältnis. Selten wurde Schmerz und Verbitterung so schön verpackt, und der Refrain spukt lange danach im Kopf herum.
Verträumt: Carousel - "That Night" (Lettland)
Silke: Für mich die hübscheste Nummer im gesamten Teilnehmerfeld. Unaufgeregt und völlig entspannt singt sich das Quartett mit Kontrabass durch einen Song, der inmitten der lautstarken Konkurrenz für Ruhe sorgt. Ein bisschen im Stil von Norah Jones' "Sunrise". Ich wünsche ihnen sehr, dass das geneigte ESC-Publikum dies honoriert und Lettland ins Finale und dort auf einen guten Top Ten Platz wählt.
Hinreißend: Tulia - "Pali się" (Polen)
Rick: Die vier Mädels aus Polen bringen mit "Feuer der Liebe" Folklore in Originalsprache (Hurra!), mit völlig abgedrehtem, verrücktem, schrillem Sound und Auftritt in Landestracht. Der Mischklang der Stimmen ist gleichbleibend, dennoch nicht monoton, und man muss die Sprache nicht verstehen um zu wissen, dass das Ganze eine ironische Brechung hat. Dieser Beitrag steht allein in der Landschaft da.
Tanzbar: Tamta - "Replay" (Zypern)
Silke: 2018 hat Eleni Foureira mit "Fuego" für Furore gesorgt. Verdient hatte sie mit dieser feurigen Tanznumer in Lissabon den zweiten Platz gemacht. Also gibt es jetzt den Nachschlag aus Zypern: Tamta singt "Replay" - was ja soviel heißt wie: Spiel das nochmal ab. Wenn Tamta eine gute Show abliefert, kann ihr auch der undankbare erste Startplatz nicht schaden! Das Outfit stimmt schonmal.
Kathartisch: Hatari - "Hatrið mun sigra" (Island)
Rick: Bei ansonsten so viel Friede-Freude-ESC-Mittelmaß finde ich diesen Industrial-Song mit dem Titel "Hass wird siegen" und seiner antikapitalistischen Botschaft ganz befreiend. Aus dem Abgrund der Seele schreien Hatari einen ungeschmückten Aufstand gegen Lüge und Schein heraus. Sie haben kapiert, was bei vielen Menschen an der Basis los ist und geben dem unmissverständlich Ausdruck.
Fantastisch: Sergey Lazarev - "Scream" (Russland)
Silke: Selbst wenn er - wie schon 2016 - wieder mit Pomp und Tricks auf die Bühne kommt, selbst wenn der Song alles andere als ein Knaller ist: Sergey ist definitiv der beste Sänger, der in diesem Jahr am Start ist. Er singt sich mit einer unglaublichen Leichtigkeit durch drei Oktaven - und gegen Ende kommt ein Chor, der mich ein wenig an eine Metal-Powerballade erinnert. Mir gefällt das sehr.
Verblüffend: Conan Osíris - "Telemóveis" (Portugal)
Rick: Bei diesem Song passen Stimme und Instrumentalbegleitung absolut nicht zueinander, aber das mit höchstem Können: Die Politonalität und verblüffenden musikalischen Wendungen gefallen mir, sogar sehr. Ebenso die verrückten Kostüme und schrillen Tanzeinlagen. Übersetzt heißt das Lied "Handys", und ich kann mich daran nicht satt sehen oder hören. Zwölf Punkte für den Mut dazu.