Auch Kriminelle auf Evakuierungsflügen
4. September 2021Eigentlich sollten in den Flugzeugen der Bundeswehr, die den Flughafen von Kabul nach der Machtübernahme der Taliban in Richtung Deutschland verließen, ehemalige Ortskräfte, Journalisten, Menschenrechtler und andere Schutzbedürftige sein. Doch wie das Bundesinnenministerium jetzt bekannt gab, sind auf diesem Weg offenbar auch Personen nach Deutschland gekommen, die von den Behörden als "sicherheitsrelevant" bezeichnet wurden.
Bis zur Stunde seien 20 Fälle bekannt, "die dadurch, dass sie nicht schon in Kabul geprüft wurden, jetzt in Deutschland sind", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer in München. Unter den Straftätern sind seinen Angaben zufolge unter anderem verurteilte Vergewaltiger. In anderen Fällen ging es um gefälschte Dokumente.
Erst abgeschoben - jetzt ausgeflogen
Insgesamt vier der Ausgeflogenen waren - teilweise schon vor Jahren - von Deutschland nach Afghanistan abgeschoben worden. Eingereist sind nach dpa-Informationen neben Straftätern auch mehrere Menschen, deren Namen schon im gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern aufgetaucht waren. Zwei Straftäter seien aufgrund offener Haftbefehle in die Justizvollzugsanstalt gebracht worden, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, auf Nachfrage. Zwei weitere Afghanen seien "nach wie vor in der Obhut der Behörden".
Insgesamt kamen mit der Luftbrücke nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom Mittwoch 4587 Menschen nach Deutschland, davon 3849 Afghanen und 403 deutsche Staatsangehörige. Unter den Schutzbedürftigenwaren auch Bürger zahlreicher anderer Staaten, wobei Deutsche wiederum auch vom Militär anderer Nationen ausgeflogen wurden.
"Notsituation von Kriminellen ausgenutzt"
Dass sich Kriminelle unerlaubterweise über die Luftbrücke nach Deutschland hätten absetzen können, sei der "Notsituation" vor Ort geschuldet, sagte Seehofer. "Die haben zum Teil die Papiere total gefälscht, von A bis Z, und zum Teil hat auch keiner mehr den Überblick gehabt", erklärte der CSU-Politiker die chaotischen Zustände am Flughafen Kabul.
Zu den Menschen, die über die Luftbrücke nach Deutschland gekommen sind, gehört auch ein bisheriger Minister der Regierung von Präsident Aschraf Ghani. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur flog der afghanische Minister für religiöse Angelegenheiten, Mohammed Kasim Halimi, vor knapp zwei Wochen nach Deutschland. Halimi hatte schon vor dem Sturz der Taliban 2001 in ihrer Regierung einen hohen Posten im Außenministerium bekleidet. Später gehörte Halimi zu den Kritikern der militant-islamistischen Taliban.
Die Taliban hatten nach dem angekündigten Truppenabzug der US-Armee mehrere Provinzstädte eingenommen und waren Mitte August dann praktisch kampflos in die Hauptstadt Kabul vorgedrungen. Präsident Ghani war vor den anrückenden Taliban ins Ausland geflüchtet, wie am 15. August bekannt geworden war.
mak/ml (dpa, tagesschau.de)