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Politik

Naki trotzt türkischer Justiz

7. Oktober 2016

Wer in der Türkei nicht der Staatsräson entspricht, hat Probleme. Dies muss jetzt der deutsch-Kurde Deniz Naki feststellen. Der frühere Bundesliga-Fußballer hat seine Meinung geäußert und steht vor Gericht.

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Deniz Naki
Bild: picture alliance/INSIDE-PICTURE/P. Boehmer

Trotz einer drohenden Haftstrafe hat Naki, ehemaliger Fußballspieler des FC St. Pauli, keine Angst vor Repressalien seitens des türkischen Staates. "Ich habe ja nichts falsch gemacht, nur Friedensbotschaften übermittelt. Ich möchte, dass alle Menschen, egal welcher Religion oder Nation, friedlich und ohne Krieg miteinander leben", sagte der 27-Jährige der "Hamburger Morgenpost".

Vorwurf: "Werbung für die PKK"

Ab dem 8. November wird Naki der Prozess in der südosttürkischen Stadt Diyarbakir gemacht. Die türkische Staatsanwaltschaft hatte wegen des Verdachts auf die Verbreitung von Terrorpropaganda Anklage gegen den früheren Profi erhoben. Naki wird vorgeworfen, über Twitter und Facebook für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK geworben zu haben. Dafür drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft. "Ich werde hier als Staatsfeind, als Terrorist angesehen. Aber ich gehe diesen Weg weiter, lasse mich nicht mundtot machen - auch wenn es schlimm enden sollte für mich", sagte Naki. 

Wie tagesschau.de berichtete, geht es dabei laut türkischen Medienberichten auch um "Hetze". Naki hatte unter anderem ein Foto von einem verzweifelten Vater, der neben seinen toten Kindern sitzt gepostet. Naki behauptete, die Kinder seien bei einem Angriff der türkischen Armee getötet worden. Tatsächlich stammte das Bild aber aus dem Gazakrieg 2009. Naki räumt hier einen Irrtum seinerseits ein. "Ich hatte angenommen, es habe sich um ein Bild aus Cizre gehandelt, nach einem Angriff der türkischen Armee. Wie ich jetzt mitbekommen habe, soll das Bild aus den Palästinensergebieten kommen. Okay. Allerdings wurden in Cizre auch Zivilisten vom Militär umgebracht. Wäre es besser gewesen, wenn ich Bilder aus Cizre gepostet hätte, auf denen Leichen zu sehen sind? Frauen und Kinder waren unter den Toten. Hätte ich davon Bilder gepostet - das wäre wohl noch schlimmer gewesen", so Naki im Tagesschau-Interview.

St. Pauli Spieler tragen Deniz Naki T-Shirts vor dem Test gegen Werder Bremen
St. Pauli Spieler tragen Deniz Naki T-Shirts vor dem Test gegen Werder BremenBild: Imago/Oliver Ruhnke

Eine Flucht nach Deutschland komme für ihn nicht in Frage. "Allerdings macht es mich traurig, dass sich meine Familie, die in Düren lebt, Sorgen um mich macht", sagte Naki, der mittlerweile in der dritten türkischen Liga bei Amed SK spielt.

Druck seit Jahren

Vor knapp zwei Jahren geriet Naki in das Visier türkisch-nationalistischer Schläger als er bei Genclerbirligi Ankara in der ersten türkischen Liga unter Vertrag stand. Drei Unbekannte beschimpften ihn als Aleviten und Kurden und schlugen auf ihn ein. Der Fußballer hatte öffentlich Sympathie für die kurdisch-syrische Stadt Kobane geäußert. Flankiert wurde das Ganze durch ständige Beleidigungen und Bedrohungen über Facebook. Für kurze Zeit ging Naki daraufhin zurück nach Deutschland, ehe er wieder in der Türkei anheuerte.

UEFA und FIFA schweigen

In der jetzigen Liga ist Naki inzwischen wegen seiner Äußerungen für zwölf Spiele gesperrt worden. Auslöser war ein Eintrag bei Facebook. Nachdem sein Verein Amed SK sensationell gegen den Erstligisten Bursaspor gewonnen hatte und ins Pokal-Viertelfinale eingezogen war, schrieb Naki unter anderem, dass der Sieg denen gewidmet sei, "die bei den Grausamkeiten, die seit über 50 Tagen auf unserem Boden stattfinden, getötet oder verletzt wurden". Der Verein ist in der südosttürkischen Kurdenmetropole Diyarbakir beheimatet. Der Verband TFF hatte Naki "ideologische Propaganda" und "unsportliche Äußerungen" vorgeworfen. Neben der Sperre wurde Naki auch zu einer Geldstrafe von rund 6000 Euro verurteilt. Die Fußballverbände UEFA und FIFA haben zu dem Vorfall bislang noch nicht Stellung bezogen.

Unterstützung von St. Pauli

Unterstützung erhält Naki von seinem früheren Klub, St. Pauli. Beim Testspiel gegen Werder Bremen hatte der Verein auf das Schicksal des Deutsch-Türken mit kurdischen Wurzeln hingewiesen und Solidarität demonstriert. Die Kiezkicker hatten im Vorfeld der Partie T-Shirts mit dem Aufdruck "Für Deniz" und Nakis ehemaliger Trikotnummer 23 getragen. Zudem wurden alle Nachnamen der Spieler bei der Verkündung der Mannschaftsaufstellung und anderen Durchsagen zu "Naki" abgewandelt. Naki hatte von 2009 bis 2012 für den Club gespielt.


cgn/haz (tagesschau.de, FAZ, Hamburger Abendblatt, dpa, sid)